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Jede Veränderung der Sinterparameter beeinflusst Struktur des Zirkonoxids und damit seine physikalischen Eigenschaften, wie Biegefestigkeit und Transluzenz

High-Speed-Sintern einer Einzelzahnrestauration (Ceramill Therm RS, Fa. Amann Girrbach)

In der restaurativen Zahnheilkunde hat sich das Yttriumoxid-stabilisierte tetragonale Zirkonoxid (Y-TZP) in den vergangenen Jahrzehnten bewährt und eine enorme Weiterentwicklung erfahren. Die erste Generation von Zirkonoxid, das 3Y-TZP-Material, das 3 mol-% Yttriumoxid und 0,25 Gew.-% Aluminiumoxid enthält, wurde als robusteste Keramik entwickelt und erreicht Biegefestigkeiten von bis zu 1.200 MPa24. Die zweite Generation der Zirkonoxide hat einen verringerten Gehalt von 0,05 Gew.-% Aluminiumoxid21. Des Weiteren wurden im Gefüge die Aluminiumkörner umplatziert und an die Korngrenzen der Zirkonoxidkörner positioniert. Das führte dazu, dass die Transluzenz des Materials unter Beibehaltung der mechanischen Eigenschaften erhöht wurde21. Trotz der verbesserten Transluzenz war diese Zirkonoxidkeramik jedoch noch immer nicht für monolithische Restaurationen mit adäquater Ästhetik geeignet und wurde für den Einsatz im sichtbaren Bereich weiterhin mit Silikatkeramiken ­verblendet. Prof. Dr. Dipl.-Ing. (FH) Bogna Stawarczyk MSc et al. beschreiben in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahntechnik 5/21, wie das Sintern von Zirkonoxidkeramiken sich auf die Eigenschaften des fertigen Werkstoffs auswirken kann und wie diese Eigenschaften im Umkehrschluss nach derzeitigem Stand der Technik durch entsprechende Sinterprotokolle beeinflusst werden können.

Die Quintessenz Zahntechnik, kurz QZ, ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für alle Zahntechniker und zahntechnisch interessierte Fachleute, die Wert auf einen unabhängigen und fachlich objektiven Informationsaustausch legen. Im Vordergrund der Beiträge und Berichterstattung steht die Praxisrelevanz für die tägliche Arbeit. In dieser Zeitschrift finden sich Zahntechniker, Dentalindustrie und die prothetisch orientierte Zahnarztpraxis mit ihren Anliegen nach einer hochwertigen Fortbildung gleichermaßen wieder. Zur Online-Version erhalten Abonnenten kostenlos Zugang. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Monolithische 3Y-TZP Keramik wird oft als Gerüstmaterial bei verfärbten devitalen Stümpfen verwendet, um den zervikalen Bereich abzudecken und die gewünschten Weißanteile im Mund zu erhalten. Für die okklusal transluzenter gewünschte Ästhetik reichten die optischen Eigenschaften jedoch oftmals nicht aus. Um die Transluzenz zu verbessern und somit die Herstellung monolithischer Restaurationen zu ermöglichen, wurden die dritte Generation von Zirkonoxid, die 5Y-TZP-Keramik17, und später die vierte Generation, die 4Y-TZP-Keramik7,9, entwickelt. Hier wurde der Yttrium­oxidgehalt auf 5 mol-% bzw. 4 mol-% erhöht und der Aluminiumoxidanteil bei 0,05 Gew.-% belassen, was zu einem höheren Prozentsatz an kubischer Phase führte. 

Grundsätzlich sind bei Zirkonoxidkeramiken die Anteile von Yttriumoxid für die Phasenstabilisierung (tetragonal beziehungsweise tetragonal/kubisch) zuständig, während das Aluminiumoxid der Langzeitstabilität des Werkstoffes dient. Bei den zurzeit auf dem Markt erhältlichen Yttriumoxid-stabilisierten Zirkonoxiden besteht eine Korrelation zwischen der Transluzenz und der Festigkeit des Materials. Bei einer Erhöhung der Transluzenz nimmt die Festigkeit des Materials ab, da keine spannungsinduzierten Phasentransformationen stattfinden können22. Die 5Y-TZP-Keramik zeigt im Vergleich zur 4Y-TZP-Keramik eine höhere Transluzenz, gepaart mit einer geringeren Biegefestigkeit und Bruchzähigkeit8,9. Die unterschiedlichen Generationen von Zirkonoxid sind für verschiedene klinische Situationen angezeigt5,22. 4Y-TZP kann jedoch als „Allrounder“ angesehen werden, da dieses Zirkonoxid ein Gleichgewicht zwischen Biegefestigkeit sowie Transluzenz und folglich ein breiteres Spektrum an Indikationen beinhaltet (Abb. 1). 

