Timo Bredtmann, Marketing- und Vertriebsleiter Deutschland von Merz Dental, eröffnete mit den Worten „Erst Gegenwind macht Höhenflüge möglich!" das 27. Prothetik Symposium. Ihm zur Seite stand bei der Eröffnung Christian Haase, Geschäftsführer der Quintessenz Verlags-GmbH.
Höhenflüge sind auch in der Zahntechnik möglich und der Fokus des Mottos des 27. Symposiums „Lass uns reden“ bezog sich auf einen Bereich, der durchaus sehr windig bis stürmisch werden kann: Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten – nicht immer ganz einfach und bequem, aber im Endeffekt wichtig für mehr Effektivität und Effizienz.
Wenn die Dinge komplexer werden
In einer Zeit, in der die richtigen Entscheidungen komplexer denn je erscheinen, bot das Prothetik Symposium mit seinen Themen und zahlreichen Teamvorträgen Orientierung und Inspiration. Durch das Programm navigierten Prof. Dr. Jeremias Hey und ZTM Hans-Jürgen Stecher (Abb. 1). Den 300 Teilnehmenden des Symposiums bot sich am ersten Adventswochenende 2024 ein erkenntnisreicher Tag voller Einblicke und Innovationen in die zahnärztliche Prothetik.
Check mit Checklisten
Wer bessere Ergebnisse erzielen möchte, sollte seine Prozesse unter die Lupe nehmen – dafür sind Checklisten unverzichtbare Tools, so Prof. Dr. Jan-Frederik Güth und ZTM Hans-Jürgen Stecher in ihrem Eröffnungsvortrag (Abb. 2). Mithilfe einer strukturierten Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker, unterstützt von Ästhetik-Checklisten und phonetischen Analysen, lässt sich die Komplexität reduzieren und es können neue Standards gesetzt werden. Laut Güth spart bereits die Investition einer Stunde pro Tag in die Optimierung von Abläufen, auf Dauer erhebliche Zeit- und Kosten – sowohl in der Praxis als auch im Labor. Checklisten für Ästhetik, Funktion und Kommunikation helfen dabei und sind zum Teil unumgänglich, um für mehr Transparenz, Effizienz und optimale Ergebnisse zu sorgen. Am Ende zeigt sich: Strukturierte Prozesse erhöhen die Qualität der Arbeit und zahlen sich somit in jeder Praxis und jedem Labor aus und steigern die Kommunikation erheblich. Am Ende des Vortrags konnte das Publikum per QR-Code direkt auf die bereitgestellten Checklisten zugreifen.
Dentale Persönlichkeit: Ein neuer Blick auf Patienten und Ästhetik
ZTM Otto Prandtner (Abb. 3) präsentierte sein Konzept der „dentalen Persönlichkeit“, das sich an vier Basistypen orientiert: Symmetrie (Kopf-Typ), Asymmetrie (Herz-Typ), Balance (Bauch-Typ) und Charakter (Mut-Typ). Mit einer Mischung aus Funktionsdiagnostik-, Typen- und Gesichtsanalyse führt bei Prandtner der Weg über ein Wax-up hin zu individuellen, biodynamischen Schienen oder definitiven Restaurationen. Anhand eines bewegenden Patientenfalls – Luis, einem jungen Mann mit Depressionen – veranschaulichte ZTM Otto Prandtner, wie emotionale Empathie, Kreativität und ein feines Gespür für Harmonie zu einer maßgeschneiderten dentalen Ästhetik führen. Sein Ansatz unterstreicht: Maschinen können Technik liefern, aber echte Persönlichkeit entsteht durch das Verstehen und Korrigieren der individuellen Ausstrahlung jedes Patienten – natürlich auf der Basis einer intensiven Patientenkommunikation.
3D-Druck: Wo geht die Reise hin?
