ÜbersichtenSprache: DeutschK. M. Galler1
Als häufigste endodontische Therapie zum Zahnerhalt wird die Wurzelkanalbehandlung einschließlich der Obturation des Wurzelkanalsystems mittels eines synthetischen Materials standardmäßig durchgeführt. Neue Erkenntnisse aus Klinik und Forschung geben jedoch Grund zur Annahme, dass eine Regeneration der Zahnpulpa möglich sein könnte. Seit mehreren Jahren ist es möglich, Stammzellen aus der Pulpa zu isolieren, die in der Lage sind, zu differenzieren und neues Pulpagewebe sowie Dentin zu bilden. Aus dem Bereich der Biomaterialien steht mittlerweile eine Vielzahl an Trägermaterialien (Scaffolds) für Stammzellen zur Verfügung. Für bestimmte Anwendungsbereiche können nun geeignete Materialien identifiziert werden und diese können durch Modifikation bioaktiv gestaltet werden, um die Neubildung des Zielgewebes zu unterstützen. Die Begriffe Regeneration und Tissue Engineering sind hierbei voneinander abzugrenzen. Während Regeneration die Fähigkeit des Organismus bezeichnet, zerstörtes Gewebe wiederherzustellen, wird beim Tissue Engineering durch bewusstes Eingreifen der Prozess der Gewebeherstellung kontrolliert und optimiert und dadurch häufig auch erst ermöglicht. Dies geschieht in der Regel durch das Einbringen eines mit Stammzellen beladenen bioaktiven Trägermaterials in den Organismus. Ergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung zumThema Zahnpulpa zeigen, dass dentale Stammzellen nach Einsaat in ein geeignetes Trägermaterial Pulpagewebe und tubuläres Dentin bilden können. Dies wurde in Tierversuchen zunächst anhand von Modellen mit Zahnscheiben oder Dentinzylindern zur Imitation der Pulpakammer bzw. des Wurzelkanals gezeigt, mittlerweile jedoch auch in Versuchen im Wurzelkanal von Zähnen nachgewiesen. In eigenen Arbeiten wurde ein Peptid-basiertes Hydrogel für die Anwendung zur Pulparegeneration im Wurzelkanal modifiziert und für die Adhäsion und Proliferation von Pulpastammzellen optimiert. In einem darauffolgenden Versuch wurden Dentinzylinder mit Hydrogel und Stammzellen beschickt und im Mausmodell subkutan implantiert. Nach 5 Wochen hatte sich innerhalb der Dentinwände ein vaskularisiertes, pulpaähnliches Gewebe gebildet, wobei die dem Dentin anliegenden Zellen differenziert waren und ein Odontoblasten-spezifisches Protein exprimierten. Im Bereich der Klinik beschreiben Fallberichte ein Prozedere zur Revitalisierung bei jugendlichen Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum. Über die Erzeugung einer Einblutung in den Wurzelkanal wird eine Leitschiene für Zellen geschaffen, die es Zellen aus der apikalen Papille der sich bildenden Wurzel ermöglicht, einzuwandern und wieder Gewebe zu bilden. Dadurch kann es zum Fortschreiten des Wurzelwachstums und sogar zur Ausheilung ausgedehnter periapikaler Läsionen kommen. Diese Entwicklungen aus Forschung und Klinik lassen einen Paradigmenwechsel im Bereich der Endodontie erwarten, nach welchem regenerative Behandlungskonzepte in ausgewählten Fällen zunehmend in den klinischen Alltag Einzug halten könnten.