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Der Spülzusatz Etidronat (Dual Rinse HEDP) mit mild entkalkender Wirkung vereinfacht und verkürzt die chemische Wurzelkanalreinigung

Für eine erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung sind zwei Schritte essenziell: die chemomechanische Entfernung von Pulparesten, einem möglicherweise vorhandenen Biofilm und alten Füllmaterialien sowie das Konditionieren des Dentins, um den betroffenen Zahn nach erfolgter endodontischer Behandlung bakteriendicht verschließen zu können. Die wichtigste chemische Substanz in diesem Zusammenhang ist das Natriumhypochlorit (NaOCl), welches in wässriger Lösung zur Spülung verwendet wird. Es hat fast alle zur Wurzelkanalreinigung nötigen Eigenschaften außer einer entkalkenden Wirkung. Autor Prof. Dr. Matthias Zehnder stellt in seinem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 8/19 den Spülzusatz Dual Rinse HEDP vor und erklärt dessen Anwendung. Dieser Zusatz verleiht NaOCl-Lösungen direkt eine mild entkalkende Komponente. Mit einer kombinierten NaOCl-Dual Rinse HEDP-Spüllösung werden die chemische Wurzelkanalreinigung und die Konditionierung des Dentins für die darauffolgenden Füllungen in Wurzel und Zahnkrone nicht nur vereinfacht, sondern es wird auch die dafür benötigte Zeit verkürzt. Nach der Instrumentierung der Wurzelkanäle müssen die Schmierschicht („smear layer“) und anorganische Rückstände (Debris) nicht entfernt werden, weil eine kontinuierliche Calciumkomplexierung ihre Entstehung hemmt. Das Dentin wird dabei nicht wie bei der EDTA-Konditionierung erodiert, was sich positiv auf die Haftung adhäsiver Füllmaterialien auswirkt.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Begriffsklärung

Die nachfolgend verwendeten Termini werden in der Literatur zum Teil nicht ganz korrekt eingesetzt und/oder haben im Deutschen und im Englischen unterschiedliche Bedeutungen. Darum sei hier eine kurze Begriffsklärung vorangestellt:

  • Etidronate sind die Salze der Etidronsäure, eines stickstofffreien Bisphosphonats (Diphosphonat) mit der Formel MnHEDP (n ≤ 4), wobei M meistens Natrium ist.
  • Etidronsäure ist die Trivialbezeichnung der (1-Hydroxyethan-1,1-diyl)bis(phosphonsäure).
  • HEBP ist die im Deutschen gebräuchliche Kurz­bezeichnung für Etidronsäure.
  • HEDP ist die im Englischen gebräuchliche Kurz­bezeichnung für Etidronsäure (Hydroxyethyliden- Diphosphonat).

Einleitung

Wenn die radikuläre Pulpa irreversibel entzündet oder bereits infiziert und nekrotisch ist, muss sie beim momentanen Stand der Technik entfernt und durch ein bakteriendichtes, alloplastisches Material ersetzt werden. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Revaskularisationsbehandlung, auf die am Ende dieses Beitrags kurz eingegangen wird. In jedem Fall ist es aber nötig, den betroffenen Zahn von nekrotischem Weichgewebe und einem möglicherweise vorhandenen Biofilm zu befreien. Neben physikalischen Mitteln wie der Wurzelkanalinstrumentierung, der Spülung oder der Laserbehandlung gibt es nur zwei klinisch zugelassene Chemikalien, die diese Maßnahmen ideal unterstützen: Natriumhypochlorit (NaOCl) als Spüllösung und Kalziumhydroxid (Ca(OH)2) in Suspension als medikamentöse Zwischeneinlage. Beide Mittel wirken proteolytisch, lösen also Mikroorganismen und nekrotische Weichgewebsreste auf17. NaOCl wirkt schnell und konzentrationsabhängig, Ca(OH)2 langsam und anhaltend44. Während sich NaOCl weltweit durchgesetzt hat, gibt es bezüglich der Verwendung von Ca(OH)2 noch immer lokale Unterschiede33.

