Mit dem 2. Peers Hybrid-Kongress Mitte März 2021 zum Thema Augmentation griff Dentsply Sirona ein hochaktuelles Thema auf, setzt doch der langzeitstabile implantatprothetische Erfolg in vielen Fällen eine Rekonstruktion verloren gegangener hart- und weichgewebiger Strukturen voraus. Rund 230 Zahnärztinnen und Zahnärzte hatten sich eingeloggt. Per „Mentimeter“-App konnten sie zu verschiedenen Fragestellungen abstimmen. Renommierte Referenten präsentierten aktuelle Studien, plauderten aus dem Nähkästchen und gaben wertvolle Hinweise und Tipps, die sich in die tägliche Praxis umsetzen lassen.
Live aus der White School bei Bonn
Live aus der White School, dem Fortbildungszentrum von Dipl.-ZT Olaf van Iperen in Wachtberg bei Bonn präsentierte Dentsply Sirona am 20. März hochkarätige Kurzvorträge. Der Bogen spannte sich vom Augmentieren mit autogenem Knochen über die Verfahren und deren Evidenzen im Weichgewebemanagement bis zur Darstellung zahntechnischer Lösungen als „Rettungsanker“ im Rahmen von Implantationen. Im anschließenden Hands-on-Workshop wurden anhand von Modellen dezidiert die Naht- und Schnitttechniken der gängigen Weichgewebsverfahren gezeigt.
Knochenkerne, -blöcke, -schalen
Ist ein Knochenaufbau notwendig, hat ein Behandler mehrere Optionen. Prof. Dr. Fouad Khoury zeigte anhand exemplarischer Fälle die schier unbegrenzten Möglichkeiten, mit autogenem Knochen alle Arten von Knochendefekten, unabhängig von der Defektgröße oder der Regenerationsqualität des Empfängerlagers, zu behandeln. So eigne sich zur Rekonstruktion kleiner Knochendefekte die „Carotta“-Technik mit ihrem während der Implantatbettaufbereitung mit einem Trepanbohrer gewonnenen autogenen Knochenkern. Das sei eine einfache und sichere Methode. Größere Defekte lassen sich mit Knochenblöcken rekonstruieren, intraoral entnommen aus der Mandibula oder der Maxilla. In Schalen geteilt, auf Distanz gesetzt und mit Knochenchips aufgefüllt, lassen sich so ganze Kieferabschnitte vertikal augmentieren. Auch im Seitenzahnbereich des Unterkiefers mit seinem lingual dünnen Weichgewebe kann mit tunnelierend eingebrachten Knochenschalen in Kombination mit einer Vestibulumplastik aufgebaut werden. Intraoral gewonnene Knochentransplantate seien daher nach wie vor der Goldstandard für Osteogenese, Osteokonduktion und Osteoinduktion. Allergische oder Immunreaktionen sowie eine Infektionsübertragung seien nicht zu befürchten und zudem entstünden keine zusätzlichen Kosten für Knochenersatzmaterialien. Ausschlaggebend für den augmentativen Erfolg jedoch sei eine hohe Vaskularisierungsrate im Lagerbereich des Transplantats: „Die Regeneration kommt hauptsächlich aus dem Lager. Revaskularisierung ist das Wichtigste.“
„Parallel denken“
Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas fokussierte unter Bezug auf die aktuelle Studienlage auf das Weichgewebe als Schlüsselfaktor für den Behandlungserfolg. Die Faktoren Weichgewebe, Knochen und Implantatpositionierung müsse man als „New Basics“ parallel in ihren Wechselwirkungen denken, um eine ausreichende Versorgung und langfristige Stabilität des Weichgewebes und damit auch des Hartgewebes sicherzustellen. Damit wird der präventive Schutz des lokalen Weichgewebes zum zentralen Punkt, um Rezessionen zu vermeiden. So könne insbesondere bei Vorliegen eines dünnen Gingiva-Typs eine ungünstige vertikale Positionierung Rezessionen nach sich ziehen, ein Risiko, das sich, so die GAST-Multicenter-Studie zum Astra Tech Implant Profile der Universität Mainz, über ein entsprechendes Implantatsdesign minimieren ließe. Ebenso führe eine Positionierung außerhalb des Bony Envelopes zu unzureichend dünner Bedeckung. Zudem könne bei dünnerem Phänotyp die Biologische Breite nach apikal wandern, während bei dickem Weichgewebe der Knochen und damit die Biologische Breite stabiler bliebe. Die optimale Stärke des Weichgewebes liege bei 1,5 mm, besser 2 mm. Eine nach knöcherner Augmentation dafür oftmals notwendige Verdickung des Weichgewebes könne mit autologem BGT oder auch xenogenen Matrizes durchgeführt werden, wobei in kompromittierten Situationen autologes Gewebe zuverlässigere Ergebnisse erwarten ließe. Eine Freilegungsoperation in der Rolllappentechnik wiederum sei der Schlüssel für die Lage und Stabilität der periimplantären Mukosa, da dabei vor allem die Blutversorgung aufrechterhalten und das lokale Gewebe gestützt werde.
