Rund 49 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte und Psychotherapeutinnen/Pschyotherapeuten wollen auf die eine oder andere Art vorzeitig ihre niedergelassene Tätigkeit beenden. Nur jede zweite niedergelassene Ärztin/Psychotherapeutin beziehungsweise jeder zweite niedergelassene Arzt/Psychotherapeut geht derzeit davon aus, aus Altersgründen aus der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung auszuscheiden und die Zulassung zurückzugeben. Das zeigt eine aktuelle Schwerpunktauswertung, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) im Rahmen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP) 2023 durchgeführt hat.
Etwa 20 Prozent der Befragten wollen die vertragsärztliche beziehungsweise psychotherapeutische Versorgung vorzeitig, also noch vor dem Renteneintrittsalter, verlassen, um in den Ruhestand zu treten. Weitere 14 Prozent geben ihre eigene Niederlassung auf, um sich in einer anderen Praxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen zu lassen. Immerhin 8 Prozent der Befragten planen, ihre Zulassung abzugeben und den Standort als Privatpraxis weiterzuführen.
Arbeitsbelastung zu hoch
Von den Befragten, die vorzeitig in den Ruhestand treten, haben fast zwei Drittel angegeben, dass sie die Arbeitsbelastung in ihrer aktuellen Situation als zu hoch empfinden. Nur 22 Prozent der vorzeitig Ausscheidenden gaben an, dass sie dies taten, weil sie der Überzeugung waren, dass ihre Altersvorsorge bereits abgesichert sei. Zu hohe Praxiskosten beziehungsweise Fachkräftemangel beim nicht-ärztlichen Personal ist von jedem fünften vorzeitigen Ruheständler als entscheidendes Motiv genannt worden.
Von den insgesamt 68.000 angeschriebenen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten haben mehr als 4.000 Praxisinhaberinnen und -inhaber bei der aktuellen ZiPP-Befragung Angaben zum Thema Praxisübergabe gemacht. Von diesen beschäftigen sich aktuell etwa 1.200 Teilnehmende intensiv mit dem Thema. Die umfassende Befragung zur wirtschaftlichen Lage der Praxen wird jährlich wiederholt; viele Angeschriebene nehmen in mehreren Jahren teil.
Stimmung nachhaltig eingetrübt
„Die aktuelle Umfrage bestätigt unsere repräsentativen Befragungsergebnisse von Dezember 2023 zur Lage in den Praxen. Damals hatten gut 60 Prozent der befragten Praxen angegeben, aufgrund der Rahmenbedingungen zu überlegen, vorzeitig aus der Patientenversorgung auszuscheiden. Erneut zeigt sich sehr deutlich, dass die Stimmung unter den Praxisinhaberinnen und -inhabern nachhaltig eingetrübt ist. Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung in Deutschland ist dadurch in akuter Gefahr. Noch versorgen die rund 99.000 Praxen die Menschen auf höchstem Niveau. 578 Millionen Behandlungsfälle und über eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte sprechen eine deutliche Sprache für den Einsatz der über 180.000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Doch das Fundament bröckelt rasant. Ein maßgeblicher Grund: Immer mehr bürokratische Auflagen und Belastungen durch Fehlleistungen der von Digitalisierungsvorgaben oft überforderten Praxissoftware-Systeme. Mehr als 61 Tage pro Jahr muss jede Praxis im Durchschnitt für ‚Papierkram‘ aufwenden, die häufigen Unterbrechungen des Praxisablaufs durch IT-Zusammenbrüche nicht mitgerechnet“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.
Praxen durch Inflation belastet
Zudem mache die allgemeine Teuerung auch vor den Praxen nicht Halt, so von Stillfried weiter. Die Kosten für Personal, Energie, Mieten, Material oder medizinische Geräte stiegen stärker als die Inflation. „Während die Verbraucherpreise zwischen 2019 und 2022 um fast 12 Prozent zunahmen und die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen sich ähnlich verbessert hat, haben die Praxen in dieser Zeit zusammengerechnet nur 6 Prozent mehr pro Leistung erhalten. Viele Praxisführende machen damit Jahr für Jahr ein reales Minus.“
Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr
„Die Rahmenbedingungen stimmen nicht mehr“, machte der Zi-Vorstandsvorsitzende deutlich. Dieses Bewusstsein veranlasse immer mehr langjährig Niedergelassene, vorzeitig den Ausstieg aus der medizinischen Versorgung in Auge zu fassen, obwohl sie ihren Beruf schätzen. „Die Politik muss dieses Warnsignal ernst nehmen. Ein Verlust der Praxisstrukturen schädigt die lokale Infrastruktur und die medizinische Versorgung nachhaltig. Dies kann durch Krankenhäuser, Telemedizin oder andere Heilberufe nicht aufgefangen werden. Handlungsleitend muss vielmehr die Frage sein: Was veranlasst niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dazu, ihren Beruf wieder eher länger als kürzer auszuüben und die Praxen für die Patientinnen und Patienten offenzuhalten?“