Die CAD/CAM-Fertigung von Stegkonstruktionen zur Verankerung oder Retention von Unterkieferdeckprothesen auf 2 bis 4 Implantaten hat in den vergangenen 10 Jahren zunehmend Verbreitung gefunden. Die Anwendung derartiger Konstruktionen aus Titan- oder Kobalt-Chrom-Legierungen ist mittlerweile durch mehrere klinische Studien mit einer Beobachtungszeit von bis zu 7 Jahren abgesichert. Durch die CAD/CAM-Fertigung lässt sich eine Reduktion technischer Komplikationen nachweisen. PD Dr. Sven Rinke et al. zeigen in ihrem Beitrag für die Implantologie 1/21 den derzeitigen State of the Art an drei klinischen Fallbeispielen und einer Literaturübersicht. Die Autoren geben dabei zu bedenken, dass vor allem die Herstellerempfehlungen hinsichtlich der maximalen Länge von Extensionen berücksichtigt werden müssen, um Frakturen zu vermeiden. Zum langfristigen Funktionserhalt ist die ausreichende Retention der Deckprothese durch die Einbeziehung aktivierbarer oder einfach austauschbarer Retentionselemente zu empfehlen. Bei der Indikationsstellung und Ausführung von Stegkonstruktionen ist zur Vermeidung periimplantärer Entzündungsprozesse eine ausreichende Zugänglichkeit für Maßnahmen der häuslichen Mundhygiene sicherzustellen.
In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Einleitung
Implantatverankerte und implantatretinierte Deckprothesen sind eine weit verbreitete und wissenschaftlich anerkannte Therapieoption, insbesondere zur Versorgung des zahnlosen Unterkiefers. Eine Reihe klinischer Studien dokumentiert den klinischen Langzeiterfolg mit Beobachtungszeiten von mehr als 10 Jahren1. Aktuelle systematische Übersichtsarbeiten kommen übereinstimmend zu der Schlussfolgerung, dass implantatverankerter und implantatretinierter herausnehmbarer Zahnersatz im zahnlosen Unterkiefer im Vergleich zur Versorgung mit konventionellen Totalprothesen zu einer signifikant verbesserten Kaufunktion sowie einer höheren Patientenzufriedenheit und mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität führen2–6. Die Überlebensrate von Implantatpfeilern bei Deckprothesen scheint im Unterkiefer höher zu sein als im Oberkiefer7.
Die Verankerung des herausnehmbaren Zahnersatzes kann im Unterkiefer über 1 bis 4 (im Einzelfall auch mehr) Implantate erfolgen, wobei die Datenlage zu 2 und vor allem 4 Implantaten verlässliche Schlussfolgerungen für die klinische Anwendung zulässt7. Die reine Anzahl der verwendeten Implantate scheint dabei auf Basis der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeiten und Metanalysen keinen relevanten Risikofaktor für die erzielbaren Implantatüberlebensraten darzustellen. Unabhängig von der Anzahl der verwendeten Implantate lässt sich in jedem Fall eine signifikante Verbesserung der Kaufunktion, der Patientenzufriedenheit und der Lebensqualität im Vergleich zu einer Versorgung mit konventionellen Totalprothesen erzielen. Alquataibi et al. konnten im Rahmen einer systematischen Literaturübersicht bei Unterkieferdeckprothesen, die auf 1 oder 2 Implantaten verankert waren, nach einer Beobachtungszeit von 5 Jahren keinen Unterschied in der Überlebensrate der Implantate und der prothetischen Gesamtkonstruktion feststellen8. Weiterhin konnte bei der Verwendung von 2 bis 4 Implantaten gezeigt werden, dass die Art der Verblockung der Implantate oder die Auswahl der Verankerungselemente (Stege, Locatoren, Kugelkopf, Magnete) keinen Einfluss auf den periimplantären Knochenabbau oder auf das Risiko des Implantatverlustes hatten9.
