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Gemeinschaftstagung der DGZ und DGPro in Leipzig schaffte gelungenen Rundumblick über aktuellen Stand der Zahnerhaltung

Die Tagungspräsidenten Prof. Sebastian Hahnel und Prof. Rainer Haak freuten sich über einen erfolgreichen Kongress.

(c) DGZ-DGPro

Nicht nur Berlin, auch Leipzig ist immer eine Reise wert. 606 Kolleginnen und Kollegen trafen sich vom 13. bis 15. Juni 2024 zu der Gemeinschaftstagung der DGPro und der DGZ in der wunderbaren Kongresshalle am Leipziger Zoo. Das Programm war entsprechend auf beide Gesellschaften ausgerichtet. Aus Sicht der Prothetik, der Zahnerhaltung und auch der zahnärztlichen Praxis wurden einige Schwerpunktthemen in der Zahnmedizin wie beispielsweise die Einzelzahnversorgung, große Rehabilitationen oder Implantat versus wurzelbehandelter Zahn gegenübergestellt und diskutiert.

Tagungsleiter Rainer Haak (Leipzig) begrüßte die Teilnehmer und eröffnete die Tagung. Der erste Programmpunkt war die Vergabe des Wrigley Prophylaxe-Preises. Bereits zum 30. Mal wurde der Preis innerhalb einer DGZ-Jahrestagung verliehen. Auch diesmal wurden Projekte ausgezeichnet, die die Zahnerhaltung vulnerabler Patientengruppen fördern: Telemedizin für Senioren mit intraoralen 3-D-Scans, Hilfe für vernachlässigte Kinderzähne sowie Umsetzung von Mundpflegestandards für Menschen mit Behinderung

Die Einzelzahnversorgung: Wann direkt, wann indirekt

So lautete das Thema der 1. Session. Prof. Anne-Katrin Lührs (Hannover) eröffnete den Block aus Sicht der Zahnerhaltung: Die Adhäsivtechnik hat die Möglichkeiten der direkten konservierenden Versorgung deutlich erhöht. Ein Problem ist nach wie vor die schlechtere Haftung am Dentín als am Schmelz. Die Entwicklung der 10-MDP-basierten Adhäsive ist ein weiterer Schritt gewesen, die Dentinhaftung zu verbessern. Diastemaschluss, Trauma, Höckerfrakturen, Substanzverlust im Front- wie Seitenzahnbereich und sogar subgingivaler Substanzverlust im SZB sind damit direkt konservativ zu lösen. Bei letzterem wird inzwischen die sogenannte „Proximal Box Elevation“ diskutiert, bei der durch Einbringen einer Kompositstufe die Präparationsgrenze von sub- nach supragingival verlegt wird. Das ermöglicht das spätere adhäsive Zementieren unter absoluter Trockenlegung. Referentin Lührs stellte dazu wissenschaftliche Daten vor. Die Möglichkeiten der Adhäsivtechnik hat das Spektrum für direkte Versorgung erweitert. Für alle Indikation gilt, dass neben der absoluten Trockenheit die Prozessqualität von entscheidender Bedeutung ist.

Den Part für die Prothetik übernahm PD Dr. Maximilliane Schlenz (Gießen). In der Prothetik eröffnet sich durch die Digitaltechnik sowie die neuen Materialen eine große Variationsbreite an Restaurationsmöglichkeiten. Inlays, Onlays, Dreiviertelkronen sowie Kronen können als Standardindikationen angesehen werden. Abhängig von der Indikation ist das Ausmaß des Defekts (Schmelz oder Dentin – minimale Präp oder konventionelle) zu beachten, und, ob ein adhäsiver Haftverbund oder eine mechanische Retention erforderlich ist.

Zur Präparation erinnerte Schlenz daran, dass 2 mm Restdentin als Schutz für die Pulpa sowie supra-/ epigingivale Präparationsgrenzen empfohlen werden. Subgingival darf die Präparation bei 0,5, maximal einem Millimeter liegen. Ferner ist das Platzangebot zum Gegenkiefer zu berücksichtigen: wird der Stumpf zu kurz, muss mit „Dezementierung“ oder Frakturen gerechnet werden. Sehr komfortabel ist bei der Digitaltechnik beziehungsweise dem intraoralen Scan die Möglichkeit des Monitorings. Verlaufsformen, zum Beispiel bei Abrasionen, lassen sich so sehr schön dokumentieren. Beachtenswert ist der Stand der Digitalisierung in den Praxen 2023: 27 Prozent arbeiten inzwischen mit einem Intraoralscanner, 15 Prozent verwenden CAD/CAM-Fräsen und 5 Prozent 3-D-Drucker.
Aus der Praxis gab Dr. Markus Lenhard (Etzwilen/CH) die Empfehlung, bei jungen Mensch möglichst direkt und minimalinvasiv zu arbeiten, da die Zähne noch lange im Mund bleiben sollen. Statistisch steige die Extraktionswahrscheinlichkeit mit Zunahme der Restaurationsgröße aufgrund von Reinterventionen.

