SciencePubMed-ID: 32207458Seiten: 17-26, Sprache: Deutsch, EnglischHugger, Alfons / Hugger, Sybille / Ruge, Sebastian / John, Diana / Kordaß, BerndAuswertungen des assoziierten Projekts zur bevölkerungsrepräsentativen Study of Health in Pomerania (SHIP)Bei der Aufzeichnung kondylärer Bewegungsbahnen mithilfe elektronischer Messsysteme ist häufig festzustellen, dass vor allem bei Kieferöffnungs- und -schließbewegungen exkursive und inkursive Bahnanteile sich nicht deckungsgleich verhalten, sondern mehr oder weniger ausgeprägt separat verlaufen. Gegenstand der Studie war es, dieses Phänomen im Kontext des Rotations-Translationsverhaltens und in der Betrachtung zusätzlicher seitenbezogener kondylennaher Bahnverläufe zu untersuchen. Dazu wurden elektronische Bewegungsaufzeichnungen habitueller Kieferöffnung von 259 Personen des assoziierten Projekts zur bevölkerungsrepräsentativen Basisstudie SHIP 0 ausgewertet. Der kondyläre Bahnverlauf (condylar tracing, ConTrac) am arbiträren Achsenpunkt, das Exkursions-Inkursionsverhalten im Kondylenbahngrid (excursion vs. incursion behaviour in condylar tracing grid, ExInGrid) sowie das Rotations-Translationsverhalten (rotation vs. translation behaviour, RotTrans) wurden klassifiziert und die kondyläre translative Bahnstrecke sowie der maximale Rotationswinkel metrisch bestimmt. Beziehungen zwischen den Parametern ConTrac, ExInGrid und RotTrans wurden anhand von Kreuztabellen und des Korrelationskoeffizienten nach Spearman statistisch analysiert.
Lediglich zu rund 18 % zeigte ConTrac Deckungsgleichheit von exkursiver und inkursiven Bahnanteilen, während nicht deckungsgleiche Verläufe zu 39 % und weitere Auffälligkeiten im Bahnverlauf zu 43 % festzustellen waren. Für den Parameter ExInGrid ließen sich zu 89 % erkennbare bis stark ausgeprägte Schleifenbildung im Kondylenbahngrid ermitteln. Für die reine Translationsstrecke der kondylären Bewegungsbahn wurden im Mittel 12,5 mm (min. 2,1 mm, max. 21,7 mm) und für den maximalen Rotationswinkel 32,1° (min. 12°, max. 45°) bestimmt. Bezüglich des Rotations-Translationsverhaltens trat das lineare Grundmuster zu rund 9 % auf, das sigmoidale Muster zu 28 % und das hystereseartige, schleifige oder irreguläre Muster zu 63 %. Die Parameter RotTrans und ExInGrid zeigten einen starken Zusammenhang, wohingegen die Stärke des Zusammenhangs bei ConTrac und ExInGrid bzw. RotTrans und ConTrac als schwach bzw. sehr schwach zu werten war.
Das Rotations-Translationsverhalten beeinflusst kondylennahe Bewegungsbahnen in der Lagebeziehung von exkursiven und inkursiven Anteilen. Die Visualisierung mehrerer kondylennaher Bewegungsbahnen in Form eines Kondylenbahngrids hilft, komplexe rotative und translative Bewegungskomponenten der realen Kondylen besser zu erfassen als die Beurteilung einer singulären Kondylenbahn.
Schlagwörter: bevölkerungsrepräsentative Werte der Unterkieferfunktion, Kondylenbahn, Funktionsdiagnostik, Unterkiefer-Bewegungsaufzeichnung, Rotations-Translationsverhalten