Der Schwerpunkt der Weiterentwicklung von Zirkonoxidrohlingen liegt in der Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbilds und somit auf den lichtoptischen Eigenschaften. Eine zukunftsweisende Option stellen Multilayerrohlinge dar. Diese werden mit unterschiedlich eingefärbten Schichten von den Herstellern gepresst. Momentan sind Rohlinge mit drei bis sieben verschiedenen Schichten auf dem Markt verfügbar. In der Regel werden die Schichten nach okklusal hin heller und transluzenter. Der Anwender kann mit dem Nesting der Restauration im Rohling den Farbverlauf weitestgehend selber beeinflussen. Hierzu sind allerdings gewisse Erfahrungswerte notwendig. 

Seit etwa zwei Jahren werden die Helligkeiten und Transluzenzen nicht nur durch die Rezepturen der Farbgradienten des Pulvers (gelb, pink, grau, weiß), sondern auch durch das Zusammenspiel verschiedener Generationen von Zirkonoxid erreicht5,6. Hier werden verschiedene Zirkonoxid-Generationen in einem Multigeneration-Rohling zusammengeführt. Während okklusal transluzentere Generationen (5Y-TZP bzw. 4Y-TZP) verwendet werden, kommen im basalen Bereich eher festere Keramiken zum Einsatz (3Y-TZP bzw. 4Y-TZP). Zum heutigen Zeitpunkt liegen allerdings nur wenige wissenschaftliche Daten zu diesen Multigenerationen-Rohlingen vor16,18. Momentan beobachtet man keinen Nachteil der Multigenerationen-Rohlinge in Bezug auf die mechanischen Eigenschaften, aber einen klaren Vorteil hinsichtlich deren Ästhetik16. Allerdings zeigt die Positionierung der Restaurationen innerhalb eines Multigenerationen-Rohlings einen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften der Restaurationen18

Ein Nachteil von Zirkonoxidrestaurationen ist deren zeitaufwendiger Sinterprozess, insbesondere mit der zunehmenden Patientennachfrage von monolithischen Restaurationen, die auf vergleichsweise schnellem Weg (zum Beispiel im Praxislabor) gefertigt werden. Auch im Labor können kürzere Sinterzeiten die Arbeitsabläufe verbessern. Generell ist das Sintern von Y-TZP für technische Anwendungen zeitaufwendig und beinhaltet langsame Aufheiz- und Abkühlraten (typischerweise 5 °C bis 10 °C pro Minute) und eine längere Haltezeit (oft mehrere Stunden)3,11,20,23. Dementsprechend erfordert die Fertigung von Zirkonoxidrestaurationen in einem herkömmlichen Sinterverfahren mindestens zwei Behandlungstermine an unterschiedlichen Tagen, sodass der Einsatz von Zirkonoxid als „schneller Zahnersatz“ nicht mit den etablierten Chairside-Systemen der Lithiumsilikatkeramiken konkurrieren kann. Mit dem High-Speed-Sintern kann dieses Problem überwunden werden, indem die Gesamtdauer der Sinterzyklen mit speziell hierfür entwickelten Öfen auf weniger als 30 Minuten verkürzt werden kann. 

Da jedwede Veränderung der Sinterparameter die Struktur des Zirkonoxids und damit seine physikalischen Eigenschaften, wie die Biegefestigkeit und die Transluzenz, beeinflusst3,4,7,13,14,23,25,26, müssen die Eigenschaften verschiedener Zirkonoxidkeramiken nach dem High-Speed-Sintern intensiv untersucht werden.

Definitionen der Sinterprotokolle

Da eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe für die Sinterprotokolle der Zirkonoxidkeramik verwendet werden, haben die Autoren diese nach den Sinterparametern in drei Gruppen eingeteilt (Abb. 2 und 3): 

  • konventionelles Sintern
  • Speed-Sintern
  • High-Speed-Sintern

Frühere Untersuchungen zeigen, dass eine Betrachtung der Sinterkurve erst ab ca. 1.200 °C eine Aussage über den Einfluss der Sinterparameter auf die Eigenschaften von Zirkonoxid erlaubt20. Hierbei sind nicht allein die Endsintertemperatur und deren Haltezeit, sondern auch die Aufheizrate ausschlaggebend. Nicht nur die einzelnen Parameter, sondern die gesamte Fläche unter der Sinterkurve muss für die Einschätzung eines Werkstoffs verwendet werden. Ist die Fläche unter der Sinterkurve (Area Under the Curve) bei unterschiedlichen Endsintertemperaturen jedoch gleich, indem sie durch die Aufheizrate und die Haltezeit ausgeglichen wird, so kann davon ausgegangen werden, dass auch die Eigenschaften der 3Y-TZP Keramik konstant bleiben (Abb. 4). 

