Ziel: Unsere Studie hatte zum Ziel, die Therapieergebnisse von Klasse-II-Korrekturen unter Ver- wendung einer vollständig individuellen lingualen Apparatur in Verbindung mit der Herbst-Apparatur mithilfe des Bewertungssystems des American Board of Orthodontics (ABO) qualitativ zu bewerten.
Material und Methode: Die Kriterien der Patientenselektion für diese Studie lauteten: Klasse-II/1- oder -II/2-Fehlstellung, behandelt mit einer WIN-Lingualapparatur in Kombination mit einer L-Pin-Herbst-Apparatur. Insgesamt wurden 32 konsekutiv entbänderte Patienten in diese retro- spektive Fallserie inkludiert. Für die Datensammlung standen die Anfangs- und Abschlussmodelle, Set-ups, Panoramaschichtaufnahmen, Fernröntgenseitenanalysen, Fotografien und Patientenkarteien zur Verfügung. Primäre Ergebnisvariable war der ABO-Score, basierend auf dem Diskrepanzindex (Discrepancy Index, ABO-DI, mit horizontalem und vertikalem Überbiss, frontoffenem Biss, seitlich offenem Biss, Engstand, Bisslage [Angle-Klasse], lingualem und bukkalem lateralem Kreuzbiss sowie ANB-, IMPA und SN-GoGN-Winkeln) und auf der Modell- und Röntgenanalyse (Cast- Radiograph Evaluation, ABO CR-Eval, mit Einordnung/Drehständen, Randleisten, vestibulooraler Kippung, horizontalem Überbiss, Okklusionskontakten, Bisslage [Angle-Klasse], Approximalkontakten und Wurzelkippung). Zusätzlich wurden der horizontale und vertikale Überbiss sowie die Klasse-II-Korrektur anhand der Anfangs- und Abschlussmodelle bewertet. Sekundäre Ergebnisvariablen waren Bracketverlustraten und Komplikationen im Zusammenhang mit der Herbst-Apparatur.
Ergebnisse: Die endgültige Studienkohorte umfasste 18 Patientinnen und 12 Patienten im Durchschnittsalter von 15,8 Jahren (von 12,6 bis 18,5 Jahren). Hiervon wiesen 20 Patienten eine Klasse-II/1- und 10 eine Klasse-II/2-Fehlstellung auf. Der mittlere Wert für den ABO-DI vor der Behandlung lag bei 20,8 (Spannweite: 10 bis 39). Bei mehr als zwei Dritteln der Patienten wurde die Schwierigkeit der Behandlung als moderat (ABO-DI 16 bis 24) oder hoch (ABO-DI über 25) bewertet. Der durchschnittliche ABO-CR-Eval-Wert nach der Behandlung betrug 15,0 (Standardabweichung [SD]: 4,4) und liegt deutlich unter dem Grenzwert des ABO. Bei 26 Patienten war der Wert ≤ 20 (dies gilt als vorbehaltlos bestanden). Die Klasse-II-Diskrepanz konnte wirksam korrigiert werden, von einem Wert von 16,83 Strafpunkten (SD: 3,65) vor auf einen Wert von 1,57 (SD: 1,70) nach der Behandlung. Ein Zusammenhang zwischen inititalem Schweregrad der Malokklusion und der Qualität des erzielten Ergebnisses fand sich nicht (p = 0,42), das heißt, schwierige und einfachere Anfangsbefunde wurden gleichermaßen erfolgreich korrigiert. Die mittlere Bracket-Verlustrate betrug 3,8 pro Patient. Komplikationen im Zusammenhang mit der Herbst-Apparatur waren mit 1,6 pro Patient selten, wobei die Mehrzahl sehr einfach zu behebende Komplikationen waren. Insgesamt hatten 43 % der Patienten gar keine Komplikationen mit der Herbst-Apparatur.
Schlussfolgerung: Mit der in der vorliegenden Studie nachuntersuchten vollständig individuellen lingualen Apparatur in Kombination mit einer L-Pin-Herbst-Apparatur kann eine Klasse-II-Korrektur wirksam durchgeführt werden, und dies unabhängig von der initialen sagittalen Diskrepanz. Der mittlere ABO-CR-Eval-Score der Patienten lag deutlich unterhalb der Akzeptanzgrenze (vorbehaltlos bestanden) und verdeutlicht die hohe Qualität der Behandlungsergebnisse.
Schlagwörter: Linguale Apparatur, Herbst-Apparatur, American Board of Orthodontics (ABO), American Board of Orthodontics Objective Grading System, objektives Bewertungssystem, Klasse-II-Korrektur, Behandlungsergebnisse