Biologische und technische Komplikationen
Kontrovers wird allerdings der Einfluss der verwendeten Verankerungselemente auf den prothetischen Langzeiterfolg diskutiert8. Während der Funktionsphase einer implantatverankerten oder implantatretinierten Deckprothese sind grundsätzlich zwei Arten von Komplikationen zu erwarten10,11: Zum einem sind dies biologische Komplikationen in Form von Entzündungen der periimplantären Hart- und Weichgewebe (Mukositis und/oder Periimplantitis). Die Häufigkeit und Schwere dieser Komplikationen kann unter anderem durch die Hygienefähigkeit der Suprakonstruktion bestimmt werden. Zum anderen kann es zu technischen Komplikationen in Form von Materialfrakturen oder Verschleiß der Verankerungselemente oder der Deckprothese (Prothesenbasis, Prothesenzähne) kommen. Ebenso stellen Schraubenlockerungen oder -brüche eine häufig beschriebene Komplikation dar10,11.
Assaf et al. evaluierten in einem systematischen Review mit Auswertung von 33 Studien den Einfluss der Konstruktionsart der Deckprothesen und der verwendeten Verankerungselemente auf die Überlebens- und Erfolgsraten implantatgestützter und verankerter Unterkieferdeckprothesen12. Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass unabhängig von den verwendeten Verankerungselementen regelmäßig technische Komplikationen während der Funktionsphase auftraten12. Diese Information ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis. Da technische Komplikationen bei implantatgetragenen Deckprothesen grundsätzlich nicht zu vermeiden sind, ist der Patient vor Beginn der Therapie darüber aufzuklären, dass solche Komplikationen klinische und zahntechnische Korrekturmaßnahmen erfordern und auch bereits nach vergleichsweise kurzer Funktionsphase auftreten können.
In diesem Zusammenhang sollte insbesondere über die Häufigkeit und den Umfang der zu erwartenden Komplikationen wie Verschleiß der Retentionselemente und/oder Fraktur von Prothesenzähnen und der Prothesenbasis aufgeklärt werden1,10–12.
Mit einer hohen Evidenz ließ sich im Rahmen dieses Reviews nachweisen, dass bei implantatverankerten und -retinierten Deckprothesen das Risiko von Frakturen des abnehmbaren Zahnersatzes durch die Verwendung einer Metallverstärkung reduziert werden kann. Die Anfertigung eines verstärkenden Metallgerüstes ist bei der Herstellung implantatgetragener Deckprothesen also grundsätzlich zu empfehlen12.
Auf der Basis der verfügbaren klinischen Daten lässt sich nicht abschließend klären, welches Verankerungselement bevorzugt werden sollte. Die Auswahl der geeigneten Verankerungselemente muss also fallbezogen unter Berücksichtigung der relevanten klinischen Kriterien (zum Beispiel Anzahl, Verteilung und Ausrichtung der Implantate, vertikales Platzangebot, Gegenkieferbezahnung, finanzielle Aspekte etc.) erfolgen1,10,12.
In Bezug auf die Verwendung von Stegverankerungen lassen sich aus der Literatur die folgenden Erkenntnisse ableiten: Hinsichtlich der Häufigkeit prothetischer Komplikationen zeigte sich bei Verwendung von Steggeschieben auf 4 Implantaten (mit starrer Lagerung) in mehreren Studien eine signifikante Reduktion der prothetischen Komplikationen im Vergleich zu solitären Verankerungselementen (bewegliche Lagerung). Ebenso konnte beim Vergleich von Rundstegen und parallelwandigen Stegen eine reduzierte Komplikationsrate für Steggeschiebekonstruktionen festgestellt werden1,12.
Traditionell erfolgt die Fertigung von Stegkonstruktionen mit gusstechnischen Verfahren oder durch die Fügung industriell präfabrizierter Komponenten aus Edelmetalllegierungen (Abb. 1). Mögliche technische Komplikationen können durch Gussporositäten und Verzüge entstehen, die einerseits das Risiko des mechanischen Versagens erhöhen und andererseits zu einer reduzierten Passung führen (Abb. 2).
Bei der Herstellung mittels präfabrizierter Komponenten ist die Fügezone der Risikobereich für ein mechanisches Versagen. Lötstellen oder Schweißnähte im Bereich von Extensionen sind einem erhöhten Risiko für einen Bruch ausgesetzt13.
