Das Corona-Virus ist derzeit allgegenwärtig. Die Verunsicherung schlägt sich in allen Bereichen des täglichen Lebens nieder und macht auch vor dem Arbeitsplatz nicht Halt. Antworten auf juristische Fragen zu den arbeitsrechtlichen Verhältnissen in der Zahnarztpraxis gibt dieser Beitrag.
Spätestens seitdem Bundesgesundheitsminister Spahn den Beginn einer Corona-Epidemie verkündet hat, ein Krisenstab eingerichtet wurde, in Norditalien ganze Städte von der Außenwelt abgeriegelt worden sind und auch in Deutschland Menschen vorsorglich in Quarantäne geschickt und Schulen geschlossen worden sind, ist die deutsche Bevölkerung zumindest verunsichert. Ein Indikator hierfür sind die in vielen Regionen leergefegten Regale für Desinfektionsprodukte in Drogerien und Apotheken. Welche möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen gibt es im Zusammenhang mit SARS-CoV-19/COVID 19 in der Praxis?
Müssen die Angestellten zum Dienst erscheinen?
Hier lautet die klare Antwort: Ja! Solange ein Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, trifft ihn auch die Pflicht, seine Arbeit zu verrichten. Die diffuse Angst, sich möglicherweise durch menschliche Kontakte mit dem Corona-Virus zu infizieren, rechtfertigt das Fernbleiben vom Arbeitsplatz nicht. Auch wenn das Ansteckungsrisiko zugegebenermaßen in Zahnarztpraxen aufgrund der physischen Nähe zu Patienten – und insbesondere deren Mündern – höher sein mag als in anderen Bereichen, rechtfertigt das keine Entbindung von der Arbeitspflicht.
Das gilt sogar dann, wenn ein Arbeitnehmer sich im Urlaub in China oder einer anderen Region mit vielen Betroffenen aufgehalten hat und deshalb die Befürchtung hegt, Virusträger zu sein. Zwar wäre es wünschenswert, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über solche Umstände informiert, damit dieser über eine eventuelle Freistellung des Arbeitnehmers – dazu weiter unten – befinden kann. Wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aber nicht ärztlich festgestellt ist, fehlt es an einer Legitimation für das Nichterscheinen. Dann wiederum steht schnell der Vorwurf der beharrlichen Arbeitsverweigerung im Raum.
Die Konsequenzen einer solchen können bekanntlich gravierend ausfallen: Das unentschuldigte Fernbleiben von der Arbeit kann Grund für eine Abmahnung oder gar für eine außerordentliche Kündigung durch den Praxisinhaber sein. Diese Situation sollte im Interesse aller Beteiligten möglichst vermieden werden.
Darf der Praxisinhaber die Arbeitsleistung ablehnen?
Diese Frage lässt sich auch noch ein wenig verständlicher formulieren: Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der im Verdacht steht, mit dem Corona-Virus infiziert zu sein, für einige Tage freistellen und nach Hause schicken?
Auch diese Frage wird zu bejahen sein. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch das Verhältnis des Praxisinhabers zu den anderen Mitarbeitern einerseits und zu seinen Patienten andererseits ergänzend zu berücksichtigen. Im Hinblick auf beide Gruppen trifft den Praxisinhaber eine Rücksichtnahmepflicht, die es ihm gebietet, gesundheitliche Risiken in seiner Praxis nach Möglichkeit auszuschließen. Wenn nun begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der betreffende Arbeitnehmer mit dem Corona-Virus infiziert ist – etwa, weil sich entsprechende Symptome nach einem Aufenthalt in einer betroffenen Region zeigen –, ist der Arbeitgeber berechtigt, diesen freizustellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass insoweit allein eine bezahlte Freistellung denkbar ist. Eine Freistellung ohne Fortzahlung des Gehalts kommt dagegen nicht in Betracht.
Arbeitsbedingungen: Wie viel Schutz muss sein?
Besorgte Arbeitnehmer sind in der Regel nicht förderlich für das Betriebsklima. Deswegen wird ein Praxisinhaber schon aus Gründen der Mitarbeiterzufriedenheit darauf bedacht sein, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu beherzigen und die nötigen Schutzvorkehrungen zu treffen. Der Praxisinhaber hat zu gewährleisten, dass sein Personal bei ihm sicher arbeiten kann, und hat hierzu für den entsprechenden Gesundheitsschutz zu sorgen. Daraus folgt auch, dass er als Arbeitgeber die erforderlichen Mittel bereitzustellen hat, die insbesondere auch persönliche Schutzvorrichtungen umfassen. Das heißt also: Die obligatorischen Einmalhandschuhe und Mundschutze für die am Patienten tätigen Mitarbeiter hat der Praxisinhaber auf eigene Kosten zu beschaffen und deren Nutzung anzuordnen.
Welche Anforderungen an die erforderliche Schutzausrüstung aber jeweils zu stellen sind, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Klar ist dabei nur, dass die spezifischen Anforderungen in Relation zu einer größeren Mitarbeitergefährdung ansteigen können. Sofern etwa ein Patient die Praxis aufsucht, der aufgrund nachvollziehbarer Anhaltspunkte im Verdacht steht, an COVID 19 – der Erkrankung, die das Corona-Virus auslöst – erkrankt zu sein, kann das Anlegen besonderer Schutzgegenstände geboten sein.
Insofern wird empfohlen, sich bei den zuständigen Organisationen ergänzend nach Schutzkleidung und beispielsweise Typen von Mundschutzen zu erkundigen, die größtmöglichen Schutz gegen die neuartigen Viren bieten. Kompetente Ansprechpartner sind insoweit das Robert-Koch-Institut oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; allerdings dürften auch die Kammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Hilfestellungen geben können.
Ernstfall Mitarbeiterquarantäne: Wer zahlt was?