Um eine möglichst effiziente Reinigung des Wurzelkanalsystems und die maximale Desinfektionszeit zu gewährleisten, empfiehlt es sich, die Wurzelkanäle während der mechanischen Aufbereitung mit NaOCl-Lösung zu fluten13. Dies reduziert zudem den mechanischen Stress auf rotierende Instrumente7. Neben einer NaOCl-Lösung, die primär zur Desinfektion eingesetzt wird, sind auch entkalkende Spüllösungen empfohlen worden, welche Chelatoren, also Komplexbildner enthalten: zuerst Ethylendiamintetraacetat (EDTA)28 und später Zitronensäure19. Historisch beruht die Verbreitung dieser Mittel auf histologischen Beobachtungen. Man erkannte, dass nach mechanischer Aufbereitung des Kanalsystems und Spülung mit einer NaOCl-Lösung eine Schmierschicht („smear layer“) auf instrumentierten Dentinflächen entsteht und sich anorganische Rückstände (auch Debris oder „dentin mud“ genannt) in nicht instrumentierten Arealen des Wurzelkanalsystems ansammeln16,35. EDTA und Zitronensäure lösen diese anorganischen Rückstände mittels Kalziumkomplexierung42, und der Kanalwand anhaftendes ne­krotisches und/oder infiziertes Weichgewebe lässt sich leichter wegspülen28. Zudem wurde klinisch festgestellt, dass solche entkalkenden Mittel die Instrumentierung verengter Wurzelkanäle erleichtern28. Eine oft zitierte Studie hat gezeigt, dass sich die Verwendung von EDTA zur Wurzelkanalspülung positiv auf die klinischen Ergebnisse von Revisionsbehandlungen auswirken kann27. Dies hängt unter Umständen damit zusammen, dass Wurzelkanalfüllmaterialien mit entkalkenden Mitteln leichter von der Dentinwand entfernt werden können als mit NaOCl-Lösungen allein. Da EDTA Kalziumionen bindet, lässt sich damit auch die Ca(OH)2-Einlage einfacher aus dem Kanal entfernen als mit einer nicht entkalkenden Lösung34.

Konventionelle Spülprotokolle

Die Einführung des EDTA und später der Zitronensäure in die Endodontie führte zur Entwicklung verschiedener Produkte, die auf dieser Chemie aufbauten: Einerseits wurden EDTA-haltige Glycolpasten vermarktet37 und andererseits Spüllösungen entwickelt, welche zusätzlich zur entkalkenden eine desinfizierende Wirkung haben. EDTA-haltige Glycolpasten entfernen jedoch die Schmierschicht nicht und neutralisieren das NaOCl sofort15, was klinisch unvorteilhaft ist und solche Produkte eigentlich obsolet macht. Entgegen der von den jeweiligen Herstellern propagierten Meinung reduzieren diese EDTA-haltigen Pasten auch nicht den Torsionsstress auf rotierende Wurzelkanalinstrumente32.

Die erste desinfizierende und entkalkende Lösung, welche speziell für die Endodontie entwickelt wurde, war REDTA (damals Roth Drug Company, Chicago, USA), später auch vermarktet unter dem Namen EDTAC. Dem EDTA wurde hier eine quaternäre Ammoniumverbindung zugesetzt (Cetrimide)21. Es gibt auch neuere Produkte, die dieses Grundkonzept entweder auf Zitronensäure-39 oder EDTA-Basis verfolgen9. Alle diese Produkte haben jedoch ein gemeinsames Problem, nämlich dass sie nicht mit NaOCl kompatibel sind. Der Grund hierfür ist, dass NaOCl sofort mit EDTA und noch schneller und heftiger mit Zitronensäure reagiert5. Dies führte dazu, dass Spülprotokolle definiert werden mussten. Da das NaOCl wie oben beschrieben die klinisch wichtigsten Grundeigenschaften zur chemischen Kanalreinigung besitzt, bauen sich solche Protokolle um das NaOCl auf. Das klassische Spülprotokoll sah vor, NaOCl während der Aufbereitung zu benutzen, anschließend EDTA oder Zitronensäure zur Entfernung von Schmierschicht und Debris einzusetzen und dann wieder NaOCl als Abschlussspülung zur finalen Desinfektion zu applizieren42. Diese Abfolge kann um einen Schritt verkürzt werden, nämlich indem wie zum Beispiel beim EDTAC der entkalkenden Abschlussspülung ein Desinfektionsmittel respektive Antibiotikum zusetzt wird. Man verliert dann allerdings die oft auch nach der Kanalinstrumentierung noch notwendige einzigartige reinigende Wirkung des NaOCl. Zudem kann dadurch das Dentin unkontrolliert erodiert und erweicht werden1.

