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    Ein Praxistest unter besonderer Berücksichtigung kieferorthopädischer Aspekte

    Scanaufnahme (iMedit 700, Scanzeit 6:45 min) einer 12-jährigen Patientin mit vollständiger Multiband-/bracketapparatur und zirkulärer elastischer Kette im Oberkiefer.

    Seit Einführung der ersten digitalen Bildgebungssysteme in die Zahnheilkunde vor mehr als 30 Jahren hat eine rasante Entwicklung stattgefunden1–5. Konnten zunächst nur einzelne Zähne oder Kieferabschnitte mit ausreichender Präzision gescannt werden, so ist heute die Aufnahmetechnik in der Lage, den oberen und unteren Zahnbogen vollständig digital zu erfassen. Die Autoren Dr. Jens Bock, Henriette Bock und Christian Gehrke zeigen in Ihrem Beitrag für die Kieferorthopädie 3/21 anhand der Scanner Medit i500 und i700 verschiedene Aspekte des intraoralen Scannens unter Beachtung kieferorthopädischer Anforderungen auf und diskutieren die Ergebnisse.

    Die Aufnahme der dreidimensionalen Strukturen durch intraorale Scanner erfolgt durch verschiedene Prinzipien1:

    • Aktive Triangulation: Streifenlichtmuster wird ausgesandt und wieder erfasst. Beispiel: Cerec Omnicam (Sirona Dentsply)
    • Optische Triangulation (3-D-Rekonstruktion aus Videoaufnahmen). Beispiel: iMedit 500, iMedit 700 (Medit)
    • Konfokale Mikroskopie: Verschiedene Schärfenebenen werden durch Aussendung und Erfassung paralleler Lichtstrahlen zusammengefasst. Beispiele: iTero Elements 5D (Align Technologies), Trios3 (3Shape)
    • Stereovermessung: Mehrere Kameras im Scankopf nehmen von unterschiedlichen Positionen Einzelbilder des Objektes auf. Beispiele: True Definition Scanner (3M), Primescan (Sirona ­Dentsply).

    Zur Beurteilung der Scangenauigkeit wurden zwei Begriffe geprägt und in einer im Jahr 2020 überarbeiteten ISO-Norm6 beschrieben (Tab. 1). Es ist davon auszugehen, dass alle verfügbaren intraoralen Scanner diesen Anforderungen entsprechen.

    Tab. 1 Parameter zur Beurteilung der Scangenauigkeit.
    Tab. 1 Parameter zur Beurteilung der Scangenauigkeit.

    Die Angaben zur Genauigkeit intraoraler Scanner variieren und sind sowohl abhängig vom Studiendesign (in Vitro/in Vivo) als auch von den zu scannenden Objekten (Einzelzahn/Quadrant/ganzer Kiefer). Unter klinischen Aspekten scheinen der Scanmodus und die Erfahrung des Nutzers einen wesentlichen Einfluss zu haben7–18. Die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Studien wird durch eine fehlende Standardisierung der Prüfverfahren erschwert. Nach Zimmermann1 werden folgende Abweichungstoleranzen intraoraler Scanner als Richtwerte determiniert:

    • Einzelzahn: 10 µm
    • Quadrant: 25 µm
    • Ganzer Kiefer: 50 bis 80 µm

    Für die klinische Einordnung dieser Werte sind die Angaben aus der konventionellen Modellherstellung heranzuziehen. Nach Alginatabformung werden Abweichungen von bis zu 200 µm und für Hochpräzisionsabformungen mit Polyether 25 µm als Toleranzen akzeptiert1

    Im Vergleich zu einem konventionellen Vorgehen mit Präzisionsabformung und Modellherstellung zeigten sich in aktuellen Studien die intraoralen Scanner unterlegen (bezogen vor allem auf die Wiedergabe eines vollständigen Zahnbogens)7,8,10,11. Sowohl für einen ganzen Kiefer als auch für Einzelzahnpräparationen ergaben sich in den Untersuchungen von Ender et al.9 (2019) und Zimmermann et al.10 (2020) zum Teil signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Geräten (Tab. 2). Aktuelle Übersichtsarbeiten (systematic review) wiesen aber darauf hin, dass in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Verbesserung der Scanergebnisse zu beobachten ist15,19.

    Ziel 

    Im Rahmen einer ersten klinischen Erprobung werden zwei intraorale Scanner des südkoreanischen Herstellers Medit Cooperation (Seoul, Südkorea) im kieferorthopädischen Alltag getestet. 

