In herausfordernden Zeiten gibt die Internationale Dental-Schau (IDS) 2023 im März Anlass zur Zuversicht. Dafür sprechen nicht zuletzt die Zahlen. Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des VDDI (Verband der Deutschen Dental-Industrie), ordnet sie ein und erklärt, was diese IDS so besonders macht. Gesundheit und Mundgesundheit wird weltweit ein immer größeres Thema, die Zahnheilkunde ist ein Wachstumsfeld, ist er überzeugt.
Herr Pace, wir stehen jetzt gut einen Monat vor der Internationalen Dental-Schau, die ja 2023 ein Doppeljubiläum feiert. Die Welt „drumherum“ ist zurzeit von hoher Inflation und Energieknappheit und Kostensteigerungen in vielen Bereichen geprägt. Andererseits waren Ende Januar bereits mehr als 1.700 Aussteller aus 60 Ländern, darunter 15 Gruppenbeteiligungen aus 13 Ländern für 2023 angemeldet. Neben der größten Beteiligung aus Deutschland stellen aktuell Italien, Republik Korea, Frankreich, Schweiz, Spanien, Türkei und die USA die stärksten internationalen Ausstellerbeteiligungen. Wie nehmen Sie die Stimmung bei den Dentalunternehmen im VDDI und den Ausstellern wahr? Was macht die IDS 2023 so besonders?
Mark Stephen Pace: Wir feiern mit der 40. IDS ein rundes Jubiläum und gleichzeitig ein noch runderes: 100 Jahre IDS! In dieser Zeit ist die Internationale Dental-Schau das geblieben, was sie immer schon war: das herausragende Innovationsschaufenster der Dentalbranche. Ihre Innovationszyklen haben sich allerdings dank intensivierter Forschung und Entwicklung verkürzt. Das macht einen ebenso intensiven wie schnellen internationalen Gedankenaustausch umso dringlicher.
Dafür stellt die IDS einen einzigartigen Marktplatz für Ideen, für den unmittelbaren Vergleich von Produkten und Systemlösungen sowie für eine Standortbestimmung für Praxis und Labor bereit. Hier bereiten Zahnärzte und Zahntechniker ihre Investitionsentscheidungen vor oder treffen sie sogar gleich.
Die Dentalindustrie aus aller Welt wiederum nimmt das Feedback auf der IDS als wichtigen Gradmesser wahr. Im intensiven Dialog mit ihren Kunden erspüren Produktmanager und Entwickler die richtige Richtung für ihre zukünftige Forschungsanstrengungen.
So drückt sich die Vorfreude auf das dentale Branchentreffen in einem großen Zuspruch der Dentalfamilie aus. Die beeindruckende Zahl von inzwischen mehr als 1.700 Ausstellern hatten Sie genannt. Aber auch die Vorfreude und das Interesse bei den internationalen Dentalfachmedien ist sehr groß. Wir haben auf neun sehr erfolgreichen internationalen Presseveranstaltungen die Redaktionen über die IDS 2023 sowie die Meilensteine aus 100 Jahren IDS informiert. Die Erwartungen sind ausgesprochen hoch.
Welches Signal erhoffen Sie sich von der IDS 2023 für Industrie, Handel und Besucher?
Pace: Wenn ich mir die Ausstellerzahlen ansehe, wage ich zu behaupten: Die IDS 2023 wird die Tradition der erfolgreichen Vorveranstaltungen fortsetzen können.
Die persönliche Gesundheit steht bei der gesamten Bevölkerung sehr stark im Vordergrund der Wünsche und Bedürfnisse. Darum halte ich es für wahrscheinlich, dass die Menschen weiter in ihre Gesundheit und Lebensqualität investieren werden. Insofern schätze ich den gesamten Gesundheitssektor als relativ stabil ein.
Insbesondere die Zahnheilkunde bleibt ein Wachstumsfeld. Ich bin zuversichtlich, dass sich dies auf der IDS für die gesamte Branche spürbar manifestiert. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich diese Hoffnung erfüllt, halte ich persönlich für hoch.
Rolle der Zahngesundheit für Ausfallzeiten unterschätzt
Aus einer globalen Perspektive erscheint ein vertieftes Bewusstsein für die engen Zusammenhänge von Mund- und Zahngesundheit und allgemeiner Gesundheit nochmals bedeutender. Dies geht auch aus den WHO-Gesundheitszielen und den Mundgesundheitszielen der FDI hervor: Gesundheit ist sowohl Daseinsvorsorge als auch eine Voraussetzung für die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung. Insofern stellen Investitionen in Gesundheit gleichzeitig Investitionen in die Arbeitskräfte und damit in eine gesunde Volkswirtschaft dar. So erfolgt eine Verbesserung der Lebensqualität unmittelbar durch medizinische Prävention und Therapie und mittelbar durch die Stärkung der ökonomischen Rahmenbedingungen.
