Senckenberg-Wissenschaftler konnten mit Kollegen der Technischen Universität München nachweisen, dass auch derzeit weit verbreiteten Insekten künftig ein hoher Artenverlust droht. Als Gründe für den Rückgang dieser „Generalisten“ nennt das Forscherteam eine Verinselung von Lebensräumen sowie die Intensivierung der Landwirtschaft. Auch die genetische Diversität der untersuchten Schmetterlingsarten wird laut der im Februar 2018 im Fachjournal „Biological Conservation“ veröffentlichten Studie stark abnehmen – die Insekten reagieren in der Folge sensibler auf Umweltveränderungen.
Insekten werden immer weniger – in einigen Regionen wurde ein dramatischer Rückgang von bis zu 75 Prozent in den vergangenen Jahrzehnten nachgewiesen. "Bisher sind wir davon ausgegangen, dass besonders die Spezialisten unter den Insekten, die auf einen besonderen Lebensraum angewiesen sind, vom Artensterben bedroht sind", erklärt Prof. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg: "In unserer aktuellen Studie zeigen wir, dass auch sogenannte Allerweltsarten in Zukunft massiv gefährdet sind."
Spezialisten sterben zuerst aus
Das Wissenschaftlerteam belegt in seiner Studie, dass Arten mit geringen Ansprüchen an ihr Habitat auf den Austausch zwischen verschiedenen Populationen angewiesen sind. "Unsere Untersuchungen machen deutlich, dass weit verbreitete Arten einen merklich vielfältigeren innerartlichen Genpool haben, als Arten, die sich auf einen speziellen Lebensraum angepasst haben", erläutert Dr. Jan Christian Habel von der TU München und fährt fort: "Können die Tiere aufgrund der Verinselung ihrer Lebensräume diese genetische Vielfalt durch Austausch aufrecht erhalten, wird ihnen künftig die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen fehlen." Die Insektenforscher aus München und Müncheberg sprechen hier von einer „zeitlichen Verschiebung potenzieller Ursachen des Artenrückgangs“: Anfänglich sind besonders die auf ein bestimmtes Ökosystem spezialisierten Insekten, wie die Schmetterlingsart Roter Apollo durch den Verlust von qualitativ wertvollen Lebensraum bedroht. Mit zunehmender Zeit und weiterer Verschlechterung der Lebensräume sowie des Zusammenbruchs von Habitatnetzwerken nimmt die Gefährdung für weit verbreitete anspruchslose Arten wie zum Beispiel den Perlgrasfalter zu.
Kleine, isolierte Schutzgebiete reichen nicht
"Für den praktischen Naturschutz heißt dieses Ergebnis, dass es zukünftig nicht mehr ausreichen wird kleine, isolierte Schutzgebiete zu erhalten – diese sind ein Gewinn für spezialisierte Arten mit einfacher genetischer Struktur. Doch die Masse an Arten, die auf einen Austausch zwischen lokalen Populationen angewiesen ist, werden wir so mittel- oder langfristig verlieren", prognostiziert Schmitt: "Dies führt zu einem weiteren Rückgang von zahlreichen Insektenarten – mit dramatischen Auswirkungen auf ganze Nahrungsnetze und Ökosysteme."