Seiten: 279-288, Sprache: DeutschOhlendorf, Daniela / Pusch, Katharina / Filmann, Natalie / Kopp, StefanBei einem orthopädischen Beinlängenausgleich stellt sich die Frage nach den Auswirkungen dieser Maßnahme auf den gesamten Bewegungsapparat. Der Einfluss auf Bewegungen des Unterkiefers wurde in diesem Zusammenhang bisher nur wenig berücksichtigt. Daher war es das Ziel dieser Studie zu untersuchen, ob ein einseitiger, temporärer Beinlängenausgleich von 1 cm beziehungsweise 3 cm die Unterkieferbewegungsbahnen bei vollbezahnten erwachsenen Probanden nachweislich verändern kann. Diese prospektive klinische Studie wurde mit 30 vollbezahnten Erwachsenen ohne orthopädische Beschwerden im Bewegungsapparat oder im kraniomandibulären System durchgeführt. Die Vermessungen der vorab definierten Bewegungsbahnen des Unterkiefers wurden mit einem dreidimensionalen Spurschreibsystem aufgezeichnet. Jedem Probanden wurde eine 1 cm beziehungsweise 3 cm dicke Holzplatte unter den linken oder rechten Fuß gelegt. Anschließend erfolgte ein statistischer Vergleich dieser Messdaten mit einer Referenzmessung (habituelles Stehen ohne Beinlängenausgleich), um Korrelationen zwischen der Funktionalität des Bewegungssystems und den dreidimensionalen Bewegungsabläufen des Unterkiefers darlegen zu können. Für die statistische Datenanalyse wurde der nichtparametrische Wilcoxon-matched-pairs-Test mit anschließender Bonferroni-Holm- Korrektur verwendet. Wenn eine Beinerhöhung auf der linken Körperseite von 1 cm erfolgte, veränderten sich die Bewegungsbahnen des linken (p = 0,01) und rechten (p = 0,02) Kiefergelenks im Vergleich zur neutralen Ausgangsposition. Bei einer Erhöhung von 3 cm auf der linken Körperseite veränderte sich nur das Ausmaß der rechten Bewegungsbahn (p = 0,02). Demgegenüber änderten sich die Mundöffnung und die Deflexion nicht. Die künstlich erzeugte Beinlängendifferenz kann somit bei vollbezahnten, gesunden Erwachsenen die Bewegungen des Unterkiefers individuenspezifisch beeinflussen. Eine 1 cm starke Erhöhung ist ausreichend, um entlang aufsteigender Muskelketten die Bewegungen im Unterkiefer zu verändern.
Schlagwörter: Kraniomandibuläre Dysfunktion, Beinlängendifferenz, Bewegungsanalyse, Kiefergelenk