Das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland unterstreichen zum Weltkindertag am 20. September 2021 ihre Forderung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Unter dem Motto „Kinderrechte jetzt!“ sind bundesweit von zahlreichen Initiativen verschiedene Aktionen geplant, die ein kinderfreundlicheres Deutschland in den Fokus stellen. Die Corona-Pandemie hat nochmals verdeutlicht, dass die Belange der Kinder kaum berücksichtigt werden – unter anderem mit alarmierenden Auswirkungen auf die Gesundheit.
Die Industrie hat Kinder im Fokus – doch nicht zu deren Besten
Den diesjährigen Weltkindertag nimmt die Deutsche Leberstiftung zum Anlass, erneut auf die immer weiter steigende Zahl von stark übergewichtigen und adipösen Kindern mit einer geschädigten Leber hinzuweisen.
Im Mai 2021 warnte das Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass die Corona-Pandemie möglicherweise einen der besorgniserregendsten Trends in der Europäischen Region noch weiter verstärken könnte – die wachsende Zahl fettleibiger Kinder. Und auch deutsche Fachgesellschaften für Adipositas- und Kindermedizin stellen aktuell fest, dass bei Kindern ein deutlicher Anstieg an Adipositas und Neumanifestationen von Typ-2-Diabetes während der coronabedingten Einschränkungen zu verzeichnen ist. Mit Übergewicht und Adipositas assoziiert ist auch bei Kindern die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD), die mittlerweile die häufigste chronische Lebererkrankung im Kindes- und Jugendalter ist.
Weniger Bewegung im Lockdown verstärkt den Trend zu Übergewicht
„Wie auch bei Erwachsenen macht sich eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFL) nur in seltenen Fällen durch Krankheitssymptome bemerkbar, sie ist jedoch stets ein großes Gesundheitsrisiko: Während auch bei Kindern die einfache Verfettung (NAFL) noch relativ harmlos ist, liegen bei einer NASH (non-alcoholic steatohepatitis) bereits entzündliche Veränderungen der Leberzellen und beginnende Ablagerungen von narbigen Fasern vor. Während sich bei den meisten Lebererkrankungen ein Leberzellkrebs aus der Leberzirrhose entwickelt, muss dies bei der Fettleber nicht der Fall sein. Bei fast 50 Prozent der Fettleber-bedingten Krebsfälle litten die Patienten vorher offensichtlich nicht an einer Leberzirrhose, sondern lediglich an einer NASH. Daher sollte auch bereits bei Kindern und Jugendlichen Aufmerksamkeit für dieses Thema geweckt werden“, erklärt Prof. Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung und er fordert: „Um die Zukunft der kommenden Generationen zu verbessern, müssen vorhandene wissenschaftliche und datenbasierte Maßnahmen umgesetzt werden, die dazu beitragen können, eine gesündere Ernährung und mehr Bewegung zu fördern. Unsere Kinder haben ein Recht auf Gesundheit. Darüber hinaus ist es wichtig, dass in Deutschland an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel endlich verboten wird – dazu gehört auch das Anpreisen solcher Produkte von Social Media-Influencern.“
Recht auf Gesundheit fördern, Werbung für Ungesundes verbieten
Laut einer aktuellen Marktanalyse der Verbraucherorganisation Foodwatch, die sich mit den Rechten von Verbrauchern und der Qualität von Lebensmitteln auseinandersetzt, sind in den vergangenen sechs Jahren für Kinder beworbene Lebensmittel kaum gesünder geworden. Obwohl es Selbstverpflichtungen der Industrie sowie eine Reduktionsstrategie des Ernährungsministeriums gibt, sind mehr als 85 Prozent der an Kinder vermarkteten Produkte zu süß, zu salzig und zu fettig. Und für diese „Krankmacher“ wird ausgiebig Werbung gemacht: Eine Studie der Universität Hamburg hat kürzlich festgestellt, dass ein Kind in Deutschland jeden Tag durchschnittlich circa 15 Werbespots für ungesunde Produkte sieht – zwei Drittel davon im Fernsehen, die übrigen über Social Media auf dem Mobiltelefon oder dem PC.
