Was dokumentiert wurde, hat auch stattgefunden/ist erbracht worden. Das ist für Zahnärzte bei Auseinandersetzungen vor Gericht etc. ein sehr wichtiger Grundsatz. Wer – wie heute wohl die große Mehrheit der Zahnarztpraxen – seine Dokumentation elektronisch in der Praxisverwaltungssoftware vornimmt, muss nach einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs aber aufpassen. Warum, erläutert Rechtsanwalt Dr. Frank Ihde.
Nach einem unseres Erachtens sehr wichtigen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021, Az.: IV ZR 84/19, verliert die elektronische Dokumentation des Zahnarztes den üblicherweise mit einer Dokumentation verbundenen Beweiswert, wenn nachträgliche Änderungen nicht kenntlich gemacht werden können.
Dieser zunächst recht unspektakulär klingende Leitsatz hat es in sich. Zur Erinnerung: Bei der handschriftlich geführten Dokumentation gibt es zwei sehr wichtige Beweisregeln.1) Ist eine dokumentationspflichtige Tatsache/Maßnahme tatsächlich dokumentiert, so ist davon auszugehen, dass die Tatsache tatsächlich besteht beziehungsweise die Maßnahme durchgeführt ist. 2) Fehlt demgegenüber eine dokumentationspflichtige Tatsache, so ist davon auszugehen, dass die Tatsache nicht existiert beziehungsweise die Maßnahme nicht durchgeführt wurde.
Die Dokumentationspflicht richtet sich grundsätzlich nach therapeutischen Interessen: Muss ein Partner oder Vertreter eine bestimmte Tatsache/Maßnahme kennen, um zum Beispiel den Patienten ordnungsgemäß weiterbehandeln zu können?
Hat der Zahnarzt beispielsweise die dokumentationspflichtige Aufklärung handschriftlich vermerkt, so gehen Gerichte sowie Behörden davon aus, dass sie auch tatsächlich erfolgt ist, gleichviel, ob das der Realität entspricht, oder nicht. Diese für viele Streitigkeiten sehr positive und für den Zahnarzt hilfreiche Beweisregel versagt aber, wenn er elektronisch dokumentiert und eine nachträgliche Veränderung vom Programm nicht kenntlich gemacht wird beziehungsweise kenntlich gemacht werden kann.
Gegnerische Anwälte werden das Urteil verwenden
Man muss damit rechnen, dass Patientenanwälte die oben genannte Entscheidung kennen, und im Prozess gezielt danach Fragen stellen. Fehlt dem Programm die oben beschriebene Eigenschaft, wird es für den Zahnarzt schwierig bis unmöglich, zum Beispiel die Aufklärung des Patienten mit seiner Dokumentation zu beweisen. Hat beispielsweise die damals am Stuhl assistierende Mitarbeiterin die Praxis verlassen, hat der Zahnarzt diesbezüglich ein echtes Problem.
Einzelheiten müssen wie immer sorgfältig besprochen werden, wenn es darauf ankommen sollte.
Frank Ihde, Rechtsanwalt und Notar, Hannover
Rechtsanwalt und Notar Frank Ihde, Hannover (Jahrgang 1954), studierte Rechtswissenschaften in Berlin und Göttingen. Seit fast 25 Jahren ist er praktizierender Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Arzt- und Medizinrechtes. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt hat er jahrelange Erfahrung als Geschäftsführer des Berufsverbandes der Augenoptiker im Umgang mit Krankenkassen und auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechtes gesammelt. Seit 1996 hat er sich auf dem Gebiet des Zahnarztrechtes durch viele Publikationen und Seminare einen Namen gemacht. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein sowie seit 2004 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. Die Notarbestellung erfolgte im Jahr 2002. Zum Mandantenstamm der Kanzlei Ihde&Coll zählen neben den Zahnärzten und Humanmedizinern auch verschiedene Kliniken.