Tab. 1 Materialien, die nach dem chemischen Reinigungsprozess bei Wurzelkanalbehandlungen mit dem Dentin in Kontakt treten können, und deren primäre Bindungsstellen (*: Beispiele von im deutschen Sprachraum häufig gebrauchten Materialien; es gibt von jedem Materialtyp viele weitere Produkte mit ähnlicher Chemie).
Tab. 1 Materialien, die nach dem chemischen Reinigungsprozess bei Wurzelkanalbehandlungen mit dem Dentin in Kontakt treten können, und deren primäre Bindungsstellen (*: Beispiele von im deutschen Sprachraum häufig gebrauchten Materialien; es gibt von jedem Materialtyp viele weitere Produkte mit ähnlicher Chemie).

Dentinkonditionierung

Abb. 1 Bislang unveröffentlichte rasterelektronenmikrosko­pische Bilder aus einer Studie, in der Wurzelkanalwände nach verschiedenen Spülprotokollen im Querschnitt untersucht wurden20. Extrahierte Prämolaren wurden während bzw. nach der mechanischen Aufbereitung für 15 Minuten mit 10 mL einer 1%igen NaOCl-Lösung gespült. Danach erfolgte die Abschlussspülung (3 Minuten, 5 mL) mit Wasser (oberes Bild) oder 17%igem EDTA (unteres Bild). Im Querschnitt äußert sich die Schmierschicht als „smear plugs“ (Pfeil), also Teile der Schmierschicht, welche in die Dentintubuli gedrückt werden. Im Gegensatz dazu erodiert EDTA die Dentinoberfläche (unteres Bild). Nicht mineralisierte Dentinanteile (vor allem Kollagen), welche mit methacrylatbasierten Adhäsivsystemen interferieren, werden so freigelegt.
Abb. 1 Bislang unveröffentlichte rasterelektronenmikrosko­pische Bilder aus einer Studie, in der Wurzelkanalwände nach verschiedenen Spülprotokollen im Querschnitt untersucht wurden20. Extrahierte Prämolaren wurden während bzw. nach der mechanischen Aufbereitung für 15 Minuten mit 10 mL einer 1%igen NaOCl-Lösung gespült. Danach erfolgte die Abschlussspülung (3 Minuten, 5 mL) mit Wasser (oberes Bild) oder 17%igem EDTA (unteres Bild). Im Querschnitt äußert sich die Schmierschicht als „smear plugs“ (Pfeil), also Teile der Schmierschicht, welche in die Dentintubuli gedrückt werden. Im Gegensatz dazu erodiert EDTA die Dentinoberfläche (unteres Bild). Nicht mineralisierte Dentinanteile (vor allem Kollagen), welche mit methacrylatbasierten Adhäsivsystemen interferieren, werden so freigelegt.
Die Konditionierung des Dentins für die Wurzelkanalfüllung und die darauffolgende koronale Versorgung sind ein klinisch wichtiges Thema, das im hier besprochenen Kontext zu wenig beachtet wird. Eine jüngere Studie hat gezeigt, dass undichte Wurzelkanalfüllungen sich fatal auf die klinischen Resultate auswirken können4. Eine dicke Schmierschicht auf dem Dentin behindert die Adhäsion aller Materia­lien29,38. Somit ist eine gewisse Entkalkung immer wünschenswert, wenn das Dentin mechanisch bearbeitet wurde und Wurzelkanalsystem sowie Zugangskavität danach dicht gefüllt werden sollen. Verschiedene Materialien binden an unterschiedliche Elemente des Dentins (Tabelle). Es darf davon aus­gegangen werden, dass Füllmaterialien von den jeweiligen Herstellern auf gesundem Dentin getestet worden sind. Dentin ist eine gemischt anorganisch-organische Substanz, die einen kristallinen (CaP, hauptsächlich Hydroxylapatit) und einen organischen Anteil (hauptsächlich Kollagen Typ I) aufweist. Bei den oben beschriebenen Spülprotokollen ergibt sich hier je nach dem zum Einsatz kommenden Material jedoch ein Problem. Die Dentinoberfläche wird in Abhängigkeit von der verwendeten Abschlussspülung entweder deproteiniert (NaOCl) oder entkalkt (starke Chelatoren wie EDTA oder Zitronensäure) sein (Abb. 1).