Sowohl der hohe Preis dentaler Edelmetalllegierungen als auch die möglichen technischen Komplikationen stellen somit eine Limitation der traditionellen Fertigungsverfahren für Stegkonstruktionen dar. Nichtedelmetall-Legierungen und Titan(-Legierungen) kamen aufgrund der inadäquaten Passungen im Gussverfahren nur selten zur Anwendung. Bereits vor mehr als 15 Jahren wurde als Alternative die Möglichkeit der CAD/CAM-gestützten Fertigung von Suprakonstruktionen aus biokompatiblen Werkstoffen mit ausreichender mechanischer Festigkeit, wie zum Beispiel Reintitan oder einer Cobalt-Chrom-Legierung, beschrieben14,15. Wichtige Vorteile dieser Technik sind der deutlich reduzierte Materialpreis dieser Werkstoffe und die Tatsache, dass die Restauration aus einem industriell präfabrizierten Material (porenfrei) gefräst wird und keine Fügetechniken angewendet werden müssen13. Mittlerweile konnte in mehreren Untersuchungen gezeigt werden, dass die CAD/CAM-Technologie zu einer höheren Präzision und Passgenauigkeit (im Sinne des „passive fit“) im Vergleich zur gusstechnischen Fertigung führt16,17 (Abb. 3a bis d). Ferner konnte nachgewiesen werden, dass CAD/CAM-gefertigte Stegkonstruktionen mit einer hohen Oberflächengüte hergestellt werden können, die im Idealfall auch ohne manuelle Nachbearbeitung eine geringe Plaqueakkumulation gewährleistet18.
Schon vor mehr als 10 Jahren haben mehrere Hersteller die CAD/CAM-Fertigung von Stegkonstruktionen angeboten. Anfänglich mussten dabei sowohl die Datenerfassung und das Design als auch die frästechnische Umsetzung in einer zentralen Produktionsstätte erfolgen15 (Abb. 4a bis e). Mittlerweile sind marktübliche Laborscanner und Designsoftwares in der Lage, die Daten einer Stegkonstruktion zu erfassen und das Design zu fertigen. Entsprechend muss nur noch die frästechnische Verarbeitung in einem Fräszentrum umgesetzt werden. Dies führt insgesamt zu reduzierten Prozesszeiten19. Zudem führten technologische Weiterentwicklungen, wie zum Beispiel abgewinkelte Schraubenkanäle oder die CAD/CAM-gestützte Fertigung der Sekundärstruktur, Indikationserweiterungen20,21. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und einer zunehmenden Verbreitung dieser Technologie in der routinemäßigen Anwendung in Praxis und Labor rückt die Frage nach den verfügbaren klinischen Daten zur Bewährung derartiger Konstruktionen in den Fokus.
Literaturübersicht
Klinische Bewährung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen im Unterkiefer
Zur Identifizierung der verfügbaren klinischen Daten zu CAD/CAM-gefertigten Stegkonstruktionen wurde zunächst die Fragestellung entsprechend den PICO-Kriterien (Patients, Interventions, Comparison, Outcome) strukturiert:
- Patients: erwachsene Patienten mit zahnlosem Unterkiefer,
- Intervention: Versorgung mit implantatgetragenen Deckprothesen und Verankerung durch einen CAD/CAM-gefertigten Steg,
- Comparison: unterschiedliche Implantatanzahl und unterschiedliches Stegdesign,
- Outcome: Erfolgs- und Überlebensraten der prothetischen Suprakonstruktion.
Die systematische Literaturrecherche (Datum der Literatursuche: 12./13. September 2020) erfolgte in den Webportalen „PubMed“ und „Google Scholar“ unter der Verwendung der folgenden Suchbegriffe: implant* AND (overdenture or overlay denture) AND bar AND (mandible or mandibular). Es konnten 463 Quellen identifiziert werden. Nach einer Eingrenzung der Suche auf ein Publikationsdatum von 2010 bis 2020 konnten die verbliebenen 213 Artikel zunächst auf Basis der Zusammenfassung bewertet werden. 29 klinische Studien wurden für eine Bewertung im Volltextformat herangezogen. In diesem Prozess konnten 7 klinische Studien identifiziert werden, die die klinische Anwendung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen zur Verankerung von Deckprothesen im zahnlosen Unterkiefer dokumentierten.
