In der Prävention der Karies ist Deutschland international weiter Weltspitze. Geht es um die steigende Last der Parodontalerkrankungen, sieht das aber anders aus. Und bei den 12-Jährigen ist jedes siebte Kind von Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) betroffen, damit liegt Deutschland weltweit in der Spitzengruppe. Klar ist auch: Zahnärztliche Prävention wirkt. Die Arbeit der Zahnärztinnen und Zahnärzte und ihrer Teams zahlt sich aus und jede in neue Präventionskonzepte und in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommene präventive Leistung zahlt sich aus. Sowohl für die Gesundheit als auch durch vermiedene Behandlungskosten.
Wie steht es um die Mundgesundheit in Deutschland? Wie entwickeln sich Karies und Parodontalerkrankungen? Zeigen sich Erfolge bisheriger Therapiekonzepte? Seit 1989 erforscht das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) die Mundgesundheit der Bevölkerung. Am 17. März 2025 stellte das IDZ gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) die Ergebnisse und Bewertungen der neuesten, nun schon Sechsten Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS• 6) vor.
Große Erfolge im Kampf gegen die Karies
Die Ergebnisse belegen vor allem den Erfolg der präventionsorientierten Zahnmedizin. So zeigt sich, dass Deutschland in der Bekämpfung von Karies hervorragend aufgestellt ist: In der Gruppe der 12-Jährigen sind 78 Prozent der Untersuchten kariesfrei. Bei den jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) hat sich die Karieserfahrung seit 1989 halbiert; die Anzahl fehlender Zähne ist gleichzeitig signifikant zurückgegangen. Bis zur Mitte ihres Lebens sind die Menschen in Deutschland heute praktisch noch voll bezahnt. Diese Altersgruppe sei mit der damals neuen zahnärztlichen Prävention groß geworden, so Prof. Dr. Rainer Jordan, wissenschaftlicher Direktor des IDS und Leiter der Studie. Und das Bewusstsein für Mundgesundheit und Mundhygiene sei gut verankert.
Dieses erfreuliche Ergebnis ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die breite Bevölkerung das Angebot frühzeitiger und umfangreicher Präventionsleistungen in Anspruch nimmt. Hierzu zählen sowohl die Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder als auch die Individualprophylaxe und die regelmäßigen Kontrolltermine. Dies führe nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit, sondern auch zu einer spürbaren Senkung der Krankheitskosten insbesondere für Kariesbehandlungen und auch beim Zahnersatz, was dem gesamten Gesundheitssystem zugutekommt, wie vor der Presse in Berlin vom Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Martin Hendges, und vom Präsidenten der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, mehrfach betont wurde.
Karies bleibt auf Risikogruppen konzentriert
Dass die Kariesfreiheit bei den 12-Jährigen gegenüber der DMS V von 2016 leicht zurückgegangen ist beziehungsweise sich nicht weiter verbessert hat, liegt laut Jordan unter anderem an der durch die Corona-Pandemie eingeschränkte Gruppenprophylaxe, aber auch an vielen Kindern und Familien, die über Migrationsbewegungen nach Deutschland gekommen sind. Sie werden von der zahnärztlichen Versorgung und von der Gruppenprophylaxe erst nach und nach erfasst. Nach wie vor konzentriert sich zudem die Karieslast auf Kinder aus sozial benachteiligten und eher bildungsfernen Gruppen. Und das setzt sich über das ganze Leben fort.
Auch in der Gruppe der jüngeren Seniorinnen und Senioren (65- bis 74-Jährige) zeigt sich, dass immer weniger Menschen vollständig zahnlos sind und im Durchschnitt mehr Zähne erhalten bleiben. Der Anstieg der Anzahl funktionstüchtiger Zähne unterstreicht zudem die Wirksamkeit des Paradigmenwechsels hin zu einer zahnerhaltenden Therapie. Auch wenn die Primärprävention (Vermeidung von Karies) in dieser Altersgruppe noch nicht vollständig greifen konnte, zeigt sich eine bemerkenswerte Stärke in der Sekundärprävention, beim Zahnerhalt.