Bei 4Y-TZP und 5Y-TZP Keramiken sind die optischen Eigenschaften wie zum Beispiel die Transluzenz hingegen nicht nur vom reinen Energieeintrag abhängig. Langsamere Steigraten in bestimmten Temperaturbereichen können hier zur stärkeren Verdichtung des Materials führen, was die optischen Eigenschaften schneller beziehungsweise direkter beeinflusst als die resultierenden mechanischen Eigenschaften. Allerdings sind hier noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig (Abb. 5).

Literaturübersicht

Auswirkung der Sinterparameter auf die Korngröße

Bei 3Y-TZP führen eine Steigerung der Endsintertemperatur sowie eine längere Haltezeit zu einem Kornwachstum2,6,7,12,20,23. Endsintertemperaturen von mehr als 1.600 °C können hier zur Entstehung von Hohlräumen in der Zirkonoxidstruktur führen23. Die Ausbildung einer inhomogenen Oberflächenstruktur kann in diesem Zusammenhang unter Umständen den Antagonisten schädigen11. Bei 4Y-TZP- und 5Y-TZP-Keramiken wird dieses Phänomen nicht beobachtet7,9,17.

Auswirkung der Sinterparameter auf das ästhetische Erscheinungsbild 

Die Menge an Licht, die absorbiert, weitergeleitet oder reflektiert wird, hängt von der Mikrostruktur/Kornverteilung und der Korngröße des Zirkonoxides ab. Bei 3Y-TZP führt eine Steigerung der Endsintertemperatur und der Haltezeit, was in einer Zunahme der Korngröße resultiert, zu einer höheren Transluzenz von Zirkonoxid2,11,12,19. Dies ist bedingt durch die höhere Enthalpie, die durch die Vergrößerung der Fläche unter der Sinterkurve entsteht. Da die Fläche unter der Sinterkurve bei Speed- beziehungsweise High-Speed-Sintern meist geringer als beim konventionellen Sintern ist, wird hier eine niedrigere Transluzenz erwartet und auch gemessen7,13. Das ist der Grund, warum Zirkonoxide für High-Speed-Sinterprotokolle speziell eingefärbt werden müssen7. 

Auswirkung der Sinterparameter auf die mechanischen Eigenschaften

Die Biegefestigkeit der 3Y-TZP-Keramik nimmt ab Endsintertemperaturen von > 1.550 °C ab23. Nach dem High-Speed-Sintern zeigt die 4Y-TZP-Keramik im Vergleich zu konventionell gesinterten 4Y-TZP-Keramiken konstante2,7,19 oder sogar höhere Biegefestigkeitswerte4,10,19. Auch die Bruchlastwerte von Einzelzahnrestaurationen und deren Abrasionsbeständigkeit sind nach dem High-Speed-Sintern höher als bei konventionell gesinterten Gruppen25. Des Weiteren konnte eine verbesserte marginale Passung von im High-Speed-Verfahren gesinterten dreigliedrigen 3Y-TZP Zirkonoxidbrücken beobachtet werden3. 4Y-TZP Einzelzahnkronen sowie dreigliedrige Brücken zeigen nach den High-Speed-Sintern klinisch ausreichend gute Passgenauigkeiten1.

Die Zuverlässigkeit einer 3Y-TZP-Restauration, welche mittels Weibull-Modul dargestellt wird, nimmt jedoch ab Endsintertemperaturen von > 1.550 °C ab23. Beim High-Speed-Sintern von 3Y-TZP, aber auch bei 4Y-TZP wurden sowohl ein positiver15 als auch ein negativer Einfluss10 auf die mechanischen Eigenschaften beobachtet. Diese kontroverse Beobachtung muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden, da eine spontane unvorhergesehene Fraktur fatale klinische Folgen hätte.

Werkstoffwissenschaftliche Untersuchungen zeigen zudem, dass die mechanischen Eigenschaften von speedgesinterten Restaurationen durch eine künstliche Alterung im Rahmen einer thermischen und mechanischen Belastung nicht beeinflusst werden10,15 (Abb. 6).

Aktuelle High-Speed-­Sinteröfen

Während zahlreiche konventionelle und mehrere Speed-Sinteröfen auf dem dentalen Markt erhältlich sind, sind den Autoren zum jetzigen Zeitpunkt nur zwei High-Speed-Sinteröfen bekannt. 