Die relevanten Kernaussagen und klinischen Schlussfolgerungen dieser Studien werden nachfolgend dargestellt:
In einer vergleichenden Studie wurden 101 mit CAD/CAM-Stegen versorgte Patienten und 112 Patienten, die mit Goldstegen aus präfabrizierten Elementen auf jeweils 4 Implantaten im Unterkiefer versorgt wurden, nachuntersucht22. Nach einer Beobachtungszeit von 3 bis 4 Jahren zeigten sich bei den CAD/CAM-gefertigten Stegen signifikant weniger Frakturen von Extensionen. Bei den Goldstegen kam es bei 13 Prozent der Restaurationen zu Frakturen der Stegmatrizen, bei den CAD/CAM-gefertigten Titanstegen war dies nur bei 1 Prozent der Fall. Zudem mussten die Matrizen bei den Goldstegen 2,4-mal häufiger aktiviert werden als bei den Titanstegen. Frakturen der Prothesenbasis oder der Prothesenzähne traten unabhängig von der verwendeten Stegkonstruktion in beiden Gruppen vergleichbar häufig auf. In dieser Studie konnte somit belegt werden, dass die bekannten technischen Komplikationen durch die CAD/CAM-Fertigung von Stegen reduziert werden können22.
Pozzi et al. berichten in einer prospektiven Studie mit 18 Patienten über die klinische Bewährung von Deckprothesen, die mit einem CAD/CAM-gefertigten Steg auf 4 Implantaten verankert wurden23. Im Unter- beziehungsweise Oberkiefer wurden jeweils 9 Stegversorgungen eingegliedert. Die Retention der Deckprothese erfolgte durch zusätzliche Locator-Attachments und Retentionsrillen. Während der einjährigen Beobachtungsdauer traten keine biologischen oder technischen Komplikationen auf, bei allen Patienten wurde eine signifikante Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität festgestellt23.
Ayna et al. untersuchten in einer retrospektiven Studie 32 Patienten, die nach dem „All-on-Four“-Konzept mit metallkeramischen Brücken oder stegverankerten Deckprothesen im Unterkiefer versorgt wurden24. 16 Patienten wurden mit einer CAD/CAM-gefertigten Stegkonstruktion versorgt, die maximale Beobachtungszeit betrug 7 Jahre. Im Verlaufe der klinischen Beobachtungsphase zeigte sich bei den stegverankerten Deckprothesen im Vergleich mit den metallkeramischen Brücken eine verstärkte Plaqueakkumulation. Es konnten jedoch keine Unterschiede im periimplantären Knochenverlust und der Patientenzufriedenheit nachgewiesen werden. Technische Komplikationen traten in der Gruppe der stegverankerten Deckprothesen mit Ausnahme einer generellen Abrasion der Prothesenzähne nicht auf24.
In einer retrospektiven Multicenter-Studie wurden 194 Patienten nachuntersucht, die mit implantatverankerten Deckprothesen versorgt worden waren25. 83 Patienten erhielten Deckprothesen, die auf Stegen verankert waren. 29 der inserierten Stegkonstruktionen waren CAD/CAM-gefertigt. 54 Stegkonstruktionen wurden gusstechnisch aus einer Cobalt-Chrom-Legierung hergestellt. Die übrigen 11 Patienten wurden mit solitären Elementen zur Verankerung der Deckprothese versorgt. In dieser Studie zeigten die Stegkonstruktionen bei einer Beobachtungszeit von 1 bis 7 Jahren signifikant weniger prothetische Komplikationen als die solitären Verankerungselemente25.
Im Rahmen einer prospektiven Studie wurden 40 Patienten mit CAD/CAM-gefertigten Stegen versorgt26. 25 Patienten erhielten Stegversorgungen im Unterkiefer. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 2 Jahren betrug die Überlebensrate für Implantatpfeiler und Suprakonstruktionen jeweils 100 Prozent. Es wurden keine Brüche von Stegextensionen festgestellt (mittlere Länge der Extension: 8,5 mm). Bei 3 Patienten wurden prothetische Komplikationen beobachtet, in 2 Fällen trat eine Schraubenlockerung auf und in einem weiteren Fall kam es zu einer reduzierten Retention der Deckprothese, die einen Austausch der Retentionselemente erforderlich machte. Es wurde zusätzlich eine signifikante Verbesserung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität nachgewiesen26.
