„Die Nachfrage nach Psychotherapie hat während der Corona-Pandemie stark zugenommen. Nun müssen Lösungen gefunden werden, wie man den Patientinnen und Patienten helfen kann“, sagt Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).
Eine Blitzumfrage des Verbands mit 4.693 Teilnehmenden zeigte, dass im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Patientenanfragen in Praxen um durchschnittlich 40 Prozent angestiegen sind. Nur jeder vierte aktuell anfragende Patient erhält laut Umfrage einen Termin für ein erstes Gespräch. „Wir brauchen in den Praxen flexiblere Reaktionsmöglichkeiten auf die zunehmenden Anfragen. Die psychotherapeutische Telefonkonsultation muss allen Anfragenden zugänglich gemacht werden – nicht nur denjenigen, die sich bereits in Therapie befinden“, fordert Hentschel. Die Hälfte der Anfragenden müsse laut Umfrage länger als einen Monat auf ein Erstgespräch warten. „Das ist den meisten nicht zumutbar, die Praxen unserer Mitglieder werden förmlich überrannt. Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist es bedrückend, dass sie nicht jedem eine Therapie anbieten können“, betont Hentschel.
Jeder Dritte wartet länger als ein halbes Jahr
Die Anfragen einer aktuellen Januar-Woche, verglichen mit dem gleichen Zeitraum im Jahr 2020 erhöhten sich von 4,9 Patientenanfragen pro Woche auf 6,9 Anfragen. Allein der Anteil an Psychotherapeuten, die mehr als zehn Anfragen pro Woche erhielten, verdoppelte sich dabei. 38 Prozent der Anfragenden müssen länger als sechs Monate warten. „Hier ist ein schnelles und unbürokratisches Angebot nötig – etwa eine Akutbehandlung per psychotherapeutischer Videositzung“, fordert Hentschel. „Die Videositzungen wurden seit Beginn der Pandemie von Psychotherapeuten und Patienten positiv angenommen, auch wenn sie mit Nachteilen verbunden sind. Laut DPtV-Umfrage im April 2020 gaben 77 Prozent der Teilnehmer an, die Möglichkeit der Videositzungen zu nutzen.“
In den psychotherapeutischen Privatpraxen (6,3 Prozent der Umfrageteilnehmer) sieht es nicht besser aus: Die aktuelle Anzahl der Patientenanfragen liegt mit sechs pro Woche etwas niedriger als in Kassenpraxen (7,1 pro Woche). Im Vergleich zum Januar 2020 beträgt die Zunahme der Anfragen jedoch 61 Prozent. Nur jedem fünften Patienten kann in der Privatpraxis zurzeit ein Termin für ein Erstgespräch angeboten werden.
Stärkerer Anstieg in Großstädten
Regional zeigt die Umfrage nur geringe Unterschiede: In Großstädten ist der Anstieg der Patientenanfragen 46 Prozent höher als im Vorjahr, in kleineren Städten und Gemeinde 38,5 Prozent. In letzteren ist der Anteil der Patienten, die mehr als ein halbes Jahr auf einen Behandlungsplatz warten müssen, etwas höher (42,3 gegenüber 35,3 Prozent).