Der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, steuert unter anderem das Hungergefühl des Menschen. Ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln und der Universität Cambridge hat jetzt einen detaillierten Zellatlas der Hypothalamusregion veröffentlicht. Ihre Erkenntnisse könnten für die Entwicklung von Medikamenten bei Adipositas eine wichtige Rolle spielen.
Prof. Dr. Jens C. Brüning, Kongresspräsident der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE), erläuterte auf einer Online-Pressekonferenz der DGE, wie diese Ergebnisse neue, gezieltere Behandlungsmöglichkeiten für Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes eröffnen könnten.
Originalveröffentlichung:
Tadross, J.A., Steuernagel, L., Dowsett, G.K.C. et al. (2025) A comprehensive spatio-cellular map of the human hypothalamus. Nature. https://doi.org/10.1038/s41586-024-08504-8
„Es ist nicht vollständig geklärt, welche spezifischen Zelltypen genau im Hypothalamus die Nahrungsaufnahme regulieren und den Appetit unterdrücken“, so Brüning, Direktor der Poliklinik für Endokrinologie an der Uniklinik Köln und Kongresspräsident der DGE 2025. Bisher beruhte das Wissen über die genaue Struktur des Hypothalamus hauptsächlich auf Tierversuchen.
Eine neue Studie zum menschlichen Hypothalamus, die in Nature veröffentlicht wurde, bietet erstmals eine detaillierte „Karte“ dieser Region im Gehirn des Menschen. Um diese zu erstellen, untersuchten Forschende 433.369 Zellen des menschlichen Hypothalamus. Die sogenannte „Hypomap“ zeigt auf, welche Gene in spezifischen Zelltypen aktiv sind, welche Zellen für die Regulierung von Appetit und Energiehaushalt verantwortlich sind und wie diese Zellen miteinander interagieren.
So steuert das Hormon Leptin das Essverhalten
Die Studie befasst sich mit der Rolle des Hormons Leptin, das eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Körpergewichts und der Nahrungsaufnahme spielt. Leptin wird vorwiegend von Fettzellen gebildet. Es signalisiert dem Gehirn, dass genug Energie im Körper vorhanden ist und steuert den Appetit. Bislang ist nicht vollständig geklärt, welche Nervenzelltypen mit welchem Genexpressionsmuster durch Leptin gesteuert werden und somit den Hunger beeinflussen. Für diesen Signalweg ist zudem der Melanocortin-Rezeptor (MC4R) relevant: Dieser leitet Signale im Gehirn weiter und unterdrückt unter anderem das Hungergefühl oder beeinflusst den Energieverbrauch im Stoffwechsel.
„Die Entdeckung, dass Leptin und MC4R in bestimmten Nervenzellen zusammenwirken, deutet darauf hin, dass diese Zellen wichtig für die Appetitkontrolle sind“, erklärt Brüning. „Diese Erkenntnisse sind entscheidend für die Entwicklung neuer Therapien gegen Fettleibigkeit und Stoffwechselerkrankungen.“
Wichtige Erkenntnisse zur Rolle von GLP-1-Agonisten
Die Studie befasst sich zudem mit der Verteilung von GLP-1-Rezeptoren im Hypothalamus. Diese Rezeptoren werden von den sogenannten GLP-1-Agonisten, die bereits zur Behandlung von Diabetes und Übergewicht verwendet werden, aktiviert. GLP-1-Agonisten simulieren natürlich produzierte Hormone, die den Appetit regulieren, die Verdauung verlangsamen und dazu führen, dass die Betroffenen sich länger statt fühlen.
Die Hypomap lässt uns nicht nur besser verstehen, an welchen Nervenzellen genau im Gehirn GLP-1-Analoga wirken, sondern hat das Potenzial, als wichtige Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Adipositas und Diabetes zu dienen. „Die detaillierte Untersuchung der Neuronen im Hypothalamus hilft uns zu verstehen, durch welche Substanzen bestimmte Nervenzellen angesprochen werden können“, so Brüning weiter.
Bedeutung der Hypomap für die Medizin
„Mit der Veröffentlichung der Hypomap haben die Forschenden einen Meilenstein in der biomedizinischen Forschung gesetzt. Die detaillierte Kenntnis des menschlichen Hypothalamus könnte künftig nicht nur bei der Behandlung von Adipositas und Diabetes von Bedeutung sein, sondern auch bei anderen Stoffwechselerkrankungen“, so Brüning abschließend. „Diese Erkenntnisse bieten eine hervorragende Grundlage, um medikamentöse Therapien gezielt weiterzuentwickeln und neue, effektive Behandlungsansätze für Stoffwechselerkrankungen zu finden.“