Eine der häufigsten phänotypischen Variationen der weit fortgeschrittenen Parodontitis im Stadium IV ist der klinische Fall, der Patienten mit pathologischer Zahnwanderung und vertikalen parodontalen Defekten beschreibt, gekennzeichnet durch Zahnwanderungen, Auffächerungen, Elongationen und Lückenbildungen. Hier stehen Behandler vor der schwierigen Therapieentscheidung, entweder betroffene Zähne zu extrahieren und durch prothetische Maßnahmen, beispielsweise auf Implantaten, zu ersetzen oder sie durch parodontale Therapie zu erhalten und kieferorthopädisch einzuordnen. Insbesondere in der ästhetischen Zone macht die Implantatinsertion zumeist eine aufwendige Kieferkammaugmentation erforderlich. Zudem ist das erhöhte Risiko für eine Periimplantitis zu bedenken. Alternativ kommen Methoden der regenerativen Parodontalchirurgie zum Erhalt der geschädigten Zähne infrage. Anschließend wird eine kieferorthopädische Therapie benötigt, um die gewanderten und/oder elongierten Zähne neu auszurichten und dauerhaft in ihrer Position zu fixieren. Bis vor Kurzem gab es wenig Information darüber, ob und wie eine derartige interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten aus Parodontologie und Kieferorthopädie ablaufen sollte, um erfolgreich zu sein. Kürzlich publizierte Studien mit neuen Erkenntnissen bezüglich der zeitlichen Koordination der kombinierten parodontalen und kieferorthopädischen (PAR-/KFO-)Therapie − unter anderem mit dem Ziel, Behandlungszeiten zu verkürzen − sind nun in eine neue europäische S3-Leitlinie zur Therapie der Parodontitis im Stadium IV eingeflossen. In diesem Übersichtsbeitrag werden aktuelle klinische Empfehlungen zur therapeutischen Abwägung „Implantat oder Zahnerhalt mit kombiniert parodontal-kieferorthopädischer Behandlung?“ sowie entsprechende Langzeitergebnisse vorgestellt und anhand von Fallbeispielen erläutert.
Schlagwörter: pathologische Zahnwanderung, kieferorthopädische Therapie, parodontale regenerative Therapie, Stadium-IV-Parodontitis, vertikale Defekte, Implantat