Der Einsatz CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen im Rahmen einer Sofortbelastung von 4 Unterkieferimplantaten wurde in einer prospektiven Studie mit 36 Patienten untersucht27. Im Rahmen der Studie wurden jeweils 18 Patienten mit sofortbelasteten stegverankerten Deckprothesen oder festsitzenden Brückenkonstruktionen versorgt. Nach einer Beobachtungszeit von 1 Jahr zeigten sich zwischen den beiden Untersuchungsgruppen keine Unterschiede im periimplantären Knochenverlust. Bei den festsitzenden Brücken konnte allerdings eine höhere Plaqueakkumulation festgestellt werden als bei den stegverankerten Deckprothesen. Im Rahmen dieser Studie zeigten sich keine technischen Komplikationen der CAD/CAM-gefertigten Stegkonstruktionen27.
In einer weiteren randomisierten prospektiven Studie wurden Patienten untersucht, die mit einem gefrästen Steg mit ausgeprägten Extensionen auf 2 interforaminalen Implantaten versorgt wurden28. Als Vergleichsgruppe dienten Deckprothesen, die mit Kugelkopfankern versorgt wurden. Obwohl die distalen Extensionen mit einer mittleren Länge von 15 mm außerhalb der Herstellerempfehlungen lagen, traten bei einer mittleren Beobachtungszeit von 12 Monaten keine Frakturen im Stegbereich auf. Aufgrund der sehr kurzen Beobachtungszeit können derartig ausgedehnte Extensionen derzeit noch nicht für die generelle Anwendung empfohlen werden28.
Aus der zur Verfügung stehenden Literatur wird ersichtlich, dass die klinische Anwendung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen zur Abstützung/Verankerung von Unterkieferdeckprothesen auf in der Regel 2 bis 4 Implantaten erfolgt. Dies ist in mehreren Studien mit Beobachtungszeiten von bis zu 7 Jahren dokumentiert22–28. Insgesamt zeigen die vorliegenden klinischen Daten, dass derartige Konstruktionen eine vergleichsweise geringe technische Komplikationsquote aufweisen. Insbesondere im Vergleich zu konventionell gefertigten Stegkonstruktionen (Edelmetallstege aus präfabrizierten Komponenten) konnte eine signifikante Reduktion der technischen Komplikationen festgestellt werden22,24,25.
Werden Stegkonstruktionen als Elemente der starren Lagerung verwendet, sollte die Länge der distalen Extension entsprechend den Herstellerempfehlungen begrenzt werden (< 10 mm). Zudem sollten derartige Konstruktionen auf 2 Implantaten nur genutzt werden, wenn im zahnlosen Oberkiefer die Versorgung mit einer konventionellen Totalprothese erfolgt22,24,25.
Mehrere Studien berichten, dass bei Stegkonstruktionen eine Tendenz zu einer stärkeren entzündlichen Veränderung der periimplantären Weichgewebe festgestellt wurde (Abb. 5a bis d).
Dies zeigt noch einmal, wie wichtig es ist, die Stegkonstruktionen so zu gestalten, dass eine gute Zugänglichkeit der Implantate bei der häuslichen Mundhygiene gewährleistet ist. Ein damit verbundenes erhöhtes Risiko für periimplantäre Destruktionen gegenüber solitären Verankerungselementen lässt sich wissenschaftlich aber (bisher) nicht ableiten23–25. Entsprechend sind eine kurzfristige Kontrolle und gegebenenfalls eine Remotivation und Reinstruktion des Patienten zur häuslichen Mundhygiene oder aber auch eine Modifikation der Suprakonstruktion erforderlich.
Nachfolgend sollen anhand von 3 Fallbeispielen typische klinische Anwendungssituationen für stegverankerte Deckprothesen aufgezeigt werden.
Fallbeispiel 1
Steggeschiebe auf 4 interforaminalen Implantaten mit galvanisch geformter Sekundärstruktur
Weit verbreitet ist die Kombination aus CAD/CAM-Fertigung des Stegs und Herstellung einer direkt aufgalvanisierten Sekundärstruktur, die in eine Tertiärstruktur aus einer Cobalt-Chrom-Legierung eingeklebt wird (Abb. 6a bis c).