Zu den gängigsten Speed-Sinteröfen zählen der Austromat 664i/674i (Dekema), der Programat S1 (Ivoclar), der Vario S400 (Zubler) und der HTS-2/M/ZIRKON-120 (Mihm-Vogt). Pionier der High-Speed-Sinteröfen ist der Cerec SpeedFire vonDentsply Sirona (Abb. 7). Dieser ist direkt an die Chairside-Fräseinheit Cerec gekoppelt. In diesem Ofen können nur Restaurationen gesintert werden, die bereits im Cerec-System konstruiert und gefräst wurden. Die Sinterparameter werden durch die Größe der Konstruktion ermittelt und können bei massiveren Einheiten dementsprechend länger ausfallen. Folgende Werkstoffe sind von Dentsply Sirona für diesen Sinterprozess freigegeben:

  • das eigene 3Y-TZP Material Dentsply Sirona
  • die 4Y-TZP Katana Zirconia Blocks STM von Kuraray  
  • das 3Y-TZP VITA YZ HT der Vita Zahnfabrik 
  • das 4Y-TZP Chairside Zirconia von 3M 
  • das 5Y-TZP IPS e.max ZirCAD MT von Ivoclar Vivadent

Amann Girrbach  hat 2021 einen High-Speed-Sinterofen auf dem Markt vorgestellt, den Ceramill Therm RS. Hier handelt es sich um ein abgestimmtes System, für das extra eingefärbte Multilayer-4Y-TZP-Blöcke entwickelt wurden. So kann eine höchste Qualität der Restauration in Bezug auf die mechanischen und lichtoptischen Eigenschaften gewährleistet werden. Der Ofen hat neben dem High-Speed-Sinterprogramm weitere Programme, die dem Anwender zur Verfügung stehen, zum Beispiel für das Speed-Sintern (Abb. 8).

Limitationen

Für das High-Speed-Sintern sollen nur die dafür freigegebenen Materialien verwendet werden. Die Ausdehnung der Zirkonoxidrestaurationen, die im High-Speed-Verfahren gesintert werden können und dürfen, ist auf dreigliedrige Brücken beschränkt. Größere Restaurationen werden entweder im Speed-Verfahren oder konventionell gesintert. 

Fazit

Die Weiterentwicklung der Zirkonoxidkeramik fokussiert sich auf die Optimierung der Ästhetik und der schnelleren Verarbeitung dieses Werkstoffes. Das 4Y-TZP-Material verbindet hier gute ästhetische Eigenschaften mit einer ausreichenden Festigkeit und kann heute anhand der In-vitro-Studien als „Allrounder“ bezeichnet werden. Durch das High-Speed-Sintern ist es möglich, Zirkonoxidrestaurationen in einer deutlich verkürzten Zeitspanne fertigzustellen. Der Zahntechniker beziehungsweise der Zahnarzt hat in Abhängigkeit von der klinischen Indikation und dem Patientenwunsch die Wahl zwischen unterschiedlichen Zirkonoxidwerkstoffen und Sinterprotokollen. Die momentane wissenschaftliche Datenlage untersucht überwiegend das 4Y-TZP-Material und beobachtet hier sehr gute und vielversprechende mechanische Eigenschaften. Um nach dem High-Speed-Sintern die gewünschte Ästhetik sicherzustellen, ist es essenziell, nur die dafür freigegebenen Rohlinge zu verwenden, da diese vor allem in der Farbgebung anders abgestimmt wurden. Generell muss betont werden, dass sowohl das 4Y-TZP-Material als auch das High-Speed-Sintern auf dem dentalen Markt neu sind und den Autoren zum jetzigen Zeitpunkt keine klinischen Langzeitstudien bekannt sind, die diese Materialien und Bearbeitungsprozesse ­untersuchen.

Hinweis

Ausführliche Informationen rund um die dentale Werkstoffkunde und die Anwendung von Materialien sind im digitalen „Werkstoffkunde-Kompendium“ zusammengefasst. Derzeit sind Bücher zu den Themen Zirkonoxid, dentale Keramiken, dentale Befestigungsmaterialen, PAEK-Werkstoffe und polymerbasierte Materialien verfügbar. Informationen unter www.werkstoffkunde-kompendium.de

Ein Beitrag von Prof. Dr. Stawarczyk, PD Dr. Mayinger, beide München, Annett Kieschnick, Berlin und Prof. Dr. Rosentritt, Regensburg.

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahntechnik 05/21 Zahntechnik Materialien Digitale Zahntechnik