Eine internationale Studie zeigt, dass Pflanzen im Frühjahr immer früher wachsen, dadurch im Jahresverlauf aber nicht mehr, sondern eher weniger CO₂ aus der Atmosphäre gebunden wird, so IDW online. Die Studie wurde im Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht, Hauptautor ist Prof. Wolfgang Buermann, der zum 1. Oktober 2018 von der School of Earth and Environment of the University of Leeds an den Lehrstuhl für Physische Geographie der Uni Augsburg gewechselt hat [Wolfgang Buermann et al. Widespread seasonal compensation effects of spring warming on northern plant productivity, Nature 562, 110-114 (2018].
Der Klimawandel beeinflusst das Pflanzenwachstum – der Wachstumsschub im Frühling beginnt immer früher. Bisher dachte man, dass dieses Phänomen den Klimawandel verlangsamt, weil dadurch mehr Biomasse produziert und Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden wird. Wie nun mit Hilfe von Satellitendatenauswertungen gezeigt werden konnte, trifft das aber nicht zu, im Gegenteil: In vielen Gegenden führt ein vorverlegter Frühling sogar zu einer verringerten Biomasseproduktion im folgenden Sommer und Herbst. Es wird dadurch also eher weniger als – wie bislang angenommen – mehr CO₂ aus der Atmosphäre gebunden.
Satellitendaten: Wie grün ist die Erde?
„Die bisher verwendeten Klimamodelle müssen angepasst werden, die Lage des Weltklimas ist noch angespannter als bisher gedacht“, bringt Buermann das Studienergebnis auf den Punkt. „Dass sich die Anfänge und Enden der Wachstumsperioden in den nördlichen Ökosystemen verschieben, wussten wir bereits“, erklärt Buermann. Die Winter werden kürzer, die Pflanzen werden früher grün. Die Auswirkungen dieses Effekts konnten nun mithilfe von Satellitendaten erstmals auf hemisphärischem Maßstab untersucht werden: „Wir haben Satellitenbilder aus den vergangenen dreißig Jahren analysiert – der gesamte Globus nördlich des 30. Breitengrades wurde untersucht, von Südeuropa und Japan bis zu den Tundra-Regionen im hohen Norden“, berichtet Buermann.
Grüner Frühling – trockener Sommer/Herbst
Dort, wo viel Vegetation vorhanden ist, wird grünes Licht stark absorbiert, infrarotes Licht wird stark reflektiert. Buermann:„Daraus lässt sich rund um den Erdball Punkt für Punkt bestimmen, wie viel Photosynthese stattfindet und wieviel Biomasse produziert wird.“
Wenn das Frühlingswetter früher beginnt, liegt die Vermutung nahe, dass die Pflanzen länger Zeit zum Wachsen haben, mehr Biomasse produzieren und somit auch mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden. Doch das ist nicht der Fall: Die Daten zeigen zwar, dass die Nordhalbkugel im Frühling tatsächlich grüner wird, wenn es besonders warm ist. Doch dieser Effekt kann sich im Sommer und im Herbst umkehren, sodass insgesamt durch die Erwärmung sogar weniger Biomasse entsteht.
Das kann unterschiedliche Gründe haben: Das verstärkte Pflanzenwachstum im Frühling kann den Wasserbedarf und die Verdunstung erhöhen, sodass die Bodenfeuchte sinkt und die Pflanzen dann später im Jahr nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung haben. Möglicherweise haben bestimmte Pflanzen auch eine natürlich vorgegebene Wachstumsdauer, die sich auch durch früheren Wachstumsbeginn nicht verlängern lässt.
Klimawandel mit noch heftigeren Folgen
„Diese Mechanismen sind kompliziert und regional unterschiedlich“, sagt Mitautor Dr. Matthias Forkel von der TU Wien. „Doch unsere Daten zeigen eindeutig, dass im Durchschnitt die Produktivität der Pflanzen in Jahren mit warmem Frühling abnimmt. Die bisherigen Klimamodelle berücksichtigen zwar das Pflanzenwachstum, aber diesen Effekt hatten sie bisher nicht vorhergesagt. Sie müssen daher angepasst werden.“ Buermann ergänzt: „Leider verändern sich dadurch die Klimaprognosen in eine unerfreuliche Richtung. Wir müssen davon ausgehen, dass die Folgen der Klimaerwärmung dadurch noch dramatischer sein werden als bisher berechnet.“