Die Kombination der galvanisch geformten Sekundärstruktur mit einem aktiven Haltelement ist routinemäßig angezeigt. Zwar ist die initiale Retention durch die Galvanostruktur sehr gut, bei Beobachtungszeiten von mehr als 5 Jahren zeigen sich aber gehäuft Verschleißerscheinungen an der galvanisch geformten Struktur, die zu einer Reduktion des Prothesenhalts führen (Abb. 7).
Aktivierbare Halteelemente oder Halteelemente mit austauschbaren Retentionselementen sind daher für den langfristigen Funktionserhalt einzuplanen. Distal im Bereich der Stegextensionen angebrachte Halteelemente bieten im Gegensatz zu der häufig in der Literatur beschriebenen Anwendung von Locatoren den Vorteil, dass sie nicht zu einer Erhöhung des vertikalen Platzbedarfs führen und daher universell anwendbar sind.
Fallbeispiel 2
Komplett digitale Fertigung eines Steggeschiebes und der dazugehörigen Suprakonstruktion
Mit der zunehmenden Weiterentwicklung der CAD/CAM-Technik ist auch die komplette Fertigung einer Stegkonstruktion und der dazugehörigen Sekundärstruktur im digitalen Workflow möglich. Sowohl die Stegkonstruktion als auch die Sekundärstruktur können zusammen auf Basis desselben Datensatzes konstruiert werden (Abb. 8a). Die Fertigung erfolgt dann für beide Elemente aus demselben Material (Titan oder Cobalt-Chrom-Legierung) (Abb. 8b bis d).
Hier ist zu berücksichtigen, dass die Verankerung nicht ausschließlich auf der Friktion zwischen Primär- und Sekundärstruktur beruhen sollte, sondern auch in diesem Fall aktive Halteelemente eingeplant werden sollten. Neben distalen Geschieben oder okklusalen Locatoren sind auch Riegelelemente geeignete Haltelemente. Diese Riegelelemente werden in einem separaten Arbeitsschritt in die gefräste Sekundärstruktur eingeschweißt (Abb. 8e bis f).
Bei dieser Versorgungsform sollte beachtet werden, dass der Patient über ausreichende manuelle Fertigkeiten verfügen muss, um das Riegelelement für eine Abnahme des Zahnersatzes zu lösen – ein Aspekt, der auch in die Versorgungsplanung einfließen sollte. Diesem potenziellen Nachteil steht ein erhöhter Tragekomfort entgegen, da eine versehentliche Lockerung des Zahnersatzes praktisch unmöglich ist (Abb. 8g).
Fallbeispiel 3
Steggeschiebe auf 2 interforaminalen Implantaten
Aufgrund einer weitreichenden Atrophie des Alveolarfortsatzes (Abb. 9a) und gleichzeitig begrenzter finanzieller Ressourcen der Patientin wurde im vorliegenden Fall als Versorgungskonzept eine starre Lagerung der Deckprothese auf 2 interforaminal in Regio der Eckzähne inserierten Implantaten gewählt (Abb. 9b).
Die Versorgung mit einem Steggeschiebe bietet gegenüber einem Steggelenk neben der starren Lagerung den Vorteil, dass der bogenförmige Verlauf den Zungenraum nicht einengt (Abb. 9c).
Für die langfristige Retentionssicherung erfolgt die Kombination einer galvanisch geformten Sekundärstruktur mit distalen aktiven Halteelementen (Preci-Vertix-Geschiebe, Alphadent NV) (Abb. 9d).
Derartige Versorgungen mit einer starren Verankerung auf 2 Implantaten sind bislang erst durch Kurzzeitergebnisse klinischer Studien abgesichert. Sie sollten daher nur bei sorgfältiger Indikationsstellung eingesetzt werden. Insbesondere sollten diese Versorgungen nur bei einem zahnlosen Oberkiefer durchgeführt werden, der mit einer konventionellen Totalprothese versorgt wurde.
Ferner ist darauf zu achten, dass die Zahnaufstellung nur bis zum ersten Molaren erfolgt (Abb. 9e).
