Zygomaimplantate haben ihre historische Indikation als mögliche Verankerung von Zahnersatz bei Patienten mit ausgeprägten Defekten der Maxilla, wie diese nach Tumorresektionen oder Traumata auftreten können. Die Indikationsbreite wurde in der Folge auch für zahnlose Patienten mit ausgeprägten Atrophien des Oberkieferalveolarfortsatzes erweitert. Einige Autoren sehen in den Zygomaimplantaten eine weniger invasive und besser vorhersagbare Therapiealternative zu möglichen augmentativen Maßnahmen wie Sinusbodenelevationen oder Knochenblocktransplantationen. Als häufigste Komplikationen der Zygomaimplantate werden Sinusitiden, Weichteilinfektionen, Parästhesien und oroantrale Fisteln beschrieben. Die Autoren Dr. Marcel Hanisch, Melanie Maus und Prof. Dr. Johannes Kleinheinz beschreiben in ihrem Fallbericht für die Implantologie 4/19 die Entwicklung eines extra- und intraoralen Fistelgangs nach Insertion eines Zygomaimplantats, weshalb letztlich eine Explantation erforderlich wurde. Zygomaimplantate zeigen hohe klinische Überlebensraten und ermöglichen im Vergleich mit konventionellen Implantaten, welche in den augmentierten Sinus inseriert werden, eine frühere prothetische Versorgung. Allerdings sollten die möglichen Komplikationen und Risiken der Schädigung anatomischer Nachbarstrukturen durch die Insertion von Zygomaimplantaten, wie sie im hier präsentierten Fallbeispiel gezeigt werden, berücksichtigt werden.
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Einleitung
Zygomaimplantate haben ihre historische Indikation als mögliche Verankerung von Zahnersatz bei Patienten mit ausgeprägten Defekten der Maxilla, wie diese nach Tumorresektionen oder Traumata auftreten können1–3. Die Indikationsbreite wurde in der Folge auch für zahnlose Patienten mit massiven Atrophien des Oberkieferalveolarfortsatzes erweitert4.
Bekanntermaßen ist eine unzureichende Knochenmenge im Oberkieferseitenzahnbereich ein Problem für die Implantatinsertion, weshalb im Vorfeld augmentative Maßnahmen wie Sinusbodenelevationen oder Knochenblocktransplantationen erforderlich sind5. Manche Autoren sehen in den Zygomaimplantaten eine weniger invasive und besser vorhersagbare Therapiealternative zu möglichen augmentativen Maßnahmen wie Sinusbodenelevationen oder Knochenblocktransplantationen6,7.
Für die prothetische Versorgung werden Zygomaimplantate üblicherweise mit zwei bis vier anterior inserierten Implantaten kombiniert4. Bei der ursprünglichen Technik für die Insertion von Zygomaimplantaten erfolgt nach Anlage eines Sinusfensters und Präparation der Schneider‘schen Membran die erste Bohrung im Bereich des zweiten Prämolaren/ersten Molars, welche dann dem gewünschten Weg des Implantats vom Sinusboden bis zum Sinusdach folgt. Die Bohrung endet im Jochbein, in welches das Zygomaimplantat inseriert wird. Die Implantate weisen dabei eine Länge von 30 bis 52,5 mm auf3. Nachteil dieser Technik war eine oftmals zu weit palatinal gelegene Implantatposition. Bei Patienten mit ausgeprägten bukkalen Konkavitäten der lateralen Kieferhöhlenwand resultierte daraus eine klobige Prothetik mit Einschränkung der Reinigungsfähigkeit sowie der Sprachbildung8. In der Folge wurden Techniken entwickelt, welche auch eine partielle oder totale Insertion des Zygomaimplantats außerhalb der Kieferhöhle ermöglichen4,9,10.
In einem systematischen Übersichtsartikel von Chrcanovic et al. wurde die klinische Überlebensrate der Zygomaimplantate über einen Zeitraum von 12 Jahren mit 96,7 Prozent angegeben. Als häufigste Komplikationen berichteten die Autoren demnach Sinusitiden, Weichteilinfektionen, Parästhesien und oroantrale Fisteln. Chrcanovic et al. schätzen die tatsächliche Komplikationsrate jedoch noch höher ein, da bei den meisten Studien das Vorhandensein oder Fehlen von Komplikationen nicht erwähnt wurde11. Dabei finden sich in der Literatur vereinzelte Fallberichte von extraoralen Fistelgängen nach Insertion von Zygomaimplantaten12.
