Poster 1139, Sprache: Deutsch, EnglischBenz, Korbinian / Kozmacs, Carla / Jackowski, JochenEinleitung: Als maligner Weichteiltumor entwickelt sich das Rhabdomyosarkom (RMS) aus den Zellen der quergestreiften Muskulatur. Bei den unter 15-Jährigen wird die Jahresinzidenz auf 1:224.000 geschätzt. Der Median des Diagnosealters liegt bei 5 Jahren. Das Rhabdomyosarkom kann überall im Körper entstehen, auch an Stellen, in denen keine quergestreifte Muskulatur vorhanden ist. Kopf- und Halsbereich sind zu 40% betroffen, davon die Orbitae und die paranasalen Sinus am häufigsten. Ursache und Entstehung sind bis heute weitgehend unbekannt. Die Reihenfolge und die Durchführung der einzelnen Therapiearten hängt von den Tumor- und Patientenbedingten Risikofaktoren ab.
Fallbericht: Bei einer heute 17-jährigen Patientin wurde im Alter von 3 Jahren ein Rhabdomyosarkom in der rechten Fossa pterygopalatina mit intrakranieller Ausbreitungstendenz diagnostiziert und durch Exzision mit anschließender Radiatio und Polychemotherapie erfolgreich behandelt. In Folge kam es zu einer vollständigen Anästhesie im Versorgungsgebiet des N. trigeminus rechts und einem Visusverlust des rechten Auges. Das Schädelwachstum entwickelte sich auf der bestrahlten Seite geringer als auf der nicht betroffenen Seite, Maxilla und Mandibula sind mikrognath. Unter dem Aspekt der Lagebeziehung beider Kiefer ließ sich eine Angle-Klasse III feststellen. Die Patientin klagte auch über die bereits seit Jahren bestehende intraorale Situation, da sämtliche Zähne einen Lockerungsgrad II-III aufwiesen mit der Folge einer erschwerten Ingestion. Zusätzlich traten Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur auf. Röntgenologisch zeigten sich in der Panoramaschichtaufnahme multiple Nichtanlagen der Dentes permanentes und rudimentär entwickelte Apices. Die Capites mandibulae und Processi coronoidei erschienen degeneriert und abgeflacht. Die Patientin wünscht neben der Herstellung einer akzeptalen Funktionalität auch eine Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbildes.
Methode: Nach kieferorthopädischem und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgischem Konsil wurde eine Umstellungsosteotomie in Kombination mit Implantat-vermittelten Rehabilitation aufgrund der nicht vorhersagbaren Heilungstendenz als nicht indiziert angesehen. Daraufhin wurde bei der Patientin eine Bisshebung über herausnehmbare Aufbissschienen eingeleitet, um auf diese Weise vielleicht eine Interkuspidation zu erreichen und die Belastbarkeit der Kiefergelenke, der Muskulatur und der Zähne zu evaluieren. Nach 6-monatiger problemloser Tragezeit wurde im Ober- und Unterkiefer ein herausnehmbarer Interims-Zahnersatz auf Basis einer Tiefziehschiene eingegliedert. Die noch vorhandenen Zähne dienten der Führung bei der Inkorporation und zur Erzielung einer leichten Friktion. Nach 3-monatiger Tragezeit in Kombination mit logopädischer Unterstützung berichtete die Patientin von einer wesentlichen Verbesserung vor allem im sozialen Umfeld aufgrund der verbesserten Ästhetik. Allerdings ist in den nächsten Monaten noch eine schrittweise Korrektur im Bereich der Ingestion und des Sprachbildes avisiert. Als definitive Versorgungsvariante wird unsererseits eine Versorgung mittels Galvanoteleskopen angestrebt.
Zusammenfassung: Da Rhabdomyosarkome in sensiblen Körperregionen (u. a. Kopf-Hals-Bereich) lokalisiert sind, ist die Behandlung anspruchsvoll und multidisziplinär. Das Therapieziel ist die Befund-zentrierte orale Rehabilitation der jungen Patientin im Sinne einer personalisierten Medizin.
Schlagwörter: Embryonales Rhabdomyosarkom, orale Rehabilitation