Da sowohl EDTA als auch Zitronensäure nicht nur die Schmierschicht entfernen, sondern auch das Dentin erodieren und somit Kollagen freilegen, ist ihr klinischer Einsatz nicht immer unproblematisch20. Verwendet man beispielsweise einen Epoxidharz-Sealer wie AH-Plus (Dentsply Sirona), so wirkt sich eine solche Erosion positiv auf die Haftung und Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung aus25. Bei sogenannten biokeramischen Sealern (also solchen, die auf hydraulischen CaSi-Zementen wie beispielsweise MTA basieren), ist eine Dentinerosion hingegen unerwünscht8. Da beim Konditionieren der Wurzelkanäle auch unausweichlich die Pulpen­kammer und somit das koronale Dentin mitbehandelt werden, ergibt sich das zusätzliche Problem, dass auch methacrylatbasierte Dentinadhäsive auf stark erodiertem Dentin schlecht funktionieren31. Eine Behandlung mit NaOCl kann erodiertes Dentin entfernen und dadurch die Haftung von methacrylatbasierten Adhäsiven und auch CaSi-basierten Materialien wieder verbessern11,22. Theoretisch müsste deshalb die Zugangskavität nach erfolgter EDTA-Abschlussspülung und Wurzelkanalfüllung mit NaOCl konditioniert oder aber mechanisch angefrischt werden, um sie dann besser adhäsiv verschließen zu können.

Weshalb HEDP?

Aus der oben beschriebenen Problematik ergab sich folgende Fragestellung: Gibt es ein biokompatibles, entkalkendes Mittel, das zumindest kurzfristig (also für die Dauer einer Behandlung) mit NaOCl kompatibel ist und das Dentin nicht aggressiv entkalkt, sondern möglichst in seinem natürlichen Zustand (inklusive Entfernung der Schmierschicht) belässt? Dieses Mittel wurde mit HEDP gefunden45. HEDP wird in der Wasser- und Abwasserbehandlung, in Wasch- und Reinigungsmitteln, in kosmetischen Artikeln, als medizinischer Wirkstoff und zur Korrosionshemmung verwendet. Wie EDTA und Zitronensäure ist HEDP ein Chelator, welcher allerdings etwas schwächere Komplexe mit Kalzium bildet als die vorher genannten Moleküle. Wichtig hierbei ist, dass HEDP als Zusatz in der NaOCl-Spüllösung verwendet wird und somit während der gesamten endodontischen Behandlung zum Einsatz kommt. Es werden also kontinuierlich Kalziumionen gebunden, so dass Wechselspülungen komplett entfallen. Schmierschicht und Debris werden mit diesem Konzept nicht nach der mechanischen Wurzelkanalaufbereitung entfernt, sondern schon ihre Entstehung wird verhindert45, und zwar ohne dass es zu einer Entkalkung des da­runterliegenden Dentins kommt20. Studien an extrahierten menschlichen Zähnen, die während der Wurzelkanalaufbereitung mit einer 1:1-Mischung von 5-prozentigem NaOCl und 18-prozentigem HEDP (ergibt eine kombinierte Lösung mit ca. 2,5 Prozent NaOCl und 9 Prozent HEDP) gespült wurden, haben gezeigt, dass mit der Verwendung dieser Mischung nicht nur die Haftkraft von methacrylatbasierten Adhäsiven10, sondern auch diejenige von Epoxidharz26 und CaSi-Zement- basierten Materialien24 verbessert wird. Zudem kann die Desinfektion des Wurzelkanalsystems verbessert23 und die Torsionsbelastung rotierender Instrumente reduziert werden7.