Der folgende Fallbericht beschreibt die Entwicklung eines extra- und intraoralen Fistelgangs nach Insertion eines Zygomaimplantats, weshalb letztlich eine Explantation erforderlich wurde.
Fallbericht
Eine 60-jährige Patientin stellte sich erstmals im Oktober 2018 aufgrund eines extraoralen Fistelgangs im Bereich der rechten Wange in unserer Poliklinik vor (Abb. 1). Klinisch imponierte eine ca. 5 x 5 mm große Einziehung, welche mit einer Bowman-Sonde sondiert werden konnte und woraus sich Pus entleerte. Allgemeinanamnestisch war die Patientin unauffällig, jedoch bestand seit mehreren Jahren ein ausgeprägter Nikotinabusus. Intraoral lag ein zahnloser Oberkiefer vor, welcher mit einer verschraubten Prothetik festsitzend versorgt war. An der mukogingivalen Grenze in Regio 16 präsentierte sich vestibulär ein weiterer Fistelgang, welcher ebenfalls sondiert werden konnte (Abb. 2). In der Panoramaschichtaufnahme zeigte sich neben zwei anterior inserierten Implantaten in Regio 12 und 14 ein Zygomaimplantat in Regio 16. An diesem imponierte im Bereich des Implantatapex eine scharf begrenzte, homogene Aufhellung am Jochbein (Abb. 3). Nebenbefundlich fielen multifokale radioopake Verschattungen mit Aufhellungslinien in Regio 48 auf. Laut Angabe der Patientin wurde in der Regio vor ca. 30 Jahren eine Zyste entfernt. Der Zystenhohlraum sei damals mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt worden. Um welches Material es sich konkret handelte, konnte jedoch nicht geklärt werden.
Alle Implantate im Oberkiefer wurden laut Angabe der Patientin vor ca. sechs Jahren zeitgleich inseriert (Abb. 3 und 4). Aufgrund der klinischen und radiologischen Befunde, gestützt durch eine 3-D-Bildgebung, konnte die Ursache an der Implantatspitze eruiert werden (Abb. 5). Seitens der Patientin bestand der dringende Wunsch nach einer Beseitigung der Fistelgänge und somit war die Therapieempfehlung die Explantation des rechten Zygomaimplantats in Intubationsnarkose.
Nachdem die prothetische Versorgung präoperativ abgenommen worden war, zeigte sich intraoperativ ein osseointegriertes Implantat in Regio 16 (Abb. 6a), welches mit großem Aufwand durch Osteotomie und Luxation/Rotation mit einer Extraktionszange entfernt werden konnte (Abb. 6b und 7). Anschließend wurde das Epithel des Fistelgangs exzidiert (Abb. 8). Zu beachten ist insbesondere der ausgeprägte knöcherne Defekt, welcher durch die notwendige Entfernung entstanden ist (s. Abb. 6b).
Die postoperative Wundheilung verlief unauffällig, die bestehende Prothetik konnte unter Abtrennung des Brückenglieds 16 weiterverwendet werden. Die Fistelgänge sind inzwischen sowohl intra- als auch extraoral abgeheilt, wenngleich extraoral weiter eine Einziehung sichtbar ist (Abb. 9).
Diskussion
Zygomaimplantate werden von einigen Autoren als Therapiealternative zu Sinusbodenelevationen oder Onlay-Augmentationstechniken im zahnlosen, atrophierten Oberkiefer angesehen. Insbesondere werden dabei eine verkürzte Behandlungszeit6, die entfallenden Komorbiditäten durch eine zusätzliche Entnahmestelle des Augmentats sowie ein möglicherweise erforderliches zweizeitiges Vorgehen bei augmentativen Maßnahmen erwähnt4,6,7.
Dem sollen die hohen Langzeiterfolge von Implantaten nach Sinusbodenelevation gegenübergestellt werden. Hier liegt nach Raghoebar et al. die jährliche, gewichtete Implantatverlustrate bei 0,43 Prozent13.