Große Rehabilitationen

Auch zu diesem Themenkomplex kamen wieder ein Prothetiker (Prof. Dr. Fabian Hüttig, Tübingen), ein Zahnerhalter (Prof. Dr. Thomas Attin, Zürich) und ein Praktiker (Dr. Martin Butz/ Regensburg) zu Wort. Die drei Referenten stellten in ihren Beiträgen vor allem das Fachübergreifende heraus. Große Restaurationen verbinden die patientenbezogene Komplexität wie Alter des Patienten, Befunde im Mund und die technische, das heißt Material- und Systemauswahl. Aus Fragen wie „Wie lange muss es ,wahrscheinlich‘ halten?“ oder „Was passiert wenn…?“ ergibt sich der nächste Schritt, die Entscheidung zwischen „festsitzend und/oder abnehmbar“. Überlegungen wie diese im Vorfeld großer Restaurationen sind ein Schlüssel zum Erfolg, da waren sich alle drei Referenten einig. Hauptfehler bei großen Rehabilitationen sind falscher Therapieansatz und Fehleinschätzung der eventuell auftretenden Schwierigkeiten. Praktiker Butz gab Anregungen, wie damit umzugehen sei:

  1. Bewusstsein schaffen: Gemeinsames Verständnis mit dem Patienten für die Komplexität der Behandlung schaffen, auf Fehler einstellen und damit umgehen lernen.
  2. Rationale Entscheidungsfindung fördern: Befundbögen, Planung außerhalb des Behandlungstermins, kollegialer Austausch.
  3. Struktur und Prozesse: Team, Revaluation, Checklisten.

Referent Attin fokussierte sich auf die Entscheidungsfindung bezüglich direkter oder indirekter Versorgung. Für die indirekte Versorgung sprechen Aspekte wie starker Zahnhartsubstanzverlust, Bedarf an Materialien mit hoher Festigkeit/Abrasionsbeständigkeit, Probleme in der Adhäsivtechnik /Trockenlegung, Mangel an Vertrauen in direkte Techniken und hoher ästhetischer Anspruch sowie vorhandene finanzielle Mittel beim Patienten. Gründe für die direkte Versorgung können sein: Zahnhartsubstanzverlust als Herausforderung sehen, Materialien mit hoher Festigkeit liegen vor, Problemlösung bei der Adhäsivtechnik, Vertrauen in direkte Techniken und hoher ästhetischer Anspruch bei geringen finanziellen Mitteln.

Kariesentfernung: Gibt es Unterschiede bei Restaurationen?

Das Thema lässt den Zuhörer erstmal stutzen. Es gibt nach Kariesentfernung Unterschiede in im Hinblick auf prothetische oder konservierende Versorgungen?? Prof. Falk Schwendicke (München) gab zuerst einen Überblick über das inzwischen veränderte Verständnis zu Karies und zur Therapie. Karies entsteht auf Grund eines ökologischen Ungleichgewichts. Fermentierte Kohlehydrate treffen auf einen Biofilm mit pathogener Flora. Es folgt Demineralisation mit eventuellen Symptomen, sofern keine Remineralisation aus dem Speichel und/oder Fluoriden beziehungsweise Kalziumionenerfolgt. Die Beurteilung der Pulpa bei kariogenen Beschwerden ist in der Praxis nicht einfach. In welchem Entzündungsstadium sich die Pulpa befindet und welcher Therapieansatz gewählt werden muss, kann nur anhand von Anamnese und der Erfahrung des Zahnarztes entschieden werden.´

Es hat sich aber gezeigt, dass das „Versiegeln“ der Karies ihr Fortschreiten stoppen kann. Die Hall-Technik in der Kinderzahnheilkunde hat das bewiesen. Für die Kariesentfernung werden inzwischen zwei Therapieansätze diskutiert: die vollständige oder auch non-selektive Entfernung und die selektive im einzeitigen Vorgehen. Das Bestreben ist immer, die Vitalität der Pulpa zu erhalten. Die Tatsache, dass die Adhäsivtechnik auf Dentin schwierig ist, schränkt die Versiegelung nach selektiver Kariesentfernung stark ein. Schwendicke stellte einen Therapieansatz durch partielle Pulpotomie vor, da bei unsicherer Pulpadiagnostik eine selektive Entfernung zu weiteren endodontischen Problemen führen kann. Mit diesem Vorgehen die Vitalität zu erhalten, sei durchaus gegeben. Ein Standardverfahren sei das aber nicht. In der anschließenden Diskussion wurde dieser Ansatz dann auch sehr kontrovers diskutiert.