Speziell die Rolle der Zahngesundheit wird bei Ausfallzeiten nicht häufig erfasst. Wir dürfen aber aufgrund einiger Erhebungen doch von Folgendem ausgehen: 34 Millionen Schulstunden fallen in den USA wegen ungeplanter zahnmedizinischer Notfallbehandlungen aus. 45 Milliarden Doller gehen in den Vereinigten Staaten jedes Jahr wegen unbehandelter Munderkrankungen verloren; global könnte es das Zehnfache sein. Und fast 18 Prozent der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter geben an, dass das Erscheinungsbild ihres Mundes und ihrer Zähne ihre Bewerbung um einen Arbeitsplatz beeinträchtigt. Bei Menschen mit geringem Einkommen sind es sogar 29 Prozent.
Bedeutung der IDS für Deutschland kaum zu überschätzen
Wie wichtig ist die IDS für den Dental-Standort Deutschland?
Pace: Die Bedeutung der IDS für den Standort Deutschland kann kaum überschätzt werden. Hier auf unserem wichtigen Heimatmarkt messen sich die hiesigen Unternehmen mit ihren Wettbewerbern aus aller Welt. Anschließend wissen alle Beteiligten, wo sie stehen und welche der Angebote bei Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie bei Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern, beim Dentalhandel und ihren Teams auf Interesse stoßen. Auch wird aus ihren Rückmeldungen klar, wo jetzt eine neue Idee, ein spezielles Konzept oder die Konkretisierung einer Produktinnovation gefragt ist.
Für Praxen und Labore sowie für den Dentalfachhandel in Deutschland ist die IDS alle zwei Jahre ein Glücksfall: Denn die Weltleitmesse der ganzen Branche lädt sie direkt vor ihrer Haustür zum Besuch ein. Das gilt übrigens auch für etliche Regionen unserer Nachbarländer in Europa.
Attraktive Entwicklungsmöglichkeiten wie in kaum einer anderen Branche
Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Dentalindustrie, um Fachkräftemangel, Digitalisierung sowie um internationale Regulierungen und Auflagen wie die MDR (Medical Device Regulation) und das Lieferkettengesetz?
Pace: Die deutsche Dentalindustrie hat sich in 100 Jahren IDS gut geschlagen. Auch in den vergangenen Jahren konnte sie – gerade im Bereich der digitalen Zahnheilkunde – international eine Spitzenposition besetzen und halten.
Die dadurch mögliche Rationalisierung hat in Teilbereichen den Fachkräftemangel abmildern können. Dennoch bleiben wir hier weiterhin engagiert. Ich sehe uns auf einem guten Weg, denn wir können jungen und aufstrebenden Talenten mit der dentaltypischen Kombination einer Arbeit nahe am Menschen und technologisch ganz vorn attraktive persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten wie kaum eine andere Branche. Die eine oder andere Chance ergreifen Besucher der IDS nach einem Gespräch direkt auf der Messe!
Um die zukünftigen Rahmenbedingungen kümmern wir uns täglich in der Arbeit unseres Verbandes. Regularien wie zum Beispiel die „Europäische Medizinprodukteverordnung“ sollen die Gesundheit von Patienten schützen und menschliche Arbeitsbedingungen über die gesamte Wertschöpfungskette durchsetzen. In der betrieblichen Praxis kommt es entscheidend auf eine intelligente und regelkonforme Ausgestaltung der Regularien an. Hier bringen wir unsere Expertise vorausschauend in nationale und internationale Gremien ein.
Nachhaltigkeit: Ressourcen sorgsam einsetzen
Das Thema Nachhaltigkeit wird offensichtlich auch für die Zahnarztpraxen und Labore immer wichtiger, Informations- und Fortbildungsangebote dazu werden viel nachgefragt. International hat die Weltzahnärzteorganisation FDI das Thema Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin zu einem Leitthema gemacht, an dem sie gemeinsam mit der Industrie arbeiten will. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für die Mitglieder des VDDI?
Pace: Wir sitzen hier alle in einem Boot. So freue ich mich über die vielen Impulse aus Praxen und Laboren, die beim qualifizierten Fachhandel oder direkt bei der Dentalindustrie ankommen. Anlässlich der IDS 2021 führten BZÄK und VDDI einen Gedankenaustausch zur Nachhaltigkeit in Praxen, bei der Herstellung und im Vertrieb. Als Hersteller sind wir darauf bedacht, Ressourcen in Herstellung, Verpackung und Vertrieb möglichst sorgsam einzusetzen und Abläufe zu optimieren.