Was Hänschen nicht lernt …
Es ist bekannt, dass sich ein in der Kindheit erlerntes Ernährungsverhalten im weiteren Leben häufig manifestiert. Die enormen Kosten, die – abgesehen vom menschlichen Leid – für heute übergewichtige Kinder entstehen, trägt letztendlich die Gesellschaft. Experten schätzen die Ausgaben über die Lebenszeit gerechnet auf 393 Milliarden Euro.
Es sind Aufmerksamkeit und Handeln der Eltern gefragt, um Folgeschäden für ihr übergewichtiges oder adipöses Kind zu vermeiden. Beispielsweise können sich bestehende Fettablagerungen in der Leber zurückbilden oder das Entstehen kann verhindert werden, wenn der Lebensstil mit angepassten Sportaktivitäten und einer gesunden Ernährung geändert wird. Bei Kindern mit deutlichem Übergewicht sollte regelmäßig die Lebergesundheit überprüft werden. Sind die Leberwerte im Blut (GPT, GOT und GGT) erhöht, ist dies möglicherweise ein Warnzeichen für eine Lebererkrankung.
Was alles zur Bewegung gehört
Zur Bewegungszeit zählt bereits die Bewegung im Alltag. Das kann der Weg zur Schule sein, zur Eisdiele oder die Fahrt mit dem Roller oder Fahrrad zu Freunden. Dazu kommt die Bewegung in der Freizeit – das Toben mit Freunden, Ballspielen, Skateboard fahren oder Wandern mit der Familie. Ergänzend wird sich in Sportvereinen, in der Schule oder im Sportstudio bewegt. Turnen, Schwimmen, Fußball- oder Tennisspielen – gemeinsamer Sport in der Gruppe macht Spaß und motiviert, dabei zu bleiben.
Immer mehr Kinder und Jugendliche sitzen viel, oft auch in der Freizeit, und bewegen sich wenig. Zu langes Sitzen belastet den Bewegungs- und Halteapparat, begünstigt die Entstehung von Übergewicht und erhöht das Risiko für Spätfolgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Mellitus Typ 2, Depressionen oder Burnout. Wenn möglich, sollten Eltern daher lange Sitzzeiten ihres Kindes alle 20 Minuten mit einer kleinen Bewegungsaktivität unterbrechen. Hilfreich ist, wenn sie selbst als Vorbild sitzende Tätigkeiten, wie telefonieren oder Kartoffeln schälen, auch mal im Stehen erledigen.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass Eltern darauf achten, dass ihre Kinder nicht zu lange vor PC, Tablet und Co sitzen: Für Drei- bis Sechsjährige sollten es pro Tag idealerweise maximal 30 Minuten sein, für Sechs- bis Elfjährige höchstens eine Stunde und ab 12 Jahren nicht mehr als zwei Stunden täglich.
Tipps für mehr Bewegung
Die BZgA hat speziell für die Zeit der Pandemie ein Mitmach-Programm für Kinder ab dem vierten Lebensjahr entwickelt, das jederzeit zu Hause nachgeturnt werden kann. Weitere Tipps:
- Fangen, Federball, Frisbee, Seilspringen, Klettern, im Kinderzimmer Höhlen bauen oder im Wohnzimmer eine kleine Tanzparty veranstalten – es braucht nicht viel, um in Bewegung zu kommen.
- Planen Sie gemeinsame Aktivitäten: Gehen Sie gemeinsam schwimmen, in den Park, auf den Spielplatz oder in die Kletterhalle. Verabreden Sie sich mit anderen Familien zum Ballspielen, zum Spazierengehen oder zu einer Fahrradtour. Oder wie wäre es mit Bouldern und Hula-Hoop?
- Schlechtes Wetter gibt es nicht – draußen sind Sport und Spiele am schönsten. Es braucht nur die richtige Kleidung.
- Begleiten Sie Ihr Kind zum Sport, zeigen Sie Interesse und Loben Sie Erfolge. Loben ist gut, aber zeigen Sie Ihrem Kind auch, dass es nicht schlimm ist, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Neue Versuche und üben gehören dazu! Auch größere Kinder und Jugendliche freuen sich über Anerkennung und Unterstützung.
- Eine Fitness- oder Bewegungsapp kann motivieren. Sie soll den Spaß an der Bewegung fördern und nicht den Wettbewerb. Am besten wählen Sie die App zusammen mit Ihrem Kind aus.