Dual Rinse HEDP

Die oben erläuterten Studien und Erkenntnisse führten zur Entwicklung einer kommerziell verwertbaren Formulierung von HEDP. Dies wurde von Dr. Dirk Mohn (smartodont) in Zusammenarbeit mit dem Autor bewerkstelligt. Erste Versuche mit Zweiwegspritzen mit flüssigem 5-prozentigem NaOCl (selbst in mit NaOH stabilisierter Form) in der einen und 18-prozentigem HEDP in der anderen Ampulle zeigten, dass das NaOCl zu schlecht lagerfähig ist, um in dieser Form in der beschriebenen Anwendung kommerziell nutzbar gemacht werden zu können. Zudem setzen Zahnärzte unterschiedliche Konzen­trationen von NaOCl-Lösungen ein. Weitere Versuche ergaben, dass anstatt einer Flüssigkeit einfach das Salz der Etidronsäure (Etidronat) verwendet werden kann: Direkt in NaOCl-Lösungen gemischt, bleibt das freie Chlor in den so entstehenden kombinierten Lösungen für die Dauer einer Wurzelkanalbehandlung in ausreichender Menge erhalten6. Das hat den Vorteil, dass der Anwender die von ihm bereits eingesetzte NaOCl-Lösung in der präferierten Konzentration weiter benutzen kann.

Diese Resultate wurden später mit dem CE-gekennzeichneten und kontrolliert hergestellten Produkt Dual Rinse HEDP (Medcem, Weinfelden, Schweiz) bestätigt46. Eine Toxizitätsstudie ergab, dass Dual Rinse HEDP eine sehr geringe Zytotoxizität hat und diejenige von NaOCl nicht erhöht. Auch entstehen keine toxischen Reaktionsprodukte zwischen Dual Rinse HEDP und NaOCl2. Eine randomisierte klinische Studie zeigte, dass die klinische Desinfektionswirkung von 2,5-prozentigem NaOCl durch die Beigabe von Dual Rinse HEDP nicht verschlechtert wird3. Postoperative Schmerzen und Entzündungsmediatoren in den periapikalen Geweben wurden durch die Zugabe des Produktes nicht erhöht. Stu­dien an extrahierten Zähnen wiesen zudem darauf hin, dass Dual Rinse HEDP bei Zugabe zu NaOCl die Adhäsion eines CaSi-Materials (Biodentine, Septodont) an die Wurzelkanalwand erhöht30, die Desinfektion verbessert14 und zudem die Bleichwirkung des NaOCl beibehalten wird47. Die Kombination von Dual Rinse HEDP mit NaOCl hatte im Gegensatz zu Zitronensäure keinen negativen Einfluss auf die Haftkraft eines selbstätzenden Adhä­sivs (Clearfil SE Bond, Kuraray Europe) am Dentin18.

Vorbereitung der kombinierten NaOCl-Dual Rinse HEDP-Spüllösung

Bevor man mit der klinischen Anwendung von Dual Rinse HEDP beginnt, sollten drei Limitationen in Betracht gezogen werden.

Der erste Punkt betrifft die Anmischzeit. Das Pulver sollte in einem sterilen Becher mit der zu benutzenden NaOCl-Lösung gemischt werden. Hierzu wird das in einer Kapsel enthaltene Dual Rinse HEDP pro 10 mL NaOCl-Lösung verwendet (Abb. 2). Je nachdem, wie stark man die entstandene Suspen­sion mischt (ideal ist hierfür der Einsatz eines Ze­mentspatels), dauert es 1 bis 2 Minuten, bis sich das gesamte Etidronat gelöst hat. Diese Zeit kann als lange empfunden werden, wenn man sich mitten in einer Behandlung befindet und darauf wartet. Es ist daher ratsam, die in der bevorstehenden Sitzung benötigte Menge an NaOCl und Dual Rinse HEDP unmittelbar vor Behandlungsbeginn anzumischen.

