Neues Format, spannende Themen, interessante Vorträge und Diskussionen – die DGI machte aus der Not eine Tugend. Nachdem coronabedingt der Gemeinschaftsevent mit der European Association for Osseointegration (EAO) im Oktober und auch das geplante DGI-Treffen am 1. Adventswochenende in Berlin nicht live stattfinden konnten, wurde mit Hochdruck und großem Einsatz ein alternatives Online-Format auf die Beine gestellt. Der Erfolg belohnte Mut und Engagement aller Beteiligten.
Moderiert aus einem professionellen Studio in Mannheim, in dem die jeweiligen Leiter der Sessions vor Ort waren, und eingebettet in ein virtuelles Kongressambiente, wurden die Vorträge von den via Zoom zugeschalteten Referenten eingespielt und anschließend diskutiert. Das Format „Ein Thema, zwei Referenten“ zu unterschiedlichen Aspekten oder Ansätzen erlaubte dabei einen kompakten und zugleich umfassenden Überblick über die jeweiligen Themenkomplexe. Auch wenn einige Themen als Disputatio angelegt waren, ergab sich doch am Ende immer ein praxisnaher Grundkonsens – so auch beim Auftaktthema Funktion und Ästhetik mit dem DGI-Präsidenten Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz und PD Dr. Dietmar Weng. Bei Grötz lag der Fokus klar auf der Funktion, bei Weng ist die Ästhetik auch mit Blick auf die Wünsche und Erwartungen des Patienten immer mit zu berücksichtigen, aber beides gehört untrennbar zusammen, so das Fazit.
Die Themenpalette deckte wie immer die Bandbreite implantologisch-chirurgischer und prothetischer Herausforderungen ab und vermittelte den aktuellen Stand des Wissens, ebenso den aktuellen Stand der Leitlinienarbeit der DGI. Mit insgesamt 1.200 Teilnehmenden, davon 300 Studierende, die kostenfrei dabei sein konnten und für die es eigene Break-out-Sessions in den Pausen gab, war die Resonanz groß. Zu Beginn wurde noch einmal an den im August so plötzlich gestorbenen Dr. Karl-Ludwig Ackermann erinnert, zu dessen Ehren die DGI eine Medaille gestiftet hat, die künftig für besondere Verdienste um die orale Implantologie vergeben werden soll.
Eine „-itis“ ist nicht hinzunehmen
Ein weiterer wichtiger Aspekt war der Umgang mit Parodontitis und Periimplantitis. Eine „-itis“ sei nicht hinzunehmen und müsse therapiert werden, so Grötz dazu in der Pressekonferenz. Es sei eine Todsünde, in der Zahnmedizin und Implantologie kleinere Entzündungen zu tolerieren. Die Zahnmedizin und Implantologie seien auch deshalb systemrelevant, weil eine Entzündung im Mund ein pathologischer Befund sei. Gefordert seien eine regenerative Post-Parodontitis-Therapie mit dem Ziel der Prognoseverbesserung, nicht der besseren Ästhetik, und eine „rekonstruktive Periimplantititstherapie“.
Vorstand zufrieden mit Resonanz
Entsprechend zufrieden zeigten sich in der Pressekonferenz am zweiten Event-Tag auch der DGI-Präsident Grötz und der DGI-Fortbildungsreferent Dr. Christian Hammächer, die gemeinsam die Präsidentschaft des Events übernommen hatten. „Die DGI ist als größte wissenschaftliche Fachgesellschaft in der Implantologie für kommende Herausforderungen in allen Bereichen gut gewappnet und wird flexibel reagieren“, so Grötz. Dies habe die Gesellschaft in Zeiten der Corona-Pandemie bereits unter Beweis gestellt. Darum blicke der Vorstand der Gesellschaft auch optimistisch in das kommende Jahr.
