Derzeit leben in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Durch die gestiegene Lebenserwartung wird der Anteil weiterwachsen: Auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes rechnen Expertinnen und Experten mit bis zu zwei Millionen Fällen im Jahr 2033. Erstmals wurde eine Interventionsstudie zur Vorbeugung geistiger Abbauprozesse bei älteren Hausarztpatientinnen und -patienten durchgeführt. Die Ergebnisse sind unter Federführung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig entstanden und in der Fachzeitschrift „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht worden.
Bewegung, Integration und Ernährung
Das Wissen zu beeinflussbaren Risikofaktoren, die eine Demenz verzögern oder gar verhindern, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. So können zum Beispiel ausreichend Bewegung, gute soziale Integration und gesunde Ernährung dazu beitragen, die geistige Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Zur Prävention von Demenz haben sich solche Veränderungen des Lebensstils als besonders effektiv herausgestellt, die mehrere Risikofaktoren gleichzeitig adressieren. Erste Interventionsstudien aus anderen Ländern zeigen, dass Änderungen des Lebensstils auch im höheren Alter effektiv sein können, um den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit zu verhindern.
Eine Studie mit sogenannter Multikomponenten-Intervention bei älteren Personen wurde nun auch erstmals in Deutschland durchgeführt, und zwar unter Federführung des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Medizinischen Fakultät. Im Rahmen der AgeWell.de-Studie sind bundesweit an fünf Standorten insgesamt 1.030 ältere Hausarztpatientinnen und -patienten zwischen 60 und 77 Jahren untersucht, bei der Umsetzung der Präventionsmaßnahmen begleitet und 24 Monate beobachtet worden. Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt.
Depressive Symptome bei Frauen verringert
Die Studienmaßnahmen umfassten die Optimierung der Ernährung und der Medikation, sowie eine Steigerung der körperlichen, sozialen und geistigen Aktivität. Geschulte Studienassistent:innen halfen den Teilnehmenden bei der Umsetzung. Bei Bedarf wurden Personen mit depressiven Symptomen zusätzlich unterstützt. Alle Teilnehmenden wurden hausärztlich in normalem Umfang betreut. Die Personen der Kontrollgruppe erhielten einmalig schriftliche Gesundheitsinformationen zu Inhalten der Intervention.
Originalpublikationen:
Effects of a multi-domain intervention against cognitive decline on dementia risk profiles – results from the AgeWell.de-trial. DOI: 10.1002/alz.14097
A multidomain intervention against cognitive decline in an at-risk-population in Germany: Results from the cluster-randomized AgeWell.de trial. DOI: 10.1002/alz.13486
„Zum Studienende hat sich der subjektiv wahrgenommene Gesundheitszustand der Teilnehmenden signifikant verbessert. Bei Frauen gingen depressive Symptome durch die Intervention zurück. Allerdings konnten wir in dieser relativ kurzen Nachbeobachtungszeit keine signifikanten Unterschiede in der geistigen Leistungsfähigkeit feststellen. Aber wir konnten zeigen, dass sich das Risikoprofil der Studienteilnehmer durch die Intervention verbesserte, also etablierte Risikofaktoren für Demenz positiv beeinflusst wurden“, sagt Dr. Andrea Zülke, Studienkoordinatorin von AgeWell.de und Wissenschaftlerin am ISAP. Insbesondere die Ernährung, aber auch Blutdruckwerte der Teilnehmenden verbesserten sich – Faktoren, die auch anderen Krankheitsbildern wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken.
Teilnehmende aus Hochrisikogruppen
„Mit AgeWell.de haben wir gezeigt, dass Multikomponenten-Interventionen für einen gesunden Lebensstil im Alter auch in Deutschland umsetzbar sind, insgesamt konnten wir mehr als 1.000 Teilnehmende aus Hochrisikogruppen für die Studie gewinnen. Das waren nicht die typischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Präventionsstudien – wir konnten wirklich Menschen mit einem erhöhten Risiko einschließen: 40 Prozent hatten eine Zuckerkrankheit, 54 Prozent Bluthochdruck und 55 Prozent waren adipös. Die Ergebnisse zur Veränderung des Risikoprofils sind ermutigend. Wir gehen davon aus, dass solche Interventionsstudien längere Beobachtungszeiträume brauchen, damit die Effekte der Lebensstilveränderungen ihr volles Potenzial entfalten können“, erklärt Prof. Dr. Steffi G. Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert.