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Sofortbelastung von Zygoma-Implantaten in Fällen von Amelogenesis imperfecta mit Kronenresorption multipler retinierter Zähne

Patient: Intraorale Ausgangssituation.

Die implantatgestützte Rekonstruktion stark resorbierter Oberkiefer ist insofern besonders anspruchsvoll, als das vorhandene Knochenvolumen keine idealen Implantatpositionen unterstützt. Daher sind in der Regel Knochen- und Sinusbodenaugmentationen mit Knochentransplantaten erforderlich. Diese Techniken sind gut dokumentiert und zeigen hohe Erfolgsraten, sind aber zeitaufwendig, erfordern gegebenenfalls einen zweiten Eingriff an der Spenderstelle und schließen eine Sofortbelastung aus. In entsprechenden Fällen findet daher ein neues Konzept, bei dem im Jochbein platzierte Implantate (Zygoma-Implantate) zum Einsatz kommen und das beachtliche Erfolgsraten vorweisen kann, zunehmend Beachtung. Dieser Fallbericht zeigt die Behandlung von zwei Patienten mit Amelogenesis imperfecta in Verbindung mit fortgeschrittenen Kronenresorptionen und Durchbruchstörungen sowie Zahnnichtanlagen unter Verwendung von sofortbelasteten Standard- und Zygoma-Implantaten.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
 

Einleitung

Amelogenesis imperfecta ist eine den Schmelz betreffende Zahnentwicklungsstörung. Sie tritt in der Regel ohne systemische Auffälligkeiten auf. Die Prävalenz liegt zwischen 1:8.000 und 1:7001. Betroffen sein können sowohl die Milch- als auch die bleibenden Zähne. Neben der charakteristischen Veränderung des Schmelzes bestehen Assoziationen mit Hypodontie2–8, Taurodontie3–7,9,10 und Pulpakalzifikation4–6. Weitere assoziierte Befunde sind Kronen- und Wurzelresoprtion3–6,8, offener Biss (dental und skeletal)6,11 und Gingivahyperplasie5,8. Auch Durchbruchstörungen in Verbindung mit Kronenresorptionen werden bei Amelogenesis imperfecta beobachtet8.

Da der Zahnschmelz ektodermalen Ursprungs ist, kommt Amelogenesis imperfecta auch als Symptom anderer die ektodermalen Strukturen, wie Haut, Haare, Nägel und Teile des Auges, betreffender Störungen vor12,13 In einigen Fallberichten wird zudem von Verfärbungen der Haare und Augen, Fotophobie und Taubheit berichtet14. Die Resorption der Krone ist eine mögliche Komplikation bei retinierten Zähnen. Ein über eine lange Zeit im Knochen eingeschlossener Zahn neigt dazu, resorbiert zu werden15. Histologisch findet die Resorption mehr am Schmelz als im Bereich der Wurzeloberfläche und Schmelzzementgrenze statt16. Studien haben gezeigt, dass die Schmelzresorption retinierter Eckzähne eine direkte Verbindung zwischen Schmelz und Bindegewebe schafft. Langfristig wird der Schmelz dann durch unregelmäßigen Knochen ersetzt17–19.

In den vergangenen Jahren konnten mit Implantatversorgungen auch in Fällen von fortgeschrittener Atrophie des Oberkiefers immer bessere Erfolge erzielt werden20,21. Bei Patienten mit sehr schwerer Atrophie bleiben die geringe Alveolarknochenhöhe und -breite dennoch eine chirurgische Herausforderung22. Die hier infrage kommenden Maßnahmen sind ausführlich untersucht worden. Zu den bekanntesten Techniken zählen die Alveolarkamm- und Sinusbodenaugmentation20,21. Eine weitere der vielen in der Fachliteratur vorgeschlagenen Behandlungsoptionen zur Rehabilitation dieser Patienten sind angulierte, in das Jochbein inserierte Implantate (Zygoma-Implantate)22,23.

Im Folgenden werden zwei Fälle von Implantat­rehabilitationen unter Verwendung von Zygoma­Implantaten bei erwachsenen Patienten mit multiplen retinierten Zähnen und umfangreicher Kronenresorption dieser Zähne gezeigt.

Fall 1

Ein 30-jähriger Patient wurde mit dem Wunsch nach einer prothetischen Versorgung an unsere Klinik überwiesen. Die Anamnese ergab keine Hinweise auf eine systemische Erkrankung. Haare, Haut und Nägel waren normal entwickelt. Die klinische und röntgenologische Untersuchung zeigte, dass eine größere Zahl der Zähne fehlte oder retiniert war (Abb. 1 und 2). Nach Aussage des Patienten lag eine vergleichbare Zahnproblematik bei anderen Familienmitgliedern nicht vor. Vor der Überweisung an unsere Praxis hatte er eine andere Universitätszahnklinik zur Behandlung aufgesucht, wo einige der retinierten Zähne entfernt worden waren.

Er hatte die Behandlung abgebrochen, als ihm mitgeteilt worden war, dass er am Ende der Behandlung keinen festsitzenden Zahnersatz erhalten könnte (Abb. 3). Nach Abschluss aller Untersuchungen wurden zwei Zygoma- und zwei Standardimplantate im Oberkiefer inseriert (Abb. 4 und 5). Nach der Operation wurden Abformungen durchgeführt und am nächsten Tag erfolgte die Sofortbelastung mit einer verschraubten Immediatprothese (Abb. 6).

Fall 2

Eine 35-jährige Patientin erschien mit Schmerzen und Lockerung ihrer vorhandenen Kronen und Brücken in unserer Praxis. Sie wies keine systemische Erkrankung auf und hatte normale Haare, Haut und Fingernägel. Intraoral ­fanden sich festsitzender Zahnersatz und gesundes Weichgewebe im Ober- und Unterkiefer (Abb. 7).

Eine Panoramaschichtaufnahme und eine digitale Volumentomografie (DVT) zeigten insgesamt 11 Zähne mit Durchbruchstörung in beiden Kiefern. Auf den Röntgenbildern waren Kronenresorptionen der retinierten Zähne zu erkennen, die zudem erweiterte Pulpakammern (Taurodontie) aufwiesen (Abb. 8 und 9).

Die von der ­Patientin beklagte Lockerung war die Folge parodontaler Resorptionen an den Pfeilerzähnen der fest­sitzenden Versorgungen im Oberkiefer. Um die Patientin kurzfristig mit einer festsitzenden Restauration versorgen zu können, wurden eine auf Zyogoma-Implantaten verankerte Prothese und die Extraktion aller gelockerten Zähne geplant (Abb. 10 und 11). Nach Insertion von zwei Zygoma- und zwei Standardimplantaten wurde eine festsitzende Immediatversorgung eingegliedert (Abb. 12).

Prä-, peri- und postoperative Maßnahmen − Fall 1 und 2

Die Implantatoperationen wurden unter Vollnarkose und Antibiotikaprophylaxe (Amoxicillin/­Clavulansäure 2 Gramm [g]) durchgeführt.

Nach der Kontrolle der Okklusion der Interims­prothesen und Verschreibung der postoperativen Medikation wurden die Patienten entlassen. Angeordnet wurden ein Antibiotikum (Amoxicillin/Clavulansäure 1 g), ein Analgetikum (Filurbiprofen 100 Milligramm) und eine Mundspülung (Chlor­hexidin-Digluconat 0,2 Prozent) jeweils alle zwölf Stunden während der ersten sieben Tage postoperativ. Für den ersten Monat wurde weiche bis flüssige Nahrung empfohlen.

Bei wöchentlichen Kontrollterminen während des ersten Monats wurde auf Entzündungszeichen geachtet und die Funktion des Zahnersatzes getestet (Tab. 1). Es folgten monatliche Kontrollen für sechs Monate, an die sich halbjährliche Kontrollen während der folgenden zwei Jahre anschlossen. Im Rahmen der postoperativen Kontrollen wurden die Patienten auf Mukositis und Periimplantitis, Rissbildungen und Frakturen im Zahnersatz sowie Schraubenlockerungen untersucht, aber keine dieser Komplikationen wurde beobachtet (Tab. 2).

Außerdem wurden während der Kontrolltermine mit einer WHO-Parodontalsonde die periimplantären Sondierungstiefen gemessen. Die gemessenen Werte sind in Tabelle 3 aufgelistet.

Der postoperative Schmerz wurde mithilfe einer visuellen Analogskala (VAS) von 0 bis 10 (0: kein Schmerz, 10: größtmöglicher Schmerz) bewertet24. Die entsprechenden Schmerz-Scores sind in Tabelle 4 wiedergegeben.

Die Schwellung wurde mit der Methode von Amin und Laskin bewertet25. Hierzu wurden die Abstände Tragus – Pogonion, Tragus – Mundwinkel sowie lateraler Augenwinkel – Unterkieferwinkel gemessen (Abb. 13). Zur Quantifikation der Schwellung wurde die Summe dieser drei Distanzen gebildet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 5 zusammengefasst.

Auch die Rötung der Mukosa wurde beobachtet, wozu von demselben Behandler mit derselben Kameraausrüstung (Kamera: Canon EOS 700D, Objektiv: Canon Macro Lens EF 100 mm, 1:2.8 L IS USM, Fa. Canon, Tokio, Japan) aufgenommene Fotografien verglichen wurden. Die Prüfung auf eine Zunahme der Rötung erfolgte mit einer Bildbearbeitungssoftware (Photoshop 23.0.1, Fa. Adobe, San José, CA, USA).