Rund 50 Prozent der Dentalbranche machen bereits Druck – im wahrsten Sinne. Diese Aussage stammt aus dem Vortrag von Prof. Dr. Bogna Stawarczyk (Abb. 4), die darin mit einem Augenzwinkern aufzeigte, wie vielseitig 3-D-Drucktechnologien in der Zahnmedizin und -technik sind. Ob SLA- und DLP-Verfahren für Harze oder Fused Deposition Modelling (FDM) oder auch Fused Filament Fabrication (FFF) für Filamente: Der Fokus sollte auf validierten Workflows liegen, sodass vom Drucken über die Reinigung bis hin zur Nachpolymerisation präzise Ergebnisse generiert werden. Mit der von Stawarczyk vorgestellten neuen DPS-Technologie lassen sich Kronen Chairside in nur acht Minuten drucken – an der LMU (München) getestet, aber noch ohne klinische Studien. Zudem präsentierte die Leiterin der Werkstoffkundeforschung der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Klinikums der LMU innovative Werkstoffe wie PAEK und PET G/PLA, betonte aber auch die Wichtigkeit eines abgestimmten Post-Prozesses. Am Ende verwies sie auf das interaktive digitale Lernbuch unter www.werkstoffkunde-kompendium.de, das topaktuelle Informationen bietet.
„The Game of Teeth” mit Teleskopen
Mit ihren Teleskop-Insights imponierten ZTM Björn Pfeiffer und ZTM Sven Bolscho (Abb. 5) in ihrem Team-Vortrag. Den roten Faden bildeten dabei ihre eindrucksvollen High-End-Teleskoparbeiten, die sie im Team realisieren (Bolscho liefert die CAD/CAM-gestützt gefertigten Halbzeuge, Pfeiffer veredelt sie zu individuellem Zahnersatz). In ihrer Präsentation zeigten sie den Wandel von Galvanoteleskopen hin zur CAD/CAM-gestützten Fertigung, mit der Bolscho Teleskope mit einer Wandstärke von nur 0,3 mm realisiert. So erhält man ausreichend Platz für die Verblendung. Anhand ihres 10-Schritte-Prozesses verdeutlichten sie, wie durch präzise Fertigungsmethoden Kosten und Personalaufwand reduziert werden können. Ihr Fazit: Digitalisierung steigert Qualität und Effizienz, sorgt für Planungssicherheit und ist ein Schlüssel, um dem steigenden Kostendruck und Personalmangel erfolgreich zu begegnen – auch und vor allem bei Teleskoparbeiten.
3-D-Druck in der Zahnarztpraxis
Die Zahnärztin Dr. Wassiliki Ioanna Daskalaki (Abb. 6) widmete sich in ihrem Vortrag der Integration des 3D-Drucks in eine Zahnarztpraxis und beleuchtete dessen Potenziale sowie Grenzen. Die Expertin für Digital Smile Design stellte fest, dass gedruckter Zahnersatz wie etwa Einzelkronen kostengünstig in der Praxis hergestellt werden kann – jedoch nur in klar definierten Bereichen sinnvoll ist. Während die klassische NEM-Krone weiterhin Standardversorgung bleibt, können Zirkonoxid- und 3D-gedruckte Kronen gleichartig abgerechnet werden. Im High-End-Bereich werden implantatgestützte Restaurationen jedoch als andersartige Versorgungen nach BEB abgerechnet.
In ihrem nur zwei Quadratmeter großen Praxislabor setzt Daskalaki den 3D-Druck ein, jedoch stets unter der Prämisse wirtschaftlicher Effizienz. Studien bestätigen die standespolitisch tätige Zahnärztin darin, dass der 3D-Druck nicht nur Zukunftsmusik, sondern längst eine praktische Alternative ist – für Schienen und Zahnersatz.
Prothetik-Snacks in der Mittagspause
In der Mittagspause hieß es „Prothetik für zwischendurch“. In kompakten 30-Minuten-Sessions sorgten Experten für eine schnelle, aber umfassende Inspirationen für den Arbeitsalltag der Teilnehmenden. Etwa Daniel Reinke, der neue Intraoralscankonzepte präsentierte, oder ZT Noah Ziga, der die digitale Totalprothetik mit dem Baltic Denture System beleuchtete. ZTM Stefan Sander erklärte die zahntechnische Abrechnung digitaler Leistungen und Sebastian Pflesser bot einen faszinierenden Ausblick auf die Zukunft der dentalen Materialien.