Parodontitis ist und bleibt ein Problem für Gesundheit und Gesundheitssystem
Mehr eigene Zähne bedeutet aber auch eine höhere Prävalenz parodontaler Erkrankungen, Eine erhebliche Krankheitslast ist weiterhin bei den Parodontalerkrankungen mit den Studiendaten belegt: Hiernach haben rund 14 Millionen Menschen in Deutschland eine schwere Parodontalerkrankung. Dies sei umso verheerender, als dass bisherige wissenschaftliche Hinweise, dass eine Parodontitis auch Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen nimmt und eine unbehandelte oder nicht frühzeitig behandelte Parodontitis zu einer Gefährdung der Mund- und Allgemeingesundheit führt, nunmehr durch die Ergebnisse der DMS • 6 bestätigt werden. Die Studie liefert zudem neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Mundgesundheit und Allgemeinerkrankungen: Demnach sind Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger zahnlos und haben durchschnittlich etwa zwei Zähne weniger als gesunde Menschen. Dies veranschaulicht die große Wichtigkeit sektorenübergreifender Versorgungsmodelle.
Zahnlosigkeit im Alter immer seltener
Prof. Dr. A. Rainer Jordan erläuterte: „Seit 35 Jahren untersuchen wir am Institut der Deutschen Zahnärzte regelmäßig die Zahngesundheit der Bevölkerung in Deutschland. Die jetzt vorliegende Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie ist sowohl methodisch als auch in den Ergebnissen besonders: Seit der Einführung der Gruppen- und Individualprophylaxe Ende der 1990er-Jahre konnten wir die Karieslast bei Kindern um 90 Prozent senken. Ein fast einmaliger Erfolg in der primären Prävention chronischer Erkrankungen. Jetzt können wir sicher sagen, dass der eingeschlagene Paradigmenwechsel von einer kurativen Krankenversorgung hin zu einer präventionsorientierten Gesundheitsversorgung nachhaltig greift: Zahnverluste kommen bis ins Erwachsenenalter praktisch nicht mehr vor und der Anteil zahnloser jüngerer Seniorinnen und Senioren ist um 80 Prozent zurückgegangen. Heute sind nur noch 5 Prozent der 65- bis 74-Jährigen zahnlos. Prävention wirkt!“
Hohe Prävalenz der MIH
Des Weiteren belegen die Ergebnisse der DMS • 6 eine hohe Prävalenz von Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), sogenannten Kreidezähnen. 15 Prozent der 12-Jährigen, also jedes 7. Kind, ist davon in mehr oder weniger starker Ausprägung betroffen. Die Ursachen der MIH sind immer noch nicht geklärt, auch wenn in Kürze neue Forschungsergebnisse zu erwarten seien, wie Benz berichtete. Daher sei eine frühzeitige Diagnostik des Krankheitsbildes umso wichtiger. Dies unterstreiche einmal mehr die Bedeutung der Früherkennungsuntersuchungen, um die Eltern aufklären und für das Kind entsprechende Therapiemaßnahmen ergreifen zu können, hieß es dazu in Berlin.
Weitere Auswertungen unter anderem zum Mundhygieneverhalten folgen
Jordan kündigte an, dass es noch weitere Auswertungen aus dem Pool der Studiendaten geben werde. So habe man erstmals die damals 12-Jährigen Probanden aus der DMS V als dann 20-Jährige erneut untersucht. Auch wurden die Mundhygienegewohnheiten nicht nur abgefragt, sondern die Probanden der DMS • 6 gebeten, sich doch beim Putzen vor der Untersuchung filmen zu lassen. „Das haben zu unserer Überraschung sehr viele Probanden auch getan“, so Jordan. Erste Ergebnisse seien, dass die Plaqueentfernung in der Regel nur zu gut 50 Prozent gelinge, wenn keine Hilfsmittel zur Interdentalpflege eingesetzt werden. Probanden, die elektrische Zahnbürsten benutzten, seien in der Plaqueentfernung im Schnitt besser. Diskutiert werden könne damit auch, wie viel Plaqueentfernung im Alltag tatsächlich nötig sei, um Mundgesundheit unter normalen Bedingungen zu erhalten – ergänzt um die professionelle Betreuung in den Praxen mit IP und Professioneller Zahnreinigung.
Prävention senkt Behandlungskosten
Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV, betonte: „Die Ergebnisse der DMS • 6 zeigen, dass unsere konsequent auf Prävention ausgerichteten Versorgungskonzepte, die aus dem eigenen Berufsstand heraus entwickelt worden sind, wirken. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit von Millionen von Menschen in Deutschland, sondern hat auch den Anteil an den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für vertragszahnärztliche Leistungen in den letzten Jahren um mehr als 30 Prozent gesenkt. Die Ergebnisse belegen aber auch, dass Parodontitis immer noch eine Volkskrankheit und ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.“
Hendges hob hier noch einmal auf die 2021 von der KZBV mit der präventionsorientierten Parodontitisbehandlungsstrecke in die Versorgung gebrachte Therapie ab, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und von allen Seiten als Meilenstein begrüßt wurde.