    Intraorale Scanner iMedit 500 und 700

    Der 2018 vorgestellte intraorale Scanner iMedit 500 basiert auf dem Prinzip der optischen Triangulation und erlaubt nach Herstellerangaben die dreidimensionale Erfassung dentaler Strukturen mit einer hohen Genauigkeit (Einzelzahn 10 µm, Quadrant 25 µm, Einzelkiefer 50 µm). Neben verschiedenen technischen Erweiterungen fällt das Nachfolgemodell iMedit 700 durch sein grazileres Design und den vergrößerten Scankopf auf (Abb. 1). Zusätzlich wurde die Funktionalität durch ein Funktionsrad zur direkten Softwaresteuerung und durch die automatische UVC-Innenreinigung erweitert. Beide Scanner sind leicht (< 300 g) und nutzen die gleiche Software (Medit Link). Die Applikation dient der Steuerung des Aufnahmeprozesses und der Erstellung des digitalen Rohscans. Die Weitergabe der dreidimensionalen Daten erfolgt durch die Generierung von STL- oder OBJ-Dateien, die ohne zusätzliche Kosten in andere Anwendungen integriert werden können.

    Die „Kieferorthopädie“ informiert viermal im Jahr über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen aus Praxis und Wissenschaft. Die Beiträge befassen sich mit allen Sachgebieten der modernen Kieferorthopädie. Praxisnahe Patientenberichte und Übersichtsartikel bilden das Herzstück jeder Ausgabe. Kongressberichte, Buchbesprechungen, Praxistipps, Interviews und eine ausführliche Übersicht über kieferorthopädische Fortbildungsveranstaltungen runden das redaktionelle Spektrum ab. Eine Vielzahl von anschaulichen, zum größten Teil farbigen Abbildungen in optimaler Reproduktionsqualität illustriert die einzelnen Beiträge. Mit kostenlosem Zugang zur Online-Version recherchieren Abonnenten komfortabel online – auch rückwirkend ab 2003 im Archiv. Kostenloser Zugang zur App-Version für Abonnenten. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

     

    Zu den wesentlichen Faktoren für die Anwendung intraoraler Scanner sind neben einer guten Handhabbarkeit die Einarbeitung in den Scanprozess und in die Software anzusehen (Lernkurve). Unter kieferorthopädischen Aspekten ist es von besonderer Bedeutung, möglichst alle relevanten Strukturen fehlerfrei zu erfassen (apikale Basis, Gaumengewölbe, Weichteilansätze, Alveolarfortsatz). Ungünstige anatomische Bedingungen, wie ausgeprägte Engstände, Kippungen oder Drehstände sowie enge Relationen bei Heranwachsenden, können die digitale Abformung beeinträchtigen und führen zu einem erheblichen Mehraufwand. 

    In einem Kurztest wurden von acht kieferorthopädischen Patienten mit unterschiedlichem Dentitionsstand und Anomaliegrad durch verschiedene Untersucher (Anfänger/Fortgeschrittene) intraorale Scans mit beiden Scannern angefertigt. Neben der Erfassung der reinen Scanzeit wurde auch die Dauer gemessen, bis aus den Daten der digitale Rohscan vorlag (Rekonstruktionszeit). Beide Scanner zeigten sowohl für Geübte als auch für Ungeübte im Umgang mit digitalen Abformungen sehr gute Leistungen und eine hohe Patientenzufriedenheit (Tab. 3). Für den praktischen Einsatz erscheinen zwei Faktoren wesentlich: Die Scanzeit ist viel mehr von der Erfahrung des Untersuchers abhängig als der Scanner und ist nur ein Element zur Beurteilung der Effizienz, da die Rekonstruktionszeit ebenfalls in die Betrachtung einfließen sollte (Tab. 3).

    Klinische Ergebnisse

    Die Abbildung 2 zeigt das klinische Beispiel eines erwachsenen Patienten. Trotz enger anatomischer Verhältnisse (enger Gaumen, Zustand nach Extraktionstherapie, diverse Versorgungen) gelang es auch einem unerfahrenen Untersucher, eine gute digitale Abformung zu erstellen. Bei der Bewertung und dem Vergleich verschiedener Scanner miteinander sind auch die Anforderungen an das digitale Modell zu beachten. Unter kieferorthopädischen Aspekten zur Diagnose und Korrektur von Zahnfehlstellungen ist die Erfassung aller wesentlicher anatomischer Relationen zu fordern. Die digitale Aufnahme nur der Zahnkränze erscheint in diesem Zusammenhang nur für einzelne Fragestellungen relevant.

    Neben der Genauigkeit digitaler Modelle werden mögliche Nachbearbeitungen kritisch gesehen und gefährden die juristische Bewertbarkeit. Am Beispiel der Medit-Scanner finden jedoch folgende Faktoren Berücksichtigung:

    • Rohscandaten werden vollständig erfasst und ohne Veränderung gesichert.
    • Durch Übertragung der Texturen sind alle Manipulationen auch in den nachgeordneten digitalen Arbeitsschritten erkennbar (Abb. 3).
    • Der Scanvorgang wird durch die Aufnahme eines HD-Videos kontrolliert.