Den Patienten wurden logopädische Übungen angeboten.

Diskussion

Für Zahnentwicklungsstörungen, wie Taurodontie, Hypodontie, Durchbruchstörungen, Wurzel- und Kronenresorption sowie Wurzelfehlbildungen, wird in der Literatur von einem Zusammenhang mit Amelogenesis imperfecta berichtet26–29. Im Jahr 1999 fanden Collins et al. signifikant mehr Kronenresorptionen bei Patienten mit Amelogenesis imperfecta als in einer Kontrollgruppe3. Die beiden hier gezeigten Fälle waren durch schwere Kronenresorptionen, Retention von Zähnen und Taurodontie gekennzeichnet. Die Befunde lassen in beiden Fällen an Amelogenesis imperfecta denken. Allerdings sind Kronenresorptionen und Retentionen bei einer so großen Zahl von Zähnen selten. In älteren Berichten betraf die Kronenresorption vor dem Durchbruch Oberkiefer-Eckzähne sowie untere Molaren und Eckzähne15,30–32 und die Defekte waren normalerweise eher klein und an nicht mehr als zwei Zähnen pro Patient präsent32,33. In einem Bericht von Peters at al. beschränkten sich Durchbruchstörung und Kronenresorption auf die zweiten und dritten Molaren aller Quadranten34.

Die Behandlung von Patienten mit Amelogenesis imperfecta variiert je nach dem klinischen Erscheinungsbild der Krankheit. Normalerweise wird eine der folgenden Optionen gewählt:

  • chirurgisch unterstützte Extrusion der retinierten Zähne und restaurative Versorgung,
  • an den vorhandenen Zähnen verankerte Teilprothese,
  • Extraktion und herausnehmbare Totalprothese,
  • Kronen beziehungsweise Brücken,
  • implantatgetragene Versorgung.

Allerdings ist es häufig schwierig, bei Amelogenesis-imperfecta-Patienten zufriedenstellende Behandlungsergebnisse zu erzielen35.

Die zahnmedizinische Behandlung von Patienten mit Amelogenesis imperfecta beginnt mit einer Bewertung der vorhandenen Zähne. Ist die Prognose gut, werden die Zähne konservierend restauriert. Je nach Prognose des Zahns kommt neben der restaurativen Behandlung auch eine implantatgetragene Versorgung in Betracht36.

Fälle mit Atrophie des Oberkiefers haben in der Implantologie besondere Bedeutung. Hier wurden Optionen wie die Sinusbodenaugmentation und Inlay- oder Onlay-Transplantate vorgeschlagen. Im Jahr 1997 führte Brånemark bei Patienten mit schweren Knochendefekten die Insertion von Zygoma-Implantaten ein. Mit einer Erfolgsrate von 96 Prozent nach zehn Jahren erwies sich die Technik als gute Alternative für Fälle mit maxillärer Atrophie30. In den letzten Jahren haben Zygoma-Implantate stark an Popularität gewonnen, da sie umfangreiche Knochentransplantationen überflüssig machen und zu geringeren Kosten nach kürzeren Behandlungszeiten rasche Resultate ermöglichen. Transplantationsmaßnahmen erhöhen die Zahl operativer Eingriffe und die Behandlungsdauer. Mit Zygoma-Implantaten ist eine Sofortbelastung durch eine Interimsversorgung möglich, sodass eine schnelle Korrektur der Kieferrelation und der Ästhetik erreicht wird37.

Trotz der berichteten Erfolge kann die ­Technik mit einer Vielzahl verschiedener Komplikationen, wie oronasalen Fisteln, chronischer Sinusitis und Verletzungen der Orbita, und einer ungünstigen Spannungsverteilung um Implantate einhergehen. Um Komplikationen zu vermeiden, sollte der Operateur über solide anatomische Kenntnisse, gute chirurgische Fähigkeiten beziehungsweise ausreichend Erfahrungen mit der Technik verfügen38–41.

In den vergangenen Jahren haben sich die chirurgischen und prothetischen Ansätze in der Implantattherapie dank technologischer Fortschritte bei den Implantaten und einem vertieften Verständnis der Knochenbiologie weiterentwickelt. Früh- und Sofortbelastungsprotokolle ermöglichen eine Verkürzung der Gesamtdauer der Behandlung und die Berücksichtigung der funktionellen und ästhetischen Bedürfnisse der Patienten während der Heilungsphasen42.

Die Literatur bietet nur wenige Informationen zur Früh- und Sofortbelastung bei Schmelz- und Dentinfehlbildungen. Zur Anwendung der Sofortbelastung bei Amelogenesis imperfecta konnte der Autor überhaupt keine Studien finden. Weitere Forschungsarbeiten und Publikationen zu diesem Thema sind wünschenswert.

Ein Beitrag von Dr. Muzaffer Aslan, Istanbul

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Implantologie

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