Diskussion
CAD/CAM-gefertigte Stegsuprakonstruktionen haben sich in den vergangenen 10 Jahren zunehmend in klinischen Anwendungen etabliert. Ihre Sicherheit und Zuverlässigkeit ist durch mehrere klinische Studien mit Beobachtungszeiten von bis zu 7 Jahren dokumentiert22–28. In diesen Studien konnte die postulierte Reduktion der technischen Komplikationen bei CAD/CAM-gefertigten Konstruktionen im Vergleich zu konventionell gefertigten Stegen nachgewiesen werden22,24,26. Die klinischen Beobachtungen beruhen überwiegend auf Stegkonstruktionen, die aus Titan oder Cobalt-Chrom-Legierungen gefertigt wurden. Alternative Materialien für die Stegherstellung, wie zum Beispiel Zirkonoxidkeramiken oder Polyetheretherketon (PEEK), sind demgegenüber nur in klinischen Falldarstellungen dokumentiert und können daher für die routinemäßige Anwendung noch nicht uneingeschränkt empfohlen werden29,30.
Außerdem ist festzustellen, dass die Herstellung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen bislang in klinischen Studien ausschließlich auf Basis konventioneller Abformungen dokumentiert ist22–28. In einzelnen Fallberichten und In-vitro-Untersuchungen konnte eine grundsätzliche Eignung der digitalen Abformung für die Herstellung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen jedoch bereits gezeigt werden31–33. Auch für diesen Herstellungsweg kann allerdings noch keine generelle Empfehlung für eine routinemäßige Anwendung gegeben werden, da Daten aus systematischen klinischen Untersuchungen noch fehlen.
Technisch ist mit der CAD/CAM-Technik die Herstellung der Stegkonstruktionen direkt auf dem Implantat- oder dem Abutmentniveau möglich. Klinische Studien sind für beide Herstellungsarten verfügbar22–27. Generell erscheint eine Herstellung auch ohne die Verwendung von Abutments direkt auf dem Implantatniveau möglich, ohne dass ein erhöhtes Risiko für technische Komplikationen besteht22. Die Versorgung direkt auf dem Implantatniveau sollte jedoch nur erfolgen, wenn der Anschluss der Suprakonstruktion an eine maschinierte Implantatoberfläche erfolgt und die Implantatschulter nur geringfügig subgingival liegt, sodass noch eine klinische Passungskontrolle erfolgen kann. Insbesondere bei Implantaten mit konischen Verbindungen ist bei einer Versorgung auf Implantatniveau zu berücksichtigen, dass hier eine weitgehende Parallelität der Implantatachsen erforderlich ist, um die Versorgung zu ermöglichen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist bei CAD/CAM-gefertigten Stegkonstruktionen weiterhin die Versorgung auf dem Abutmentniveau zu bevorzugen13.
In klinischen Studien konnte zwar eine Reduktion der technischen Komplikationen bei CAD/CAM-gefertigten Stegkonstruktionen nachgewiesen werden, Komplikationen konnten jedoch nicht gänzlich vermieden werden. Sofern technische Komplikationen auftreten, sind diese insbesondere bei überlangen distalen Extensionen zu erwarten22,25. Unter diesem Gesichtspunkt ist in der praktischen Anwendung die maximale Länge einer Extension entsprechend den gängigen Herstellerempfehlungen auf 10 mm zu begrenzen34.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erscheint der Einsatz der CAD/CAM-Technik insbesondere für die Herstellung von Steggeschiebekonstruktionen auf 4 Implantaten im Unterkiefer sinnvoll. In dieser Indikation können die klassischerweise verwendeten Edelmetalllegierungen durch kostengünstigere, aber biokompatible und ausreichend belastbare Materialien wie Titan oder Cobalt-Chrom-Legierungen ersetzt werden. Die CAD/CAM-Technik ermöglicht dabei die Bearbeitung dieser Werkstoffe mit einer hohen Präzision und Oberflächengüte, die mit konventionellen Verarbeitungstechniken im Dentallabor nur schwierig oder mit einem hohen Zeitaufwand zu erreichen sind18,34.