    Da aus Sicht einer kieferorthopädischen Praxis derzeit keine validierten Prüfkörper für die Testung intraoraler Scanner verfügbar sind, wurden verschiedene Konfigurationen (Scanner/Untersucher/Ausgangsbefund) exemplarisch ausgewählt und durch digitale Überlagerungstechniken (Modul Inspekt 3D, Onyxceph,  Image Instruments) verglichen (Abb. 3 bis 9). Ohne den Anspruch eines ausgereiften Testprotokolls zu erheben, lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassen:

    • Beide Scanner liefern gute Resultate, unabhängig vom Erfahrungsgrad des Anwenders.
    • Intraorale Scans und die Erfassung von Modellen sind sehr gut möglich.
    • Alginatabformungen können mit keinem der beiden Scanner zufriedenstellend erfasst werden.

    Festsitzende Apparaturen

    Die Wiedergabe orthodontischer Materialien in Situ ist eine besondere Herausforderung. Während relativ geometrische Körper, wie zum Beispiel die Scanbodies für Implantate eine sehr hohe Wiedergabegenauigkeit im intraoralen Scan aufweisen11,14,15, zeigten aktuelle Untersuchungen (Stand 2021), dass Brackets und Bänder die Qualität der digitalen Modelle negativ beeinflussen20–22

    Die Abbildungen 7, 8 und 9 zeigen verschiedene Befunde: Während Metallbrackets nur relativ genau erfasst werden (Abb. 7: Kanten nicht abgrenzbar, abgerundete Slot-Strukturen), scheinen Keramikbrackets etwas detailreicher erfasst werden zu können (Abb. 8). Die digitale Erfassung eines vollständig mit Brackets und Bändern versorgten Patienten ist möglich und für klinische kieferorthopädische Fragestellungen in einer guten Qualität zu realisieren (Abb. 9), erfordert aber eine sehr sorgfältige Führung des Scanners und ausreichend Geduld (lange Scanzeit, wiederholte Korrekturen während des Scans). Einzelne Details sind nicht darstellbar. Dazu gehören die Hooks an den Eckzähnen oder die dimensionsgetreue Darstellung des Stahlbogens (Abb. 9). Hier ist zu berücksichtigen, dass konventionelle Abformungen in puncto Detailwiedergabe und Verzerrungsfehler auch an ihre Grenzen stoßen. Außerdem gilt es zu beachten, dass die Abbildungen 7 bis 9 sehr starke Vergrößerungen der realen Situation sind.

    Software

    Die Software Medit Link wird fortlaufend ergänzt und erweitert. Neben dem offenen Datenformat imponieren zwei wesentliche Neuerungen. Aus Sicht eines guten Workflows ergaben sich in der Vergangenheit immer wieder Schwierigkeiten. Durch fehlende Anbindungen oder Standardisierungen war es bisher nicht möglich, Daten aus der Praxisverwaltungssoftware zu übertragen, die Patienten mussten zum Teil mehrfach digital angelegt werden und die Scandaten konnten nur über externe Speicherorte in weiterführende Programme übernommen werden.

    Mit einer kleinen, aber feinen Änderung ist nunmehr folgender Ablauf möglich (Abb. 10): Die Patientendaten werden in der Praxisverwaltungssoftware angelegt (Einlesen der Chipkarte), die Daten über eine verifizierte Schnittstelle (VDDS-Media) an OnyxCeph (Image Instruments) übergeben und über einen internen Link erfolgt das Öffnen des Programms Medit Link zur Erfassung der digitalen Abformungen. Nach Erstellung der Rohdaten ist ein sofortiges Übertragen in die weiterführende Software möglich. Unnötige Speicherzeiten und Ungenauigkeiten bei der Datenübergabe (Verwechslungsgefahr) entfallen.

    Eine zweite, ebenfalls praxisnahe Ergänzung der Medit-Software besteht in der Erweiterung um ein Modul zur Orientierung der Rohscan-­Daten. Im Rahmen kieferorthopädischer Fragestellungen ist die räumliche Zuordnung beider Kiefer zueinander von entscheidender Bedeutung. Durch eine einfache Festlegung der Okklusionsebene (3 oder 4 Punkte) und der am Patienten leicht zu prüfenden Lage der Kiefermitten in Relation zur Gesichtsmitte sind nachfolgende Arbeitsprozesse wesentlich vereinfacht (Abb. 11).

    Fazit

    Die Entwicklung der digitalen Scannertechnik ist sehr dynamisch. Neben einer fortlaufenden Verbesserung der Aufnahmetechnik sind aus der Sicht des Praktikers die Handhabbarkeit der Geräte und der Software von entscheidender Bedeutung. Die Angaben der Hersteller zu Scangeschwindigkeiten und zur Genauigkeit sollten immer in den Kontext der klinischen Anforderungen und den tatsächlichen Relationen gestellt werden. 

    Danksagung

    Hiermit danken wir der Firma Ortho Penthin, vor allem Jan Penthin, für die kompetente Hilfe und die freundliche Bereitstellung des neuen Scanners iMedit 700 zu Testzwecken.

    Ein Beitrag von Dr. Jens Johannes Bock, Henriette Luise Bock, beide Fulda, Christian Gehrke, Traben-Trarbach

    Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

    Reference: Kieferorthopädie