Die „zahntechnische Augmentation“
Anhand beeindruckender Fallbilder zeigte Dipl.-ZT Olaf van Iperen, was mit „Zahntechnischer Augmentation“ möglich ist, wenn sonstige Maßnahmen patientenspezifisch nicht möglich oder nicht erwünscht sind. Mit der CAD/CAM-Technologie und entsprechenden Hochleistungsanlagen seien vielfältige, exakt auf die jeweilige Patientensituation hin zugeschnittene Lösungen realisierbar. Hier seien vor allem die Verwendung indikationsspezifischer, biokompatibler Materialien, die standardisierte Präzision der Komponenten und nicht zuletzt die Flexibilität in der Fertigstellung zu nennen. Insbesondere die Versorgungsoptionen mit patientenindividuell gestalteten Abutments erlauben einen effektiven Workflow mit effizienten Lösungen. Zudem böten sie den Vorteil, dass mechanische Komplikationen, wie sie in der Vergangenheit immer wieder aufgetreten sind, deutlich reduziert würden. Grundlage des klinischen Erfolgs bleibe jedoch auch künftig die enge Kooperation aller Beteiligten mit einem Austausch über die Möglichkeiten und Limitationen der zahntechnischen Materialien und Konstruktionen.
Chirurgisches Einmaleins
PD Dr. Dr. Keyvan Sagheb und PD Dr. Dr. Eik Schiegnitz widmeten sich sehr anschaulich dem „Einmaleins der Weichgewebschirurgie“. Implantate mit einer dicken periimplantären Mukosa seien im Vergleich zu einer dünneren Weichgewebsqualität resistenter gegen mechanische Irritationen und Weichgewebsrezessionen. Zudem schütze eine dickere periimplantäre Mukosa vor marginalem Knochenverlust. Dies ließe sich mit einfachen, nichtsdestoweniger erprobten Techniken höchst effizient erreichen. Präoperativ seien das eine atraumatische Extraktion in Verbindung mit einer Avleolar Ridge Preservation (ARP) mit leukozyten- und thrombozytenreicher Fibrinmatrix (I-PRF). Entscheidend für den optimalen Erhalt der Weichgewebsarchitektur seien die richtige, palatinale bzw. linguale Schnittführung unter Beachtung der Gefäßverläufe und eine distale Transpositionsplastik: „Die richtige Schnittführung ist, neben der richtigen Implantatpositionierung, der Heilige Gral.“ Als weitere Techniken erläuterten die beiden Referenten anhand von Grafiken und Fallbildern den einfachen Rolllappen und den modifizierten palatinalen Rolllappen nach Sclar in Kombination mit einem freien Bindegewebstransplantat. Dabei sei ein Anzeichnen der vorgesehenen Schnittführung mit Schleimhautstiften sehr hilfreich. Eine befestigte und keratinisierte Gingiva wiederum ließe sich periimplantär mit einer Vestibulumplastik optimal wiederherstellen. Dabei kann der Behandler unter vier Varianten wählen: eine Vestibulumplastik ohne, mit lokalem, mit freiem oder mit artifiziellem Schleimhauttransplantat, abgedeckt mit einer Kollagenmembran. Bei der Entnahme eines freien Schleimhauttransplantats vom Gaumen sei insbesondere auf die Lage der Arteria palatina major zu achten.
Schnitt- und Nahttechniken
In ihrem Workshop nach der Mittagspause zeigten die beiden Referenten anhand von Modellen das praktische Vorgehen der Schnitt- und Nahttechniken bei den zuvor vorgestellten Verfahren. Die zugeschalteten Teilnehmer erhielten dabei viele hilfreiche Tipps. So bestünde bei einem Rolllappen zwischen zwei Implantaten eine erhöhte Rezessionsgefahr, nicht aber bei einer einfachen Schaltlücke. Oder man sollte, um Farbunterschiede zu vermeiden, kein freies Schleimhauttransplantat (optimale Stärke: 1,5 mm) in die Umschlagfalte positionieren; in diesem Fall sei es besser, artifizielles Material wie für eine Vestibulumplastik mit dem Periost zu vernähen. Last but not least gab es den Tipp, bei der Entnahme eines palatinalen Lappens aus dem Gaumen eine Verbandsplatte (aus Tiefziehschienenmaterial) präoperativ herzustellen. Darunter könne nicht nur die Entnahmestelle ungestört abheilen; auch eine etwaige Verletzung der Arteria palatina major ließe sich damit gut verschließen.
Verständliche, spannende Präsentationen
Die bis zum Ende des Workshops durchgehend hohe Teilnehmerzahl und die vielfältigen Fragen belegte eindrücklich nicht nur die Relevanz der Themen, sondern gerade auch ihre verständliche und spannende Präsentation durch die Referenten. Ein Format, das Lust macht, weitere solche Fortbildungsangebote zu planen. Ein Teilnehmer gab die Rückmeldung: „Tolles Format, würde ich jederzeit einem Livekongress vorziehen“, ein anderer bestätigte dies: „Super! Für mich eine echte Alternative zu Präsenzveranstaltungen; auch in Zukunft, wenn diese dann wieder möglich sein werden.“ Ein weiteres Teilnehmer-Feedback: „Höchstes fachliches Niveau bei optimaler, charmanter Moderation und mega-guten Hands-on-Übungen und besten Praxistipps. Ein kurzweiliger und informativer Tag! Besser ging nicht.“ Solche zahlreichen und überaus positiven Rückmeldungen sind für Dr. Schiegnitz im Namen des gesamten Teams dennoch „immer Motivation, beim nächsten Mal noch eine Schippe drauf zu setzen.“ Weitere Infos zum Expertennetzwerk Peers gibt es unter www.dentsplysirona.com/peers.
Live aus der White School, dem Fortbildungszentrum von Dipl.-ZT Olaf van Iperen in Wachtberg bei Bonn, wurden beim 2. Peers Hybrid-Kongress am 20. März die hochkarätigen Vorträge übertragen.