Aktuelle klinische Studien beschreiben auch die Herstellung von Stegkonstruktionen als Elemente der starren Lagerung mit einer Verankerung auf lediglich 2 Implantaten28. Diese Versorgungstechnik ist interessant für klinische Situationen mit einer ausgeprägten Atrophie des Alveolarfortsatzes und dem Wunsch nach einer möglichst starren Lagerung des Zahnersatzes bei begrenzten finanziellen Ressourcen des Patienten oder bei der Notwendigkeit einer Begrenzung des Aufwandes, zum Beispiel bei Vorerkrankung des Patienten. Da dieses Konzept aber bislang nur durch Kurzzeitbeobachtungen abgesichert ist, sollte eine Anwendung vorerst nur bei zahnlosen Patienten erfolgen, bei denen der Oberkiefer mit einer konventionellen Totalprothese versorgt wird. Zudem sollte bei der Anfertigung der Deckprothese die Zahnaufstellung bis zum ersten Molaren begrenzt werden.
Für den prothetischen Langzeiterfolg einer Stegkonstruktion sind neben technischen Komplikationen, die den Steg betreffen, auch technische Komplikationen der Retentionselemente in der Deckprothese (Stegreiter) zu berücksichtigen. Voraussetzung für eine gute Stabilisierung der Deckprothese durch konfektionierte Stege ist ein ausreichender Abstand zwischen den Implantaten. Ist er zu gering, führt dies zu kurzen Stegreitern, die verstärkt funktionell belastet werden und damit auch frühzeitig verschleißen. Bei ungünstiger oder sehr enger Implantatposition sollte besser ein individuell gefräster Steg angewendet werden, der zudem die Retentionsfläche vergrößert. Individuell gefertigte Retentionselemente werden bevorzugt auf Steggeschieben eingesetzt und können galvanisch geformt oder gusstechnisch hergestellt werden. Galvanisch geformte Stegreiter haben sich zwar langfristig bei Steggeschiebekonstruktionen bewährt, bergen aber ebenfalls das Risiko eines Retentionsverlustes34. Kommt es zu einem Nachlassen der Friktion, so kann eine Retentionsverbesserung nur durch den Einbau eines zusätzlichen Retentionselementes, die Nachgalvanisation oder die aufwendige Erneuerung des Stegreiters erfolgen. Aus diesem Grund ist die Integration zusätzlicher aktiver Halteelemente zu empfehlen (Friktionsstifte, teilkonfektionierte Geschiebe [Preci-Vertix], Riegel-Elemente), die bei Retentionsverlust einfach ausgetauscht werden können34.
Trotz der nachweisbaren Vorteile der CAD/CAM-Technologie sollte bei der Indikationsstellung und technischen Umsetzung von Stegkonstruktionen berücksichtigt werden, dass eine erschwerte Zugänglichkeit für die häusliche Mundhygiene zu periimplantären Entzündungen führen kann. Ein engmaschiger Recall nach der Eingliederung muss sicherstellen, dass eine ausreichende Hygienefähigkeit, angepasst an die manuellen Fähigkeiten des Patienten, erreicht worden ist34.
Fazit für die Praxis
Die Anwendung CAD/CAM-gefertigter Stegkonstruktionen aus Titan oder einer Kobalt-Chrom-Legierung ist aktuell durch mehrere Studien mit Beobachtungszeiten von bis zu 7 Jahren abgesichert. CAD/CAM-gefertigte Stegkonstruktionen weisen eine reduzierte technische Komplikationsrate auf, dennoch sind insbesondere die Herstellerempfehlungen hinsichtlich der maximalen Länge von Extensionen (10 mm) zur Frakturvermeidung zu beachten.
Generell besteht bei Stegkonstruktionen ein erhöhtes Risiko einer reduzierten Zugänglichkeit für Maßnahmen der häuslichen Mundhygiene und damit das Risiko periimplantärer Entzündungen. Dieser Aspekt ist bei der Indikationsstellung (manuelle Fähigkeiten des Patienten) und Ausführung (Zugänglichkeit für Hygienemaßnahmen) zu berücksichtigen.
Ein Beitrag von PD Dr. Sven Rinke, Göttingen, Dr. Michael Jablonski, Hanau, Prof. Dr. Matthias Rödiger und Prof. Dr. Ralf Bürgers, beide Göttingen
Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de