Grundsätzlich lässt sich festhalten: Ein Teil der CO2-Emissionen hat ihre Ursache in der Anfahrt von Patienten zur Praxis, woraus unmittelbar folgt: Ein Fokus der Zahnheilkunde auf Prävention dient automatisch der Nachhaltigkeit. Ebenso wünschenswert ist eine wohnortnahe medizinische Versorgung, weil sie die Anfahrtswege verkürzt.
Darüber hinaus arbeitet die Dentalindustrie kontinuierlich an immer häufiger wiederverwendbaren sowie über längere Zeiträume funktionstüchtigen Medizinprodukten. Es versteht sich von selbst, dass es hier auch Grenzen gibt. Wo ein Einwegprodukt aus Kunststoff dem Patienten einen höheren Infektionsschutz bietet, wird es in der Regel auch in Zukunft zu bevorzugen sein.
Geprägt von Unternehmerpersönlichkeiten
Gibt es Überlegungen, ein Leitbild für die im VDDI zusammengeschlossenen Unternehmen zu erarbeiten?
Pace: Der VDDI vertritt in erster Linie die gemeinsamen Interessen der Mitgliedsunternehmen und ist dabei sowohl auf fachlicher als auch auf politischer Ebene aktiv. Darüber hinaus fördert der Verband den Meinungs- und Erfahrungsaustausch.
Als Verband wollen wir den Mitgliedsunternehmen kein speziell ausformuliertes Leitbild vorlegen. Dies würde nicht zu einer so mittelständisch strukturierten Branche passen. Denn geprägt wird sie seit mehr als 100 Jahren von Unternehmerpersönlichkeiten, Unternehmerfamilien, genialen Ingenieuren und vielen einzelnen, verantwortungsvoll und umsichtig agierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wohl aber haben wir ein Leitbild für die Internationale Dental-Schau erarbeitet – das ist sie: führend, vollumfänglich, anspruchsvoll, richtungsweisend, erfolgstreibend, fair, branchenverpflichtend, gastfreundlich, gemeinschaftsfördernd und kontinuierlich – seit 100 Jahren der Branchen-Event und der Orientierungspunkt für die gesamte Dentalfamilie.
Schub aus Digitalisierung und Biologie
Seit mehr als einem Jahrzehnt bestimmt die Digitalisierung als Megatrend auch die Dentalwelt – und auch die IDS 2023 wird hier Neuheiten bringen. Welche Trends sehen Sie für 2023 außerdem? Das Motto lautet ja „100 Jahre IDS - Shaping the dental future“.
Pace: Die Zukunft der Zahnheilkunde ist noch digitaler und noch viel biologischer. Die eine oder andere Lücke in bestimmten schon weitgehend digitalen Workflows wird sich im Sinne einer kompletten Digitalisierung schließen. Daneben bleiben analoge Verfahren up-to-date. Selbst bei der Abformung rechne ich damit, dass Elastomere unverzichtbar bleiben – beispielsweise bei schwer zugänglichen Arealen oder bei Unterschnitten. Auf absehbare Zeit dürften daher teildigitale Vorgehensweisen dominieren. Wer beides am besten zu kombinieren weiß – analog und digital – hat die Nase vorn.
Den nächsten entscheidenden Schub für die Zahnheilkunde könnte ich mir von der biologischen Seite her vorstellen. Vielleicht nicht gleich in Form nachwachsender Zähne, aber doch in einem Gewebemanagement, das auf einer vertieften Kenntnis der zugrundeliegenden physiologischen Vorgänge beruht.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Pace: Dass ich die IDS zum 100-Jahr-Jubiläum federführend begleiten darf, das fällt mir jetzt zu, und ich nehme es als eine spannende und herausfordernde Aufgabe an. In diesem Sinne freue ich mich auf die Internationale Dental-Schau vom 14. bis zum 18. März 2023 und sage allen Besucherinnen und Besuchern schon jetzt: Herzlich willkommen!
Die 40. Internationale Dental-Schau
Die 40. IDS – Internationale Dental-Schau findet vom 14. bis 18. März 2023 in den Messehallen in Köln statt. Die IDS wird vom Verband der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) und seiner Wirtschaftsgesellschaft GFDI veranstaltet und von der Koelnmesse GmbH organisiert. Mehr Informationen zur 40. Internationalen Dental-Schau vom 14. bis 18.März 2023 in Köln auf der Homepage der Messe und im Blog zur IDS auf Quintessence News.