SciencePubMed-ID: 32789311Seiten: 235-244, Sprache: Deutsch, EnglischKrohn, Sebastian / Frahm, Jens / Mahler, Alannah / Dathe, Henning / Sedaghat, Sam / Kubein-Meesenburg, Dietmar / Linss, Florian / Wassmann, Torsten / Bürgers, RalfZiel: Im Rahmen der Biomechanik des Kiefergelenks wird die traditionelle Scharnierachsentheorie zunehmend durch die Theorie der momentanen Rotationszentren (ICR) ersetzt. Typischerweise basiert die Bestimmung der ICR auf theoretischen Berechnungen oder dreidimensionalen Approximationen von Finite-Elemente-Modellen.
Material und Methoden: Die Anwendung der Echtzeit-Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglicht die Darstellung von natürlichen, physiologischen Bewegungen des Kiefergelenks mit 15 Bildern pro Sekunde. In dieser Studie wurde das Echtzeit-MRT-Verfahren verwendet, um die Biomechanik des Kiefergelenks während habitueller Unterkieferbewegungen bei funktionell unauffälligen Probanden zu analysieren, wobei der Fokus der Analyse auf den Kondylenbahnneigungswinkeln (HCI) und den ICR-Polbahnen lag. Der Wilcoxon-Rangsummentest wurde zur vergleichenden Analyse von ICR-Polbahnen der Kieferöffnungs- und der Kieferschlussbewegungen verwendet.
Ergebnisse: Der HCI-Mittelwert betrug 34,8° (± 11,3°), der Unterkiefer rotierte im Mittel 26,6° (± 7,2°). Bei Mundöffnungs- und Kieferschlussbewegungen von 10°–30° unterschieden sich die resultierenden x- und y-Translationen signifikant (10°–20°, x: p = 0,02 und y: p 0,01; 20°–30°, x: p 0,001 und y: p = 0,01). Bei einer Rotation von 0°–10° und bei Rotationen von mehr als 30° zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der x- und y-Translation. Die okklusionsnahen Bewegungen unterschieden sich nur im Hinblick auf die y-Translation (p 0,01).
Schlussfolgerung: Die Echtzeit-MRT-Technik ermöglicht die Erfassung der Kiefergelenkstrukturen während physiologischer Unterkieferbewegungen ohne zusätzliche Hilfsmittel. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie unterstützen die Theorie der ICR. Die statistische Analyse bestätigte, dass Mundöffnungs- und Kieferschlussbewegungen unterschiedlichen ICR-Polbahnen folgen, was durch Variation in der Muskelaktivität während gegenläufiger Bewegungsrichtungen zu erklären sein könnte. Die ICR-Bahnen waren innerhalb der maximalen interinzisalen Distanz (MID) und in Okklusionsnähe (NO) ähnlich, was auf eine begrenzte Dehnbarkeit der Gewebefasern (MID) und Determination durch Zahnkontakt (NO) zurückzuführen sein könnte.
Schlagwörter: Kiefergelenk, Unterkieferbewegungen, Biomechanik, Echtzeit-MRT, momentane Rotationszentren