Auch sollten die möglichen Komplikationen der Sinusbodenelevationen erwähnt werden. Bei intraoperativen Komplikationen werden bei der lateralen Fenstertechnik Membranperforation (15,7 Prozent) und Blutungen nach Gefäßläsionen (0,4 Prozent) berichtet14. Bei postoperativen Komplikationen werden bei der lateralen Sinusbodenelevation typischerweise Wunddehiszenzen und -infektionen beschrieben15. Im Vergleich hierzu sind die möglichen Komplikationen und Risiken der Schädigung anatomischer Nachbarstrukturen durch die Insertion von Zygomaimplantate zu berücksichtigen. Als häufigste Komplikationen werden laut einem systematischen Übersichtsartikel von Chrcanovic et al. Sinusitiden, Weichteilinfektionen, Parästhesien und oroantrale Fisteln beschrieben11.
Bezüglich der Patientenmorbidität wird beim lateralen Sinuslift der Höhepunkt des Unbehagens aus Patientensicht am ersten postoperativen Tag berichtet, danach zeigen sich die Beschwerden rückläufig. Zwar berichten einige Patienten von heftigen Schmerzen und Morbiditäten, dies betrifft jedoch lediglich eine Minderheit16.
Auch werden inzwischen Techniken beschrieben, die eine Sinusbodenelevation ohne Einlage eines Augmentats vollziehen, wodurch die Komorbidität einer zusätzlichen Entnahmestelle des Augmentats entfällt. Die mittlere Implantatüberlebensrate wird für diese Technik mit 97,9 Prozent angegeben17. Bei Verwendung eines Augmentats konnten Aghaloo und Moy in einem systematischen Übersichtartikel zudem höhere Implantatüberlebensraten bei der alleinigen Anwendung von xenogenen Ersatzmaterialien gegenüber denen von autologem Knochen nachweisen18.
Inzwischen werden auch kurze Implantate ohne Sinusbodenaugmentation im Oberkieferseitenzahnbereich als Therapiealternative zu regulären Implantatlängen mit Sinusbodenaugmentationen beschrieben19,20, sodass hier weitere Therapiealternativen bestehen.
Bei der direkten Gegenüberstellung von Zygomaimplantaten und Implantaten, welche in den augmentierten Sinus inseriert wurden, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität aus Patientensicht nach einem Jahr. Es wurde von einer höheren Implantatverlustrate bei den Patienten mit Sinusbodenaugmentationen im Vergleich zu den Zygomaimplantaten berichtet, hingegen waren die Komplikationsraten bei den Zygomaimplantaten signifikant höher. Keinen Unterschied gab es bei den postoperativen Beschwerden aus Patientensicht. Als vorteilig für die Zygomaimplantate erwies sich eine deutlich frühere prothetische Versorgung, auch die prothetischen Komplikationen waren bei der Gruppe mit den Zygomaimplantaten geringer21.
Die hohe klinische Überlebensrate der Zygomaimplantate wurde bereits in der Einleitung erwähnt11, sodass Zygomaimplantate als vorhersagbare Therapieoption gelten können. Auch bringt die frühzeitige prothetische Versorgung einen Vorteil, verglichen mit konventionellen Implantaten, die in den augmentierten Sinus inseriert werden.
Im hier vorliegenden Fallbericht konnte die Komplikation eines extraoralen Fistelgangs nach Insertion eines Zygomaimplantats beschrieben werden. Die anschließende Entfernung hinterließ einen ausgeprägten knöchernen Defekt. Die extraorale kosmetische Einschränkung der Patienten, bedingt durch den Fistelgang, besteht weiterhin.
Ohne Zweifel haben Zygomaimplantate ihre Indikation als mögliche Verankerung von Zahnersatz bei Patienten mit ausgeprägten Defekten der Maxilla, wie diese nach Tumorresektionen oder Traumata auftreten können.
Schlussfolgerungen
Zygomaimplantate zeigen hohe klinische Überlebensraten und ermöglichen im Vergleich mit konventionellen Implantaten, die in den augmentierten Sinus inseriert werden, eine frühere prothetische Versorgung. Allerdings sollten die möglichen Komplikationen und Risiken der Schädigung anatomischer Nachbarstrukturen durch die Insertion von Zygomaimplantaten, wie sie im hier präsentierten Fallbeispiel gezeigt wurden, berücksichtigt werden. Auch sollte eine deutlichere Aufklärung der Patienten hinsichtlich möglicher Komplikationen erfolgen. Eine eindeutige Indikation für Zygomaimplantate ergibt sich zur Verankerung von Zahnersatz bei Patienten mit ausgeprägten Defekten der Maxilla, wie diese nach Tumorresektionen oder Traumata auftreten können.
Ein Beitrag von Dr. Marcel Hanisch, Melanie Maus und Prof. Dr. Johannes Kleinheinz, alle Münster
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