Einführung: Kaum ein Hochschullehrer hat die moderne Zahnheilkunde in Deutschland so sehr geprägt wie Ewald Harndt (1901–1996): Die führende nationale Fachgesellschaft (DGZMK) wählte ihn zu ihrem Präsidenten (1957–1965), die Freie Universität Berlin zu ihrem Rektor (1967–1969) und die Bundeszahnärztekammer verlieh ihm das Fritz-Linnert-Ehrenzeichen (1991). Vergleichbare Auszeichnungen und Ehrungen erfuhr er in der gesamten Welt.
Diskussion: Während Harndts fachliche und hochschulpolitische Leistungen weithin unbestritten sind, herrscht Unklarheit bezüglich seiner Rolle im „Dritten Reich“: Einerseits wurde er 1945 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP entlassen, andererseits heben jüngere Fachbeiträge darauf ab, dass Harndt im NS-Staat als politisch unliebsam gegolten habe und rücken ihn so in die Nähe eines NS-Gegners oder gar -Opfers. Vor diesem Hintergrund verfolgt der vorliegende Beitrag das Ziel, Harndts Verhältnis zum Nationalsozialismus im Detail auszuleuchten. Methodische Grundlage ist eine umfassende Auswertung der verfügbaren archivalischen Quellen und zeitgenössischen Druckschriften und eine Re-Evaluation der systematischen Sekundärliteratur zu Ewald Harndt.
Ergebnisse: Es lässt sich nachweisen, dass Harndt insbesondere im Entnazifizierungsverfahren eine Reihe unstimmiger, falscher oder beschönigender Angaben machte. Die Quellenanalyse führt zu der Schlussfolgerung, dass Harndt nicht als Opfer, sondern als politischer Mitläufer einzuordnen ist. Er war zweifellos kein „glühender“ Nationalsozialist, doch er diente sich dem Regime an – durch Mitgliedschaften in NS-Organisationen und die Einbindung in die NS-Netzwerke, aber auch durch die Unterstützung der Ideen der NS-„Gesundheitspolitik“ und den Gebrauch der NS-Terminologie – so etwa in den Bereichen Eugenik („vererbt geistig minderwertige Kinder“, „Unfruchtbarmachung“, „Blutsverwandtschaft”) und Religion („deutschreligiös“).
Schlagwörter: DGZMK, „Drittes Reich“, Eugenik, Geschichte der Zahnmedizin, NSDAP