PAR-Therapie soll als gesetzliche Vorsorgeleistung verankert werden
„Dieser wichtige Ansatz wurde durch politische Entscheidungen in Form des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes mit seiner strikten Budgetierung schwer beschädigt. Dem Kampf gegen Parodontitis wurde so ein herber Rückschlag versetzt, der eine nachhaltige Behandlung nun deutlich erschwert. Die neue Bundesregierung ist daher gefordert, die Leistungen für die präventionsorientierte Parodontitistherapie endlich als gesetzliche Früherkennungs- und Vorsorgeleistungen zu verankern und für die Versorgung die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Um die bislang erreichten Erfolge im Hinblick auf die Mundgesundheit zu erhalten und weiter auszubauen, benötigen die Praxen endlich wieder angemessene Rahmenbedingungen für ihre Arbeit.“
Studie als wichtige Basis für Gespräche mit der Politik
Die DMS • 6 sei gerade in der aktuellen Phase der Regierungsbildung eine wichtige wissenschaftliche Basis für Gespräche mit der Politik für eine Stärkung der präventionsorientierten Medizin. Anders als andere Bereiche des Gesundheitswesens gebe es in der Zahnmedizin kein strukturelles Problem, so Hendges. Die in der Prävention eingesetzten Mittel wirkten, wie die Studie erneut belege. Die Frage sei, wie die Politik mit den Defiziten in der Prävention in der Medizin in Zukunft umgehe. Man müsse die Sonderrolle der Zahnmedizin daher immer wieder herausstellen.
Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der BZÄK, ergänzte: „Die großartigen Ergebnisse der DMS • 6 sind ein Grund zur Freude für Patientinnen, Patienten und die Zahnärzteschaft. Sie zeigen, wie nachhaltig die Kombination aus Gruppen- und Individualprophylaxe für eine gute Mundgesundheit sorgt. In allen Altersgruppen konnten die guten Daten gehalten oder sogar verbessert werden. Gerade bei Seniorinnen und Senioren bedeuten weniger fehlende bzw. mehr funktionstüchtige Zähne eine gesteigerte Lebensqualität. Die Studie zeigt zudem erstmals, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht nur mit Parodontitis, sondern auch mit Zahnlosigkeit zusammenhängen – ein Auftrag für weitere interdisziplinäre Forschung in diesem Feld. Die DMS • 6 zeigt allerdings auch, dass von der zahnmedizinischen Prävention noch nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen profitieren – Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen werden von den Maßnahmen weniger gut erreicht. Dies stellt eine Aufgabe für die Zahnärzteschaft dar, diese Gruppe noch mehr in den Fokus zu nehmen.“
Gemeinsam für weniger Zucker in Lebensmitteln
Einig waren sich alle darin, dass der Zuckerkonsum deutlich reduziert werden sollte und die politischen Initiativen der Zahnärzteschaft zur Zuckerreduktion in Lebensmitteln aufrecht erhalten werden müssen. Denn in der DMS • 6 wurde auch die Ernährung abgefragt und ein höherer Zuckerkonsum korrelierte vor allem bei den Kindern und bei den jüngeren Senioren mit mehr Problemen in der Mundgesundheit. Die gelte umso mehr wegen der steigenden Prävalenz des Diabetes mellitus Typ 2 in allen Altersgruppen. Das gemeinsame Agieren und der Schulterschluss mit den Medizinern bei solchen Themen sei daher besonders wichtig, um die Risiken zum Beispiel von Zuckerkonsum auf die Gesundheit breit in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, so Jordan.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Hintergrund zur DMS • 6
Methodisch anspruchsvoll untersucht die DMS • 6 die Mundgesundheit der gesamten Bevölkerung in Deutschland. Dazu wurden von 2021 bis 2023 an 90 Untersuchungszentren in Deutschland rund 3.400 Menschen aus diversen Altersgruppen und sozialen Gruppen in einer repräsentativen Erhebung befragt und zahnmedizinisch-klinisch untersucht. Vor dem Hintergrund einer immer stärker an Evidenz und Qualität ausgerichteten Zahnmedizin erlauben die Ergebnisse grundlegende Weichenstellungen, um die Versorgung systematisch auszubauen und zu verbessern. Die Ergebnisse sind in englischer Sprache in einem Supplement der „Quintessence International“ veröffentlicht. Weiteres Informationsmaterial zu den Ergebnissen inklusive Grafiken kann auf der Website zur DMS • 6 abgerufen werden.
Mit Material von BZÄK/KZBV/IDZ.