Täglich gibt es Berichte über neu hinzugekommene Corona-Fälle. Sind einige Bundesländer bislang zwar – vermeintlich – noch verschont, scheint es in Ansehung der jüngsten Regierungsaus-sagen und der aktuellen Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts zu COVID 19 (Stand 28. Februar 2020) nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch dort Infektionsfälle vermeldet werden.
Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus werden die Betroffenen bislang regelmäßig unter Quarantäne gestellt, also etwa bei einer schwereren Erkrankung in einem Krankenhaus unter besonderen Schutzvorkehrungen von anderen Menschen abgesondert oder verpflichtet, zuhause zu bleiben. Die Quarantäne wird behördlich auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes angeordnet und ist unbedingt zu befolgen – sie kann auch erzwungen werden. Sollte die Quarantäneanordnung einen Mitarbeiter der Zahnarztpraxis treffen, liegt es auf der Hand, dass dieser nicht zur Arbeit erscheinen kann. Wird er aber für die Fehlzeit bezahlt?
Ja! Inhaltlich ist hier aber noch zu differenzieren: Wenn sich die Tests als positiv erweisen und der Mitarbeiter tatsächlich an COVID 19 erkrankt ist, gelten die bekannten Grundsätze: Der Arbeitnehmer ist infolge seiner Erkrankung arbeitsunfähig und wie bei jeder anderen Erkrankung für sechs Wochen fortzubezahlen, bevor Krankengeld die Lohnfortzahlung ersetzt. Nichts Neues also.
Erfolgt die Quarantäne dagegen zur Abklärung eines Verdachtsfalls, gelten davon abweichende Sonderregelungen des Infektionsschutzgesetzes. Das Gesetz sieht hierfür vor, dass dem unter Quarantäne gestellten Mitarbeiter eine Entschädigung zusteht, die grundsätzlich der Staat zu zahlen hat. In den ersten sechs Wochen der Quarantäne ist diese Entschädigung allerdings jeweils in Höhe des Verdienstausfalls vom Arbeitgeber zu gewähren, danach wird die Entschädigung vom Staat weitergezahlt – die Höhe orientiert sich dann am Krankengeld.
Wo liegt also der praktische Unterschied zum Erkrankungsfall? Anders als bei den Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist es im zweiten Fall so, dass sich der Arbeitgeber die von ihm gezahlten Entschädigungsanteile in voller Höhe von der Behörde erstatten lassen kann. Es gibt also einen bedeutenden wirtschaftlichen Unterschied!
Und wenn der Praxisinhaber unter Quarantäne gestellt wird?
Wenn der Arbeitgeber dagegen selbst krankheitsbedingt ausfällt ist, ist die Situation – natürlich rein wirtschaftlich betrachtet – oft noch weitaus schlimmer als bei einem betroffenen Arbeitnehmer. Gerade in Einzelpraxen droht der gesamte Praxisbetrieb zum Erliegen zu kommen. Das gilt unabhängig davon, ob die Krankheit COVID 19 heißt oder ob es sich um eine andere Krankheit handelt.
Wird der Praxisinhaber aber wegen des Verdachts einer Corona-Infektion unter Quarantäne gestellt, gelten ähnliche Vorgaben wie beim Arbeitnehmer: Auch er hat Anspruch auf eine Entschädigung, die sich nach dem Verdienstausfall bemisst. Diese Entschädigung wird von der zuständigen Behörde gewährt. Bei der Kalkulation des Verdienstausfalls werden in der Regel die letzten dem Finanzamt übermittelten Jahreseinnahmen zugrunde gelegt. Daneben besteht im Übrigen auch ein Anspruch auf Ersatz der während der Quarantänezeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben, solange diese sich in einem angemessenen Umfang bewegen.
Fazit: Auch vor Arbeitsverhältnissen macht das Corona-Virus nicht Halt. Es zeigt sich aber, dass das Arbeitsrecht und das Infektionsschutzrecht auf den Epidemiefall vorbereitet sind. Hoffen wir den-noch, dass sich diese „Was-wäre-wenn-Fragen“ trotzdem möglichst selten stellen werden.
RA Dr. Karlheinz Schnieder, RA Dr. Maximilian Koddebusch, Münster
Dr. Karl-Heinz Schnieder ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator (cfm). Nach seinem Studium war er zwei Jahre als Referatsleiter Recht der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe tätig, seit 1994 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.
Schnieder ist Geschäftsführender Partner der Rechtsanwaltskanzlei „kwm, kanzlei für wirtschaft und medizin“ mit Standorten in Münster, Berlin, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Essen. Er ist Lehrbeauftragter der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der privaten Hochschule für Logistik und Wirtschaft, SRH Hamm. Schnieder ist auch als Autor und Referent tätig mit zahlreichen Publikationen zum Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein; der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen.
Neben seiner juristischen Tätigkeit ist er auch Initiator und Gründer der Gesundheitsregion-Stadt e.V., medizinische Netzwerke in Deutschland mit zurzeit zehn Gesundheitsregionen in Deutschland www.gesundheitsregion-deutschland.de. Kontakt zum Autor unter schnieder@kwm-rechtsanwaelte.de.
Foto: kwm
Rechtsanwalt Dr. Maximilian Koddebusch studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen-Wilhelms-Universität in Münster. Im Anschluss an das Studium promovierte er zu Fragestellungen auf dem Gebiet der Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a; 299b StGB).
Er ist seit mehreren Jahren bei der Rechtanwaltskanzlei „kwm kanzlei für wirtschaft und medizin“ in Münster juristisch tätig und seit Anfang 2020 als Rechtsanwalt dort beschäftigt. Kontakt zum Autor unter koddebusch@kwm-rechtsanwaelte.de. (Foto: privat)