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Insuffiziente Wurzelkanalfüllung in direkter Nähe zum Underwood-Septum in der Kieferhöhle

Die enge Lagebeziehung der Kieferhöhle (Sinus maxillaris) zu den Wurzeln der Oberkieferzähne (Prämolaren und Molaren) kann bisweilen zu Schwierigkeiten bei der Diagnostik führen und die Differenzierung zwischen dentogener und rhinogener Ursache einer Erkrankung erschweren. Anhand eines Patientenfalls zeigt Autor Prof. Sebastian Bürklein in seinem Beitrag für die Endodontie 4/19, das die Betrachtung und Bewertung von Röntgenbildern aller Art unter optimalen Bedingungen für eine korrekte Diagnose zwingend erforderlich ist.

Der Sinus maxillaris ist eine der paarig angelegten Nasennebenhöhlen (Sinus frontalis, Cellulae ethmoidales und Sinus spehnoidalis). Der Kieferkamm mit dem Zahnbogen (Arcus alveolaris) wird durch den Processus alveolaris gebildet. In diesem sind Alveolen eingebettet, welche durch Scheidewände (Septa interalveolaria) voneinander getrennt werden. Bei mehrwurzeligen Zähnen wird innerhalb eines Zahnfachs eine weitere Unterteilung durch Septa interradicularia vorgefunden. Über dem Processus alveolaris liegt der sogenannte Basalbogen, der den Kaudruck aufnimmt und weiterleitet1. Die Kieferhöhle kann jedoch durch ein oder mehrere Septen (Underwood-Septen) in einzelne Recessi unterteilt werden2. Die Häufigkeit solcher Underwood-Septen beträgt etwa 30 Prozent3–8, wobei die Septen insgesamt häufiger auf der linken Seite im Vergleich zur Gegenseite vorzukommen scheinen2,4,9.

In den meisten Fällen verlaufen diese Septen transversal (87,6 Prozent). Sagittale (11,1 Prozent) und horizontale (1,3 Prozent) Septen kommen weitaus weniger häufig vor3.

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.

Funktion der Kieferhöhle

Die Funktion der Kieferhöhle und der anderen Nasennebenhöhlen ist nicht abschließend geklärt und wird kontrovers diskutiert10: Zu den diskutierten Funktionen gehören:

  • Verringerung des Schädelgewichts,
  • Resonanzkörper bei der Stimmlautbildung,
  • Erwärmen und Anfeuchten der Atemluft,
  • Reduzierung funktionell ungenutzter Knochen­substanz,
  • Verbesserung der Schädelarchitektur,
  • Thermoregulationsmechanismen.

Die Kieferhöhle ist während der embryonalen und fetalen Entwicklung radiographisch praktisch unsichtbar und wird erst später (nach dem Durchbruch der ersten Dentition) im Röntgenbild gut sichtbar. Der Sinus maxillaris hat eine wichtige Funktion bezüglich des Wachstums der Gesichtsstruktur. Seine endgültige Form und Ausdehnung wird erst mit dem Durchbruch der bleibenden Dentition bis zum Erwachsenenalter (manchmal auch später) ausgebildet11.

Zur Beurteilung der knöchernen Strukturen werden in der zahnärztlichen Diagnostik häufig Einzelzahnaufnahmen oder Panoramaschichtaufnahmen (PSA; auch Orthopantomogramm = OPG) angefertigt. Während es sich bei der Einzelzahnaufnahme um eine Summationsaufnahme handelt, wird beim OPG ein bestimmter Bereich beziehungsweise eine Schicht scharf dargestellt. Im Auflösungsvermögen ist die Einzelzahnaufnahme (Mindestanforderung in der Konstanzprüfung 5 LP/mm) nach wie vor dem OPG (Mindestanforderung 2,5 LP/mm) weit überlegen. Mit digitalen Speicherfolien sind intraorale Aufnahmen mit weit über 20 LP/mm möglich. OPGs erreichen mitunter über 5 LP/mm.

Kasuistik

Ein 35-jähriger Patient stellte sich in der zentralen interdisziplinären Ambulanz (ZIA) des Universitätsklinikums Münster zur Einholung einer Zweitmeinung bezüglich der Erhaltungsmöglichkeit und prothetischen Versorgung des Zahns 26 vor. Dort war kürzlich der palatinale Höcker auf Gingivaniveau frakturiert und der Defekt mit Glasionomerzement provisorisch versorgt worden.