Fortbildungen fortgesetzt, neue Lösungen für Hands-on
Besonders stolz zeigte sich der DGI-Vorstand in der Pressekonferenz, dass auch unter Corona-Bedingungen die Fortbildung nicht völlig zum Erliegen kam, sondern angepasst, wenn auch reduziert, weiterlief. So starteten auch 2020 insgesamt acht Kursserien des DGI-APW-Curriculums Implantologie, dem mit Abstand erfolgreichsten Curriculum in der Deutschen Zahnheilkunde, das bislang rund 6.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte absolviert haben. „Wir haben im Rahmen des Curriculums sowohl Hybrid- als auch Online-Veranstaltungen angeboten“, erklärte Hammächer. Es werde auch Lösungen für jene Module geben, die Hands-on zwingend erfordern, denn „man kann chirurgische Techniken nicht lernen, in dem man ausschließlich Videofilme ansieht“. Hammächer: „Wir überlegen uns beispielsweise, ob es möglich ist, auch praktische Übungen im Rahmen von Online-Kursen zu Hause zu integrieren.“ Entscheidend wichtig ist dabei vor allem auch das individuelle Engagement der Referenten, um interessante Konzepte und innovative Lösungen auf die Schiene zu setzen, hier sind sich die beiden Fortbildungsexperten absolut einig. Die Lernkurve wird weiterhin steil bleiben. „Aber entscheidend ist“, betonte Hammächer, „dass die Fortbildung der DGI läuft”.
Qualifikation bis zum Spezialisten
In der Planung befindet sich ein neues abgestuftes Qualifikationssystem für implantologisch Tätige, das Grötz erläuterte. „Patientinnen und Patienten sollen sich informieren können, über welche theoretischen und vor allem praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen ihr Zahnarzt oder ihre Zahnärztin auf dem Gebiet der Implantologie verfügt“, so der Gedanke. Angefangen vom zertifizierten Implantologen, der das Curriculum absolviert hat, über den fortgeschrittenen Implantologen, der im Rahmen einer Prüfung 25 Behandlungsfälle mit einem entsprechenden Schwierigkeitsgrad präsentieren muss, seit zwei Jahren implantologisch tätig ist, mindestens 100 Implantate gesetzt hat und sich regelmäßig fortbildet bis hin zum zertifizierten Experten der DGI, dessen Anforderungsprofil dem Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie entspricht. Darüber hinaus könne es noch den Spezialisten der DGI geben, so Grötz.
Weitere Leitlinien in Arbeit
2021 wird auch die Leitlinienarbeit der DGI weitergehen. Es sind sogar zwei Konferenzen geplant. „Seit den Anfängen der Leitlinienarbeit 2010 hat die Gesellschaft entsprechend dem Regelwerk der AWMF neun Leitlinien vorgelegt“, resümierte Grötz. Die älteren wurden schon wieder aktualisiert. Weitere Leitlinien werden bei der „Aktualisierungs-Konferenz“ überprüft und bei Bedarf überarbeitet. Vier Leitlinien zu besonders aktuellen und relevanten Themen der Implantologie werden neu erstellt: Keramikimplantate (S3), Implantations- und Belastungszeitpunkte (S3), Materialunverträglichkeiten (S3) und Platelet rich Fibrin (PRF) (S3).
Im Fokus: der Nachwuchs
Dr. Dr. Anette Strunz, Pressereferentin im DGI-Vorstand, lenkte den Blick auf die DGI und ihre Nachwuchs-Organisation Nexte Generation. Die DGI hatte sich im Bereich ihrer Nachwuchsarbeit 2020 einiges vorgenommen, doch alle Pläne wurden von der Corona-Pandemie geschreddert. Eine ganztägige Veranstaltung „Start-up in die Implantologie mit der DGI“ im Rahmen des Dental Sommers am Timmendorfer Strand wurde auf 2021 verschoben. Die Implant Wave in Düsseldorf wurde abgesagt. „Wir nehmen aber nochmal Anlauf, und hoffen, dass die Veranstaltung dann stattfinden kann“, erklärt DGI-Pressesprecherin Dr. Dr. Anette Strunz (Berlin).