Digitale Totalprothetik: Aus Replica wird neu
Nach der Pause präsentierten Prof. Dr. Jeremias Hey und ZTM Frank Poerschke (Abb. 7) faszinierende Anwendungsfälle, die ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem digitalen Totalprothetik-Konzept des Baltic Denture Systems dokumentierten. Der innovative dreistufige Workflow dieses Systems – der auch über eine Entfernung von 400 km funktioniert – beginnt mit der Erfassung präziser Informationen über das Kausystem, wobei die Qualität des gesamten Prozesses stark von der Genauigkeit dieser Phase abhängt. Die Technik der „Replica Denture“ dient zur Optimierung der Bisshöhe, Kieferrelation und Kauebene. Orientierung hierfür bietet die Analyse der alten Prothese. Zunächst wird die digitale Abformung in der Praxis durchgeführt. Die vorhandene Prothese wird extraoral mithilfe eines Intraoralscanners im Modelscan-Modus gescannt. Dieser Scan fungiert dabei in gewissen Grenzen als Informationsquelle, während zusätzliche arbeitsvorbereitende Hilfsmittel digital erhoben werden. Alle so generierten Informationen werden auf einer Prothetik-Checkliste festgehalten. Der Vortrag zeigte, dass moderne Zahntechnik präzise, vorhersagbare und effiziente Ergebnisse erlaubt – eine Evolution, keine Revolution in der Prothetik.
„German Crowns“-Konzept in zwei Sitzungen
ZTM Andreas Leimbach und ZTM Andreas Nusser (Abb. 10) präsentierten in ihrem Teamvortrag eine innovative Lösung für die wirtschaftliche Fertigung von teleskopierendem Zahnersatz, die mit nur zwei Terminen auskommt. Ihr „German Crowns“-Konzept transformiert die Herstellung von teleskopierendem Zahnersatz durch die Kombination von Know-how, digitaler Technologien und präziser Finalisierungsmethoden. Zusammen wird so eine perfekte Passung, Funktionalität und Ästhetik gewährleistet. Bei diesem zweistufigen Ansatz spart man nach Aussage von Nusser nicht nur Zeit und Ressourcen im Labor, sondern man erhält auch exakte Ergebnisse. Im Vergleich zu konventionell gefertigtem teleskopierendem Zahnersatz, der oft mehrere Termine erfordert und dadurch den Aufwand und die Kosten für Patienten sowie Zahnärzte erhöht, sorgt das Konzept von Leimbach somit für eine erhebliche Steigerung der Effizienz. Dabei ermöglicht es der Einsatz einer CAD/CAM-gestützten Hybridfertigung, also der Kombination aus Lasermelting und spanender Bearbeitung, individuelle Patientenanforderungen präzise zu erfüllen und den Workflow deutlich zu optimieren.
Emergenzprofil bei implantatgetragenem Zahnersatz entscheidend
Die Zahnärztin Dr. Insa Herklotz und ZTM Andreas Kunz (Abb. 11) lieferten einen fesselnden Teamvortrag zum Thema implantatgestützter Zahnersatz. Dabei lag ihr besonderer Fokus auf dem Emergenzprofil, das sie als interdisziplinäre Herausforderung für das an der Behandlung beteiligten Teams sehen. So gingen sie auf die Faktoren ein, die für die langfristige Stabilität des periimplantären Weichgewebes entscheidend sind. Dazu zählen unter anderem die Implantatposition, der Durchmesser des Implantats, die Implantat-Abutment-Verbindung, der Zeitpunkt der Ausformung und das Design der Kronenkontur. Besonders betont wurde von Referentin Herzklotz die Bedeutung der korrekten Positionierung des Implantats sowie des Abstands zwischen benachbarten Implantaten. Studien zeigten, dass eine periimplantäre Weichgewebsdicke von mehr als 3 mm mit einem geringeren Knochenverlust assoziiert ist, während eine unzureichende Höhe von 2 mm die Gefahr von Infektionen erhöhen kann. Der Vortrag verdeutlichte, dass eine präzise Planung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnmedizin und Zahntechnik entscheidend sind, um langzeitstabile, aber auch natürliche Ergebnisse zu erzielen.
Fazit und Ausblick
Es passte alles zusammen, beim diesjährigen Prothetik Symposium. „Kommunikative“ Teamvorträge und ein Mix aus wissenschaftlichen, zahntechnischen und zahnärztlichen Vorträgen sowie viel digitale Inspirationen, zeichneten die Veranstaltungstag aus. Die Teilnehmenden aus Dentallaboren, Universitäten, Zahnarztpraxen, Berufs- und Meisterschulen profitierten von einem gewinnbringenden Austausch rund um die Prothetik sowie der besonderen Stimmung in der festlichen Vorweihnachtszeit. Der Abend klang dann mit einer entspannten Prothetik Party in der Alice Bar aus. Und auch der Termin für das 28. Prothetik Symposium steht fest. Das findet am 29. November 2025, wieder in Berlin im Marriott Hotel statt. Weitere Infos unter www.merz-dental.de.