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Kombination eines modifizierten, koronal verschobenen Tunnels und Verwendung einer neuen Kollagen-Matrix liefert viel versprechende Ergebnisse

Die Freilegung der Wurzeloberfläche aufgrund des Rückgangs der Margo Gingivae apikal der Schmelz-Zement-Grenze (SZG) wird als gingivale Rezession definiert. Gingivale Rezessionen können isoliert oder generalisiert altersunabhängig auftreten, sowohl bei Personen mit guter als auch mit suboptimaler Mundhygiene1,2.

Gingivale Rezessionen können die Mundhygiene erschweren und dadurch die parodontale Entzündung (i. e. Gingivitis) oder die Entstehung von Wurzelkaries begünstigen. In vielen Fällen beeinträchtigen Rezessionen das ästhetische Erscheinungsbild und können sogar zu einer erhöhten Zahnhalsüberempfindlichkeit führen. Daher sind die primären Indikationen für die Therapie von gingivalen Rezessionen die Verbesserung der Mundhygienemöglichkeiten und der Ästhetik. In Einzelfällen kann die Rezessionsdeckung auch zur Behandlung von Zahnhalsüberempfindlichkeiten herangezogen werden.

Aus biologischer und klinischer Sicht ist vor allem die Therapie von multiplen Rezessionen herausfordernd, da es sich hier um sehr breite, nicht durchblutete Oberflächen (Dentin oder Wurzelzement) handelt, an denen die Stabilisierung des Blutkoagulums und der Wunde meist sehr schwierig ist.

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht in unserem „Quintessenz – das Magazin“, dem jüngsten Spross aus der Familie der etablierten Quintessenz Fachpublikationen. Die interdisziplinäre Zeitschrift verknüpft Produkt- und Firmeninformationen mit dem wissenschaftlichen Content der Quintessenz Medien. Das Magazin erscheint vierteljährlich. Neben diversen Produkt- oder Firmeninformationen sorgen adäquate Abstracts von Fachartikeln aus unseren Medien für den wissenschaftlichen Impact und die Evidenz der vorgestellten Themen.

Innovative chirurgische Technik

Der modifizierte koronal verschobene Tunnel (MKVT) ist eine innovative chirurgische Technik für die Deckung von singulären und multiplen Rezessionen3–5Aufgrund der mukoperiostalen Präparation wird dabei die Gefahr einer Lappenperforation oder einer Lappennekrose minimiert, eine Komplikation, die insbesondere an Stellen mit einem sehr dünnen Weichgewebe auftreten kann. Durch den Verzicht auf vertikale Inzisionen und von Inzisionen der Papillen wird eine ausreichende Durchblutung des Mukoperiostlappens gewährleistet. Die koronale, spannungsfreie Verschiebung des Tunnels ermöglicht eine vollständige oder partielle Deckung der Weichgewebetransplantate und verbessert dadurch deren Ernährung und Überlebenschance. Ergebnisse aus klinischen Studien konnten belegen, dass der MKVT eine vielversprechende Option zur Deckung multipler Rezessionen darstellt.

Gewebeentnahme nicht immer einfach

Die Entnahme von subepithelialen Bindegewebetransplantaten ist jedoch mit einer erhöhten Patientenmorbidität verbunden. Darüber hinaus ist die Möglichkeit, genügend Gewebe zu entnehmen, infolge anatomischer Faktoren limitiert. In einzelnen Fällen wurden sogar Sensibilitätsstörungen an den Entnahmestellen beschrieben. Um dem Problem der Gewebeentnahme aus dem Gaumen zu entgehen wurden verschiedene Gewebeersatzmaterialien eingeführt. Vor allem bieten Kollagen-Matrizes klinische Vorteile, da sie Wachstumsfaktoren aus der Wunde aufnehmen und als Reservoir für diese dienen können. Darüber hinaus können Kollagen-Matrizes das Blutkoagulum stabilisieren und quasi als Leitschiene für die Zellen aus der Umgebung der Wunde fungieren6–9.Bei entsprechender Indikation eignen sich Kollagen-Matrizes auch zur Deckung von Rezessionen an Zähnen10.

Aktuelle Ergebnisse aus in-vitro Studien konnten zeigen, dass eine neue hydrierte dermale Matrix über einen Zeitraum von 13 Tagen Wachstumsfaktoren an die Wunde abgibt. Darüber hinaus hat die neue hydrierte Matrix einen positiven Effekt auf die Migration und Proliferation von Fibroblasten und Osteoblasten, und beeinflusst dadurch indirekt die Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus diesen Zellen7–9.