Ebenso gilt es, im kommenden Jahr, die Zusammenarbeit mit den Fachschaften voranzubringen. Bei einem Treffen auf dem letzten DGI-Kongress Ende November 2019 in Hamburg hatten 16 Vertreterinnen und Vertreter von neun Fachschaften aus ganz Deutschland die Einladung der DGI zu einem Gespräch angenommen und mit Vorstandsmitgliedern der DGI sowie Mitgliedern des Komitees Nexte Generation der DGI diskutiert. Ein Ergebnis war die kostenfreie Teilnahme von Studierenden am Online-Event. Dies sei ein bei der DGI lange gehegter Wunsch gewesen, so Grötz.
Umfrage an den Universitäten
Nach einer kleinen Voruntersuchung soll in diesem Jahr eine größere Umfrage unter Studierenden auf den Weg gebracht werden. Die DGI möchte wissen, wie der Nachwuchs die derzeitige implantologischen Ausbildung an den Hochschulen beurteilt. Aktuell sei das Bild an den Universitäten sehr unterschiedlich und reiche von wenig bis zu sehr intensiver Ausbildung zumindest am Modell. Vor dem Hintergrund der neuen Approbationsordnung, die im Oktober 2021 für das Studium wirksam werden wird, will die DGI ihre Aktivitäten für die implantologische Ausbildung des Berufsnachwuchses entsprechend ausrichten. Es sei klar, dass die Implantologie im Wesentlichen Teil der postgradualen Aus- und Fortbildung sein werde, so Grötz. Es sei das Ziel der DGI, die Studierenden schon während des Studiums mit entsprechenden Angeboten zum Beispiel bei Kongressen, aber auch an den Universitäten mit der Implantologie und dafür nötigen Fähigkeiten vertraut zu machen und damit eine Klammer zur postgradualen Ausbildung zu schaffen. Dabei sei auch der Kontakt zur Industrie wichtig, denn die Studierenden sollten auch Kenntnisse in der wissenschaftlichen Begleitung von Medizinprodukten erwerben können.
Leitlinienbasierte Patienteninformationen
Auf der Agenda stehen für 2021 leitlinienbasierte Patienteninformationen, die auf der Website der DGI verfügbar sein werden und auch den Praxen und Kliniken zur Verfügung stehen. „Die DGI hat inzwischen eine Vielzahl von Leitlinien, aus denen sich für Patienten zielgruppengerecht aufbereitete Informationen ableiten lassen“, erklärt Strunz.
Interdisziplinärer Implantologen-Tag 2021 in Wiesbaden
Dem DGI-Präsidenten liegt die enge Zusammenarbeit mit anderen (zahn-)medizinischen Fachgesellschaften besonders am Herzen. Dies ist ablesbar am Konzept eines Kongresses, der im kommenden Jahr den Fokus des traditionellen Jahreskongresses der DGI am ersten Adventswochenende erweitern wird. Unter dem Titel „Deutscher Implantologen-Tag“ fungieren als Gastgeber die DGI zusammen mit der DGOI und der Nachwuchsorganisation Nexte Generation der DGI.
Als wissenschaftliche Gastgesellschaften sind eingeladen die DG Paro, die DG Pro, die DGÄZ und als nicht-zahnmedizinische Gesellschaft die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Ebenfalls beteiligt ist die AO (Academy of Osseointegration) und traditionell spielen die jeweiligen Landesverbände der DGI eine besondere Rolle, 2021 der LV Hessen und der LV Rheinland-Pfalz. Der Blick über den Tellerrand der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sei wichtig, so Grötz, aber ebenso müsse sich das Denken bei den Medizinern ändern.
(Mit Material der DGI)
Titelbild: Die Moderatorin Susanne Kluge mit Dr. Christian Hammächer und Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (von links) bei der Eröffnung des Events.