Prof. Jan-Frederik Güth (Frankfurt) zeigte in seinem Vortrag den nächsten Schritt: die prothetische Versorgung des endodontisch behandelten Zahns. Laut Güth liegen die Überlebensraten wurzelbehandelter Zähne mit festsitzenden prothetischen Restaurationen (mit Stift) nach fünf Jahren bei 92,7 Prozent. Bei herausnehmbarer Prothetik (mit Stift) liege sie bei 51 Prozent. Auch er griff die Möglichkeit der selektiven Kariesentfernung auf und stellte dazu Orientierungsgrößen vor: Bis zu einem Abstand von 2 mm zum Kavitätenrand muss vollständig bis zum harten Dentin exkaviert werden. Die verbleibende Fläche weichen beziehungsweise festen Dentins sollte in der Ausdehnung eines mittleren Kugelkopfs entsprechen. Der Patient muss aufgeklärt werden. Sein Fazit: Vitalerhaltung der Pulpa ist oberstes Ziel, Austausch von Restaurationen versus Reparatur abwägen, Invasivität der Präparationen beschränken, Materialauswahl auf spätere Diagnostik ausrichten (Rö-Opazität). Das richtige Wissen über Karies-Management ist eine Voraussetzung für die Prothetik!

Wurzelgefüllter Zahn versus Implantat – wann ist was riskanter?

Michael Borchard stellte zu Beginn seines Vortrags die Implantation der Wurzelkanalbehandlung gegenüber. Für die Implantation sprechen die Schonung der Zahnhartsubstanz der Nachbarzähne und die prothetischen Möglichkeiten. Doch es gibt auch ästhetische Risikofaktoren in der Implantologie, beispielsweise wenn das Knochenniveau zum Kontaktpunkt des Nachbarzahns mehr als 7 mm beträgt. Auch zwei fehlende Zähne, die ersetzt werden müssen, gelten als ästhetisch schwierig, ebenso defizitäres Weichgewebe und defizitärer vertikaler Knochen. Prof. Christian Gernhardt (Halle) führte dazu aus, dass im Rahmen der Zahnerhaltung die Endodontie nach wie vor eine hohe Bedeutung hat, ist sie doch weniger invasiv und verursacht weniger Kosten. Risiken, die nicht außer Acht gelassen werden können, liegen zum Beispiel in der Aufbereitung sowie in Behandlungs- (Via Falsa) und Versorgungsrisiken (Frakturen, Stiftretentionen). Wurzelbehandelte Zähne mit großen direkten Restaurationen haben eine niedrigere Überlebensrate als kronenversorgte. Eine Stiftverankerung zeigte nur bei epigingivalen Defekten einen positiven Effekt. Dagegen sind die zirkuläre Fassung von 1,5-2 mm (Ferrule Effekt) und der Erhalt der Kavitätenwände die wichtigsten Faktoren für die Zähne und ihre Restaurationen. Für Borchard sind Endodontie und Implantologie ein ganz starkes Team.

Neben dem Hauptprogramm gab es rund um die Prothetik und die Zahnerhaltung viele Sessions mit Kurzvorträgen. Ein Beitrag sei hier noch beigefügt.

Zahnerhalt – direkt und indirekt

Michael Taschner (Erlangen) hob die Entwicklung der Bulk-Fill-Materialen als sehr gute Ergänzung im Komposit-Portefeuille hervor. Vor allem für Restaurationen im Seitenzahngebiet sind sie eine Option geworden, obwohl viele Anwender dem Material noch nicht trauen. Und es sind schon bei der Anwendung einige Dinge zu beachten: Die Inkremente sollten 4 mm nicht überschreiten. Jedes Inkrement benötigt 16.000mW/cm2  für die Aushärtung. Bei gängigen Polymerisationslampen mit 400 mW sind 40 Sekunden Aushärtung erforderlich, bei neueren Lampen mit 800 mW entsprechend 20 Sekunden. Die Lichtintensität verringert sich mit dem Abstand bei 6 mm um ca 50 Prozent, bei 10 mm um ca 89 Prozent. Bei ausgedehnten Kavitäten reicht der Durchmesser des Lichtleiters zumeist nicht mehr aus. Die Präparationen richten sich nach der Materialwahl. Lithium-Disilikat benötigt zum Beispiel bei Kronen okklusal 1,5-2,0 mm Schichtdicke, zirkulär 1,0-1,5 mm und zervikal 1 mm. Beim Einschleifen ist darauf zu achten, dass die Mindeststärke okklusal von 1,5 mm nicht unterschritten wird. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sorgfältige Anwendung und Kenntnisse der Adhäsivsysteme der Schlüssel zum Erfolg sind. Die begrenzten Möglichkeiten der Lichtleiter sind zu beachten. Und weniger ist oft mehr: Reparaturfüllung und direkte Versorgung im FZ können eine Option sein

Das war wirklich eine gelungene Gemeinschaftstagung. Die Zahnheilkunde aus den drei Blickwinkeln Prothetik, Zahnerhaltung und Praxis vorzustellen und zu betrachten, hat einen tollen Überblick verschafft, vor allem für die Kollegen und Kolleginnen in den Praxen.

Dr. Cornelia Gins, Berlin

Reference: Zahnmedizin Fortbildung aktuell Interdisziplinär Prothetik Restaurative Zahnheilkunde

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