Die ersten Langzeitdaten zu zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten sind endlich verfügbar. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jürgen Becker, Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, untersuchte über einen Zeitraum von 9 Jahren integrierte zweiteilige Patent-Implantate (Zircon Medical Management AG; ehemals ZV3 – Zircon Vision GmbH) [1]. Die Ergebnisse schließen eine essenzielle Forschungslücke.
Ziele und Ergebnisse
Angetrieben wurde die Studie von den Fragen nach der klinischen Performance zweiteiliger Zirkonoxidimplantate (im konkreten Fall Patent, ehemals ZV3) über einen Zeitraum von 9 Jahren und den höheren Belastungen im Seitenzahnbereich. Die Implantate wurden zwischen 2011 und 2012 52 Patientinnen und Patienten inseriert, bei denen Einzelzahnversorgungen im posterioren Ober- oder Unterkiefer indiziert waren. Das Einsetzen der Implantate folgte in allen Fällen einem einzeitigen Implantationsprotokoll mit transmukosaler Einheilung ohne Provisorium und einem konventionellen Belastungsprotokoll. Für die angesetzte Langzeituntersuchung nach 9 Jahren standen noch 30 Personen der initialen Patientenkohorte zur Verfügung.
Originalpublikation:
Brunello G, Rauch N, Becker K, Hakimi AR, Schwarz F, Becker J (2022) Two-piece zirconia implants in the posterior mandible and maxilla: A cohort study with a follow-up period of 9 years. Clinical Oral Implants Research; 33 (12): 1233–1244. DOI: 10.1111/clr.14005
Sechs klinische Parameter erfasst
Die klinischen Parameter jedes Implantats wurden anhand von sechs Aspekten ermittelt, die unter anderem Plaque-Indizes (PI), Taschentiefe (PD), Bleeding on Probing (BOP) und Mukosarezession (MR) umfassten. Als Erfolgsbewertungskriterium wurden Survival Rates („Überlebensraten“) herangezogen. Zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung nach mindestens 108 Monaten wurde für die Implantate eine hohe Überlebensrate dokumentiert. Zudem zeigten die untersuchten Implantate sogar klinische Verbesserungen der Weichgewebeverhältnisse.
Die Bedeutung der prospektiven 9-Jahresstudie für den Implantaterfolg
Bisher hat es keinerlei Langzeitbeobachtungen zu zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten gegeben. Die derzeit am Markt erhältlichen Implantatsysteme werden im Allgemeinen immer seltener durch Langzeitstudien untersucht. Die vorhandenen Studien beschränken sich dabei oftmals auf Beobachtungszeiträume von maximal fünf Jahren. Einerseits sind die meisten der bereits wissenschaftlich langzeitgetesteten Systeme gar nicht auf dem Markt. Andererseits schreitet die Einführung neuer Produktlinien derart schnell voran, dass eine wissenschaftliche Auswertung über längere Zeiträume nahezu unmöglich ist [2]. Beunruhigend ist dies deshalb, da die Prävalenz biologischer Komplikationen wie Perimukositis und Periimplantitis mit der Zeit zunimmt: Derks und Tomasi berichten von 43 Prozent Perimukositis und 22 Prozent Periimplantitis innerhalb von 8 Jahren nach der Implantation [3]. Eine weitere, 21 bis 26 Jahre umfassende Untersuchung bestätigt den Wert von 22 Prozent Periimplantitis und zeigte sogar eine höhere Prävalenz von Perimukositis von 54,7 Prozent [4]. Periimplantitis ist eine biologische Spätkomplikation als Folge einer vorausgegangenen Perimukositis, bei der sich die Gewebe um integrierte Zahnimplantate chronisch entzünden, was einen Verlust von Weichgewebe und Knochen bedingt. Eine unkontrollierte Periimplantitis kann zu Infektionen im Mundraum führen, die wiederum das Immunsystem belasten und das Risiko für die Entstehung von anderen Krankheiten erhöhen können. Studien haben gezeigt, dass es möglicherweise eine Verbindung zwischen unbehandelter Periimplantitis und chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Immundefekten wie Morbus Crohn und rheumatischen Erkrankungen gibt [5-7].
Periimplantitis ist vermeidbar?
Anders die wegweisenden Ergebnisse der prospektiven 9-Jahresstudie, aus denen sich ableiten lässt, dass sich das Risiko einer Periimplantitis auf der Langzeitachse minimieren, wenn nicht gar vermeiden lässt. Damit liefert die Studie Behandelnden wie Patienten eine entscheidende Erkenntnis: Langfristige Hart- und Weichgewebsgesundheit ist mit dem richtigen Implantatsystem auf vorhersagbare Weise erreichbar. Prof. Dr. Jürgen Becker, Studienleiter und Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zu den Ergebnissen: „Mit der 9-Jahres-Beobachtung von zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten schließen wir eine essenzielle Forschungslücke!“
Thomas Zeltner, Chairman der WHO Foundation, sagte anlässlich einer Veranstaltung zur Vorstellung der Studienergebnisse: „Die Mundhöhle ist ein entscheidender Schlüssel zur Allgemeingesundheit, Lebensqualität und einem gesunden Älterwerden. Das Saumepithel ist sozusagen die Achillesferse des menschlichen Körpers: Orale Entzündungen sind mit chronischen Erkrankungen wie Rheuma oder Autoimmunkrankheiten assoziiert. Prävention ist die beste Art der Behandlung: Deshalb müssen wir gerade Parodontitis und Periimplantitis wirksam begegnen. Dass das bei Implantaten nachhaltig möglich ist, zeigen die vorgelegten Ergebnisse.“