Erste klinische Ergebnisse konnten zeigen, dass die neue hydrierte Kollagenmatrix nicht nur einen positiven Effekt auf die Wundheilung hat, sondern sich auch klinisch gut anwenden lässt (siehe Abb. 1 bis 6).

Chirurgische Technik

Im folgenden Fallbeispiel wird die klinische Anwendung der neuen hydrierten Kollagen-Matrix (NovoMatrix, Camlog/Biohorizons, USA) in der Therapie von multiplen Gingivarezessionen mittels MKVT dargestellt (Abb. 1). Nach einem leichten Scaling der exponierten Wurzeloberflächen, das dazu diente, den eventuell vorhandenen Biofilm zu entfernen, wurden intrasulkuläre Inzisionen im Rezessionsbereich gesetzt und das ganze bukkale Weichgewebe (das heißt, die Gingiva und die bewegliche Mukosa) im Sinne eines Mukoperiostlappens mittels speziellen Tunnelierungsinstrumenten gelöst und über die Mukogingivalgrenze hinaus mobilisiert (Abb. 2).

Um den tunnelierten Lappen spannungsfrei bis zur oder sogar koronal der Schmelz-Zement-Grenze zu mobilisieren, wurden einstrahlende Fasern von der Innenseite des Lappens mittels eines Skalpells oder einer scharfen Kürette gelöst. Anschließend wurde die hydrierte Matrix mittels Matratzennähten in den Tunnel gezogen und mit Umschlingungsnähten an den Zähnen fixiert (Abb. 3 und 4). Zum Schluss wurde der Tunnel nach koronal reponiert, um damit die Kollagen-­Matrix und die Rezessionen zu decken (Abb. 5).

Postoperative Betreuung

Die postoperative Betreuung umfasste die Gabe von systemischen Antibiotika (2 × 1.000 mg/Tag Amoxicillin für fünf Tage) sowie die Anwendung von Antiphlogistika. Die chemische Biofilmkontrolle erfolgte mittels Chlorhexidin Spülungen (2x/Tag, 0,2 Prozent Chlorhexidin, Chlorhexamed Forte, GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG, München) für einen Zeitraum von 14 Tagen. Die mechanische Biofilmkontrolle mittels einer weichen (sogenannten chirurgischen Zahnbürste) wurde nach 14 Tagen wieder aufgenommen. Die Nahtentfernung erfolgte nach 3 Wochen.

Ergebnisse und Schlussfolgerung

Es wurden insgesamt acht Patienten (fünf Frauen und drei Männer) auf die beschriebene Art und Weise behandelt. Die postoperative Heilung verlief in allen acht Fällen komplikationslos. Nach sechs Monaten wurden eine gute Verdickung und fast komplette Deckung der meisten Rezessionen beobachtet. Erwähnenswert sind die natürliche Farbe der Weichgewebe (Abb. 6) und, aus klinischer Sicht, die gute Handhabung dieser Kollagen-Matrix (das heißt, die Matrix lässt sich leicht in den Tunnel einführen und mit Nähten stabilisieren).

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die ersten klinischen Fälle die Ergebnisse der „in-vitro“ Untersuchungen zu bestätigen scheinen, und zeigen, dass die neue Kollagen­Matrix ein großes klinisches Potenzial für die regenerative Weichgewebechirurgie besitzt.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. Anton Sculean, Bern, Schweiz

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Weitere Studien zur neuen Matrix

Adsorption und Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus vier verschiedenen Kollagen-Matrices porcinen Ursprungs
Nica C, Lin Z, Sculean A, Asparuhova MB. Adsorption and Release of Growth Factors from Four Different Porcine-Derived Collagen Matrices. Materials. 2020 Jun 9;13(11):2635.

Verbessertes Wundheilungspoten­zial primärer humaner oraler Fibroblasten und parodontaler Ligamentzellen, die auf vier verschiedenen Kollagen-Matrices porcinen Ursprungs kultiviert wurden
Lin Z, Nica C, Sculean A, Asparuhova MB. Enhanced Wound Healing Potential of Primary Human Oral Fibroblasts and Periodontal Ligament Cells Cultured on Four Different Porcine-Derived Collagen Matrices. Materials. 2020 Aug 29;13(17):3819.

Positive Auswirkungen dreidimensio­naler kollagenbasierter Matrizen auf das Verhalten von Osteoprogenitorzellen
Lin Z, Nica C, Sculean A, Asparuhova MB. Positive effects of three-dimensional collagen-based matrices on the behavior of osteoprogenitors. Front Bioeng Biotechnol. 2021;9:708830.

Quelle: Quintessenz – das Magazin 4/21 Chirurgie Zahnmedizin