Der zweite Punkt betrifft die Konzentration von NaOCl-Lösungen. Bei über 5-prozentigem NaOCl wird die Mischung mit Dual Rinse HEDP kritisch, da die entstehende kombinierte Lösung zu salzig gerät und wieder ausfallen kann2. Nach Meinung des Autors sollten allerdings Lösungen mit einem NaOCl-Gehalt über 5 Prozent nicht verwendet werden, da sie stark ätzend wirken, das Kollagennetz im Dentin schädigen und gegenüber weniger stark konzentrierten Lösungen keinen erwiesenen klinischen Vorteil haben43.

Als letzte Limitation sollten NaOCl-Dual Rinse HEDP-Mischungen auch nicht kurzfristig erwärmt gelagert werden, da sie hierdurch instabil werden und das aktive Chlor rasch verloren geht46. Wässrige Lösungen im Wurzelkanalsystem mit dessen hoher spezifischer Oberfläche erreichen schnell Körpertemperatur36. Ein Vorwärmen von Spüllösungen ist somit von fraglichem Nutzen. Das Erwärmen von NaOCl kann durchaus sinnvoll sein, sollte aber besser im Wurzelkanal selbst erfolgen41.

Klinisches Vorgehen

Ist die NaOCl-Dual Rinse HEDP-Lösung angemischt (Abb. 2a bis d), kann mit der Behandlung begonnen werden. Bereits nach dem Präparieren der Zugangskavität sollte damit gespült werden. Kalziumhaltige Präparate wie beispielsweise Cavit (3M Oral Care) oder eine schon vorhandene Ca(OH)2- Einlage lassen sich dabei besser herausspülen als mit einer reinen NaOCl-Lösung. Wie bei jeder Wurzelkanalbehandlung sollte darauf geachtet werden, dass das Pulpenkavum ständig mit Spüllösung geflutet ist. Nach der klinischen Erfahrung des Autors erleichtert die NaOCl-Dual Rinse HEDP-Mischung das Auffinden verkalkter Kanäle, weil man nicht nur die Wachstumslinien am Boden des Pulpenkavums besser sieht, sondern auch die Dentintubuli (wo niemals Kanäle sind!) strahlenförmig weiß erscheinen. Zudem lassen sich Wurzelkanalfüllmaterialien etwas leichter herausspülen als mit reinem NaOCl (Abb. 3a bis f). Das HEDP verleiht dem Dentin einen typischen Glanz und eine gewisse Durchsichtigkeit, welche man auch nach EDTA-Spülungen feststellt.

Während der Kanalaufbereitung ist es besonders wichtig, dass zur mechanischen Reinigung die Kanäle mit der Spüllösung geflutet werden, denn so lassen sich Weichgewebsreste, Biofilm und auch alte Wurzelkanalfüllmaterialien besser entfernen. Die Verwendung von Dual Rinse HEDP bietet hier den Vorteil, dass einer Schmierschicht und Debrisakkumulation vorgebeugt wird, indem kalziumhaltige Hartgewebespäne direkt aus dem bearbeiteten Kanal herausgespült werden. Je nach Komplexität des Wurzelkanalsystems ist es wichtig, die Spüllösung mittels Schall- oder Ultraschallspitzen zu aktivieren. Auch anatomische Feilensysteme können dazu verwendet werden, von konventionellen Instrumenten nicht bearbeitete Oberflächen zu reinigen. Besonders deutlich wird die Wirkung solcher Instrumente bei Revisionsbehandlungen. Auch hier kann in der NaOCl-Lösung enthaltenes HEDP dabei helfen, die Therapie effizienter zu machen, da der Reinigungsschritt mit einer EDTA-Abschlussspülung entfällt14,40. Für die Abbildungen 3a bis f wurde bewusst eine typische Revisionsbehandlung als Beispiel gewählt, weil hierbei die Reinigungseffekte der jeweiligen Behandlungsschritte besser sichtbar sind und radiologisch nachverfolgt werden können. Grundsätzlich ist es aber so, dass genau dieselben Schritte auch bei initialen Wurzelkanalbehandlungen indiziert sind, um ein sauberes und für die Wurzelkanalfüllung konditioniertes Kanalsystem zu erhalten.

