PraxisSeiten: 90-96, Sprache: DeutschEl-Sayed, Shirin / Wolff, Diana / Mente, JohannesEinführung: Die endodontische Therapie ist von entscheidender Bedeutung für die Behandlung avulsierter Zähne mit geschlossem Apex. Allerdings stellt eine eingeschränkte Compliance häufig ein Hindernis für eine erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung bei Patienten mit Behinderungen dar. Mit dieser Falldokumentation soll gezeigt werden, dass die extraorale Wurzelkanalbehandlung (WKB) eines avulsierten Frontzahns bei einem Patienten mit Behinderungen eine Behandlungsoption darstellt. Behandlungsmethoden: Ein 35-jähriger Patient mit geistiger und körperlicher Behinderung stellte sich in Begleitung seiner Mutter in der Sektion für Endodontologie und Dentale Traumatologie der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde des Universitätsklinikums Heidelberg vor. Infolge eines Sturzes aus dem Rollstuhl war es zur Avulsion des Zahns 21 am Vortag gekommen. Die Mutter hatte den Zahn über 12 Stunden in physiologischer Kochsalzlösung aufbewahrt. Der Zahn wurde unverzüglich in die Zellnährlösung einer Zahnrettungsbox unter Zusatz von Doxycyclin und einem Kortikosteroid umgelagert (antiresorptive regenerationsfördernde Therapie). Die Therapieoptionen der Replantation des Zahns 21 mit extraoraler WKB wurden alternativ zur sofortigen Implantation in Intubationsnarkose besprochen. Der Therapieplan wurde entsprechend den Präferenzen der Mutter zugunsten der Zahnerhaltung festgelegt. Es erfolgte die extraorale Wurzelkanalbehandlung des Zahns 21 mit anschließender Replantation und flexibler Schienung. Die Wurzeloberfläche und somit auch die Zellen des Parodontalligaments wurden während der gesamten WKB durch Kofferdamisolation und kontinuierliche Immersion der Wurzel in der Zellnährlösung geschützt.
Ergebnisse: Die Verlaufskontrolle nach etwa 3 Jahren weist röntgenologisch erste Hinweise für beginnende Ersatzresorptionen an der Wurzel des Zahns 21 auf. Die klinische Situation zeigt jedoch keine ästhetischen oder funktionellen Einschränkungen.
Schlussfolgerung: Bei eingeschränkter Compliance eines Patienten aufgrund geistiger oder körperlicher Behinderung stellt die extraorale Wurzelkanalbehandlung eines avulsierten Zahns eine Behandlungsoption dar, sofern die Durchführung atraumatisch unter optimalem Schutz für die Zellen des Parodontalligaments und des Wurzelzements erfolgt. Im Falle einer Fraktur der Zahnkrone bei fortschreitenden Resorptionen kann der erhaltene Alveolarkamm für eine Implantatinsertion vorteilhaft sein.
Schlagwörter: antiresorptive Therapie, Avulsion, Behindertenzahnmedizin, Ersatzresorption, extraorale Wurzelkanalbehandlung