Seit 100 Jahren informieren sich Laborinhaber und ihre Teams auf der Internationalen Dental-Schau (IDS). Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Dental-Industrie (VDDI) nimmt dies im Interview mit Quintessence News zum Anlass für einen Ausblick auf das kommende dentale Jahrhundert.
Die IDS steht als Leitmesse einer ganzen Branche im Fokus. Welchen Stellenwert haben die gewerblichen Meisterlabore in diesem Geschehen? Kann man dies auch in Zahlen erfassen?
Mark Stephen Pace: Zahntechnikermeisterinnen und Zahntechnikermeister und ihre Teams sind die Experten für prothetische Restaurationen und als solche nicht ersetzbar. Dies betrifft zum Beispiel die Auswahl und den Einsatz der verschiedenen Werkstoffe in enger Abstimmung mit dem behandelnden Zahnarzt.
Den Schritt von der analogen Welt in den digitalen Workflow vollzieht hierzulande in federführender Rolle meist die Zahntechniker. Vor vier Jahren hat eine von der GFDI mbH, Wirtschaftsunternehmen des VDDI, beauftragte groß angelegte Marktstudie „Atlas Dental“ den folgenden Sachverhalt ermittelt: Schon 75 Prozent der Dentallabore setzen einen Extraoralscanner ein. Dagegen wird ein Intraoralscanner erst in 10 bis 15 Prozent aller deutschen Praxen verwendet. Und aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass einzelne Labore bereits 90 Prozent ihrer Abformungen in einem Datenpaket erhalten.
In vielen Laboren ist die Initialzündung zur Einführung digitaler Technologien durch den Besuch einer IDS erfolgt. In der Regel üben gut 20 Prozent der Fachbesucher der IDS den Beruf Zahntechniker aus.
Wie entwickeln sich die gewerblichen Labore als Kunden der dentalen Medizintechnik und wie lässt sich dies erklären?
Pace: Entsprechend ihrer gleichbleibend hohen Bedeutung weisen die zahntechnischen Labore eine stabile Nachfrage nach Produkten und Serviceleistungen der Dentalindustrie auf. Im Bereich der digitalen Zahnheilkunde halte ich das Zukunftspotenzial für besonders groß.
Den Markt teilen sich viele Unternehmen, darunter viele kleine und mittelständische. Das sorgt für die dentaltypische Innovationskraft, erschwert aber das Erstellen eines aussagekräftigen Gesamt-Zahlenwerks für die Statistiker von Destatis. Daher lassen sich zu spezifischen Marktsegmenten im Dentalbereich keine tiefergehenden Angaben machen.
Wir sehen aber, dass die jetzt nachrückende junge Generation ein sehr enges Verhältnis zu digitalen Anwendungen aller Art bereits aus dem Alltagsleben mitbringt. Hier bildet gerade die Digitaltechnik einen zusätzlichen Motivationsschub, sich für diesen sehr digitalaffinen Arbeitsplatz im Meisterlabor zu entscheiden.
Direkt auf den Arbeitsplatz im Meisterlabor wirken sich auch regulatorische Regelungen aus, aktuell sehr prominent die MDR. Welchen Einfluss hat sie auf die aktuellen Produktsortimente, auf die zukünftigen Innovationen der Medizinproduktehersteller und damit in letzter Konsequenz auch auf die Arbeitsmaterialien des Zahntechnikers?
Pace: Die MDR hat nach ihrer Einführung im Jahr 2017 für die Unternehmen der Dentalindustrie zum Teil aufwändige neue Regelungen mit sich gebracht. Das betrifft das Qualitätsmanagement und verschiedene Dokumentationen ebenso wie die Modalitäten bei der Generierung klinischer Daten und bei der Beobachtung bestimmter Medizinprodukte über deren gesamten Lebenszyklus. Auch mussten viele Produkte höher klassifiziert werden und jetzt strengere Anforderungen erfüllen. Dies betrifft zum Beispiel nanomaterialhaltige Werkstoffe und Software.
So manches nützliche Produkt aus dem langjährigen und bewährten Bestandsprogramm verschwindet, weil der Hersteller zu dem Ergebnis kommt: „Mit dem erhöhten Aufwand durch die neue MDR lässt es sich nicht mehr kostendeckend bereitstellen.“ Zu schaffen macht den Unternehmen insbesondere die Konformitätsbewertung. Sie berechtigt zum Führen der CE-Kennzeichnung.
Der Export der deutschen Medizintechnikprodukte ist sehr deutlich gestiegen. Welche Länder zählen zu den größten Kunden?
Pace: Sie liegen richtig, der Gesamtumsatz der Deutschen Dental-Industrie legte im Jahr 2021, nach dem Corona-Tal 2020, um 28,6 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro zu, der Inlandsumsatz um 12 Prozent auf rund 2,1 Milliarden, der Export sogar um 39,5 Prozent auf rund 4,1 Milliarden Euro. Zu den wichtigsten Exportmärkten zählt die deutsche Dentalindustrie unsere Nachbarn in Westeuropa, den Nahen, Mittleren und Fernen Osten sowie die USA und Kanada. Die mit diesen Zahlen skizzierte wirtschaftliche Entwicklung und die hohe Internationalität werden wir insbesondere auf der 40. IDS vom 14. bis zum 18. März 2023 spüren.
Die IDS 2023 steht auch für einen Start der Online-Plattform „IDSconnect“. Was können wir hier erwarten und was ist Ziel dieses Konzepts für die Zukunft?
Pace: Das Tool IDS connect, das wir erstmals zur IDS 2021 vorgestellt haben, weitet die Präsenzmesse in die digitale Welt aus. Sie finden hier unter anderem das Veranstaltungsprogramm, ausführliche Informationen zu allen Ausstellern und Möglichkeiten zur Vernetzung mit anderen IDS-Teilnehmern – ob sie nun gerade vor Ort präsent sind oder virtuell teilnehmen.
Die primäre Möglichkeit zum Austausch mit Gleichgesinnten bietet sich in den Kölner Messehallen. IDSconnect stellt eine prima Ergänzung mit spürbarem Mehrwert für Zahntechniker und ihre Teams dar. Zur IDS 2021 konnten die Besucher erste Erfahrungen damit machen. 2023 wird es schon ein Stück weit zeitgemäße Routine-Anwendung sein, pünktlich zum Beginn einer neuen dentalen Zeitrechnung, denn 2023 begehen wir das Jubiläum „100 Jahre IDS – shaping the dental future“.