Die kombinierte NaOCl-Dual Rinse HEDP-Spüllösung kann also für alle Behandlungsschritte inklusive der Abschlussspülung zum Einsatz kommen. Neben dem offensichtlichen Zeitgewinn und der Einfachheit dieses Vorgehens hat die Verwendung der Kombination gegenüber konventionellen Protokollen mit EDTA-Präparaten die zusätzlichen klinischen Vorteile der einfacheren Blutstillung bei Perforationen und des Erhalts der Bleichwirkung des NaOCl bei blutverfärbtem Dentin47. Es wird oft vergessen, dass Chelatoren wie EDTA, Zitronensäure und HEDP ohne NaOCl antikoagulativ wirken und zum Beispiel beim akzidentiellen Überspülen eine innere Blutung in den periapikalen Geweben verlängern können. Wird HEDP allerdings mit NaOCl gemischt, dann überwiegt die proteolytische Wirkung des NaOCl, und zumindest bei Perforationen blutet es weniger stark ein als wenn EDTA verwendet wurde. Die Frage, ob dies bei akzidentellem Überspülen auch der Fall ist, lässt sich zurzeit nicht beantworten, da keine entsprechenden klinischen Berichte vor­liegen.

Ein nützlicher Test, um zu erkennen, ob das Wurzel­kanalsystem sauber gereinigt wurde, ist der sogenannte Champagnereffekt. Steigen noch Blasen in der NaOCl-haltigen Lösung auf, wenn diese passiv ins fertig instrumentierte Wurzelkanalsystem gegeben wird, so muss weitergespült beziehungsweise die Spüllösung aktiviert werden, und/oder man sollte die Spüllösung weiterhin passiv einwirken lassen. Die Blasen entstehen aus der Reaktion organischer Moleküle im Wurzelkanal mit den OCl- (Hypochlorit)-Ionen. Dieser Test funktioniert mit kombinierten NaOCl-Dual Rinse HEDP-Spüllösungen ebenso gut wie mit reinen NaOCl-Lösungen.

Nach erfolgter Behandlung und Abschlussspülung kann das Kanalsystem mit Papierspitzen getrocknet und entweder eine medikamentöse Einlage oder die Wurzelkanalfüllung eingebracht werden. Die einzige Ausnahme bildet die Revaskularisationsbehandlung von Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum, bei welcher eine Blutung induziert und pluripotente Zellen aus dem Periapex angelockt werden sollen: Hier empfiehlt es sich, zum Abschluss mit einer rein entkalkenden Lösung zu spülen, wofür 17-prozentiges EDTA, 10-prozentige Zitronensäure oder aber eben auch 18-prozentiges HEDP eingesetzt werden kann12. Um 18-prozentiges HEDP zu erhalten, ist es möglich, eine Kapsel Dual Rinse HEDP in 5 mL (anstatt 10 mL wie beim NaOCl) steriler Kochsalzlösung aufzulösen und als Abschlussspülung zu verwenden.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit einer kombinierten NaOCl-Dual Rinse HEDP-Spüllösung tatsächlich eine chemische Kombination entsteht, mit welcher fast alle Fälle in alleiniger Anwendung behandelt werden können, ohne dass man sich dabei Gedanken über die Dentinkonditionierung machen muss. Die Dauer und die Menge der Spülung hängen von der Komplexität der zu behandelnden Wurzelkanalanatomie und auch von dem Infektionsgrad ab.

Hinweis

Das beschriebene Spülkonzept beruht auf der langjährigen klinischen und experimentellen Beschäftigung des Autors mit dem Thema. Es soll damit aber in keiner Weise behauptet werden, dass die hier vorgestellte die einzige Art sei, Wurzelkanäle chemisch zu reinigen, sondern lediglich die wohl einfachste.

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Ein Beitrag von Prof. Dr. Matthias Zehnder, Zürich, Schweiz

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 8/19 Endodontie Zahnmedizin