Der intraorale Befund zeigte ein teilweise konservierend und prothetisch insuffizient versorgtes Gebiss mit multiplen harten und weichen Belägen, was auf eine insuffiziente häusliche Mundhygiene schließen ließ. Der PSI zeigte generalisiert Grad 4 bei geröteter und geschwollener Gingiva. Bis auf Zahn 26 verliefen alle Sensibilitätsproben positiv und keiner der Zähne war perkussions-positiv.

Röntgenbefund

Das mitgebrachte OPG (Abb. 1) zeigt einen generalisierten horizontalen Knochenverlust von bis zu 50 Prozent mit vereinzelten vertikalen Einbrüchen. Die parodontale Diagnose lautete: generalisierte Parodontitis Stadium III, Grad C. Es sind multiple Verschattungen im Sinne von konservierenden und prothetischen Restaurationen zu erkennen sowie einige zahnbezogene Aufhellungen kariöse Läsionen. Zahn 26 mit Zustand nach Wurzelkanalbehandlung und -füllung weist eine apikale Parodontitis auf. In der Verlängerung der palatinalen Wurzel ist eine strichförmige Verschattung zu erkennen, die sich in den Sinus maxillaris erstreckt und fast die Hälfte der Strecke zum Orbitaboden ausmacht.

Zur genauen Beurteilung des Zahns 26 und zur Differenzierung zwischen einem Septum und etwaig iatrogen in die Kieferhöhle extrudiertem Wurzelkanalfüllmaterial wurde eine periapikale Röntgenaufnahme (Abb. 2a) angefertigt. Dort kann die apikale Parodontitis verifiziert werden. In der gewählten orthoradialen Projektionsrichtung wurde exakt dieselbe Verschattungsstruktur in Verlängerung der palatinalen Wurzel gesichtet mit der Begleitosteolyse (apikale Parodontitis). Der Verlauf des Kieferhöhlenbodens lässt sich distal der intraantralen Verschattungslinie mit innenliegender fissuraler Aufhellungslinie aufgrund des teilweise interradikulären Verlaufs nur vage erkennen (Abb. 2b). Da im OPG jedoch keine nennenswerten Unterschiede in der Radioluzenz zwischen der rechten und der linken Kieferhöhle zu erkennen waren (Symmetrie), wurde der Verdacht des intraantralen Fremdmaterials nicht erhärtet.

Die zeichnungsscharfe Einzelzahnaufnahme lässt deutlich die basale Begrenzung der Kieferhöhle mit der umgebenden Spongiosa erkennen, wie sie sich zu dem sehr opaken, rein kortikalen Septum verjüngen. Zwischen dem Wurzelkanalfüllmaterial und dem Septum existiert eine Kontinuitätstrennung und der radiographische Apex bleibt sichtbar (Abb. 3).

Die zusätzlich in Auftrag gegebene Nasennebenhöhlenaufnahme ergab aufgrund von Überlagerungen keinen zusätzlichen Erkenntnisge­winn. Der Befund wurde als transversales Underwood-­Septum gewertet.

Der Patient wurde über die Befunde ausführlich aufgeklärt und ihm wurden folgende Therapievorschläge unterbreitet:

  • Revision der Wurzelkanalfüllung; alternativ Extraktion und ZE-Planung;
  • systematische Parodontitis-Therapie;
  • prothetische Planung (Lückenschluss 15 und Krone/Teilkrone 26) nach Reevaluation (PAR) und Revisionsbehandlung.

Fazit

Die genaue Betrachtung und Bewertung von Röntgenbildern aller Art unter optimalen Bedingungen ist zwingend erforderlich, um eine korrekte Diagnose stellen zu können. Die DIN 6868-157 soll das durch die geforderten Abnahme- und Konstanzprüfungen von Bildwiedergabesystemen (BWS) zur Befundung (Befundungsmonitor) gewährleisten. Die Monitore mit einer erforderlichen Auflösung von 1024x786 Pixeln müssen je nach Raumklasse eine maximale Display-Leucht-Dichte von 200 cd/m² (Raumklasse 5) beziehungsweise 300 cd/m² (RK6) haben. Dabei wird die Raumklasse wie folgt definiert: (RK 5) = maximale Beleuchtungsstärke 100 lx; RK 6 = 1000 lx (RK 6).

Die Lagebeziehung zu bedeutsamen anatomischen Strukturen gilt es stets zu berücksichtigen, bei einer nicht eindeutigen Situation sind gegebenenfalls erweiterte Methoden zur Diagnostik (gegebenenfalls DVT; vergleiche Leitlinie DVT in der Zahnmedizin; aktuell in Überarbeitung) in Erwägung zu ziehen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Sebastian Bürklein und Dr. Marie-Therese Kleineidam, beide Münster

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Endodontie