Durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz werden Arbeitgeber dazu verpflichtet, Arbeitnehmer und Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei der Anwendung von arbeitgeberseitig gesetzten Regeln gleich zu behandeln.
Insoweit verbietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz willkürliche Benachteiligungen einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Arbeitnehmergruppe. Er verbietet aber auch eine auf willkürlichen Gründen beruhende, sachfremde Gruppenbildung.
Dabei ist ein Anwendungsfall des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Anhebung von Gehältern in einer Situation, in der die Gehälter allgemein angehoben werden, oder finanziellen Leistungen, die Arbeitnehmern nach einem generalisierenden Prinzip gewährt werden.
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Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet, einzelne Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ohne triftigen Sachgrund auszunehmen. Dies wäre dann eine willkürliche Schlechterstellung und daher ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Beruft sich ein Arbeitnehmer auf den Gleichbehandlungsgrundsatz etwa zum Thema Bezahlung, setzt dies voraus, dass er vom Arbeitgeber Informationen über die Bezahlung vergleichbarer Arbeitnehmer erhält. Dazu braucht der Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber und muss ihn im Streitfall gerichtlich geltend machen.
Ein solcher Auskunftsanspruch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufgrund von § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Rahmen der arbeitsvertraglichen Beziehung, wenn der Arbeitnehmer dem Grunde nach einen Leistungsanspruch hat oder wenn ein solcher Anspruch zumindest wahrscheinlich ist. Ein solcher Anspruch besteht auch, wenn sich der Arbeitnehmer in einer entschuldbaren Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang seiner Rechte befindet und wenn dem Arbeitgeber die Erteilung der Auskunft zuzumuten ist.
In einem aktuellen Urteil kam das BAG zu dem Ergebnis, dass ein außertariflicher Angestellter einen solchen Auskunftsanspruch möglicherweise hatte (BAG, Urteil vom 12.10.2022 – AZ 5 AZR 135/22).
Der Fall
Ein Angestellter hatte seinen Arbeitgeber auf Auskunft über die Gehaltsanpassungen in dem betreffenden Betrieb in den Jahren 2017 bis 2019 verklagt sowie dazu, sein Jahreszielgehalt nach Maßgabe dieser Auskunft in gleicher Weise anzupassen.
Eine solche sogenannte Stufenklage ist gemäß § 254 Zivilprozessordnung (ZPO) möglich. Danach kann eine Klage auf Rechnungslegung oder auf eine andere Information verbunden werden mit einer Leistungsklage, deren konkrete Fassung beziehungsweise Bezifferung sich der Kläger vorbehält, bis er die auf erster Stufe der Klage verlangte Information erhalten hat.
Nachdem der Arbeitgeber das Jahreszieleinkommen des Angestellten im Jahr 2015 und im Jahr 2016 angehoben hatte, stellte er den Angestellten im November 2016 von der Arbeit frei. Später sprach er zwei Kündigungen aus, gegen die sich der Angestellte mit Erfolg gerichtlich zur Wehr setzte. Ab Februar 2019 wurde er wieder beschäftigt.
Im Arbeitsvertrag des Angestellten war festgelegt, dass er zum Kreis der leitenden Führungskräfte gehörte. In den Jahren 2017 bis 2020 erhöhte der Arbeitgeber das Gehalt von 13 Führungskräften, die der Angestellte auch namentlich benennen konnte. Er dagegen ging in diesen Jahren leer aus, unter anderem infolge der unwirksamen Kündigungen und der Abwesenheit von der Arbeit von November 2016 bis Januar 2019.
Das Arbeitsgericht Celle (Urteil vom 20.01.2021 – AZ 2 Ca 214/20) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen wiesen die Klage ab (Urteil vom 09.11.2021 – AZ 10 Sa 176/21).
Zur Begründung wiesen die Gerichte darauf hin, der Angestellte hätte nicht genau genug vorgetragen, dass der Arbeitgeber eine Gruppenbildung der leitenden Angestellten vorgenommen und diesen nach einer allgemeinen Regel Gehaltserhöhungen gewährt hatte.
Take-home-message Der Arbeitgeber hatte sich in dem Rechtsstreit auf den Standpunkt zurückgezogen, dass es angeblich in seinem Betrieb keine generelle Regel gab, nach der leitende Führungskräfte in den Jahren 2017 bis 2019 Gehaltserhöhungen bekommen hätten. Das war nach Auffassung des BAG zu wenig, nachdem der Angestellte immerhin 13 aus seiner Sicht mit ihm vergleichbare Führungskräfte benennen konnte, die im streitigen Zeitraum Gehaltserhöhungen bekommen hatten. Die Ausführungen des BAG weisen darauf hin, dass vom Arbeitgeber ziemlich genaue Ausführungen zur Gruppenbildung verlangt werden, wenn der Arbeitnehmer seinerseits konkrete Anhaltspunkte für eine Gruppenbildung und für eine allgemeine Vergünstigung für eine solche Gruppe vorgetragen hat.
Das Urteil
Das BAG hob das Urteil des LAG Niedersachsen auf und verwies den Rechtsstreit zum LAG zurück, das den Fall jetzt noch einmal prüfen muss, denn der Kläger hatte unter Berufung auf den Arbeitsvertrag seine Zugehörigkeit zu den leitenden Führungskräften ausreichend vorgetragen. Außerdem konnte er immerhin 13 nach seiner Ansicht vergleichbare Führungskräfte benennen, die in der streitigen Zeit von 2017 bis 2019 Gehaltserhöhungen erhalten hatten. Damit hatte er nach dem Urteil des BAG die rechtlichen Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch schlüssig dargelegt.
Der Arbeitgeber hätte nun das Vorbringen des Klägers zur Gruppenbildung entkräften und darlegen müssen, wie groß die begünstigte Arbeitnehmergruppe ist, wer zu ihr gehört und wer nicht, nach welchen Kriterien diese Gruppe abgegrenzt wird und warum der Kläger nicht dazugehört. Eine derart substantiierte Darstellung hatte der Arbeitgeber nicht vorgetragen.
Deshalb hätten das Arbeitsgericht und das LAG die Klage nicht abweisen dürfen, da sie gerade erst die prozessuale Aufklärung eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz begonnen und somit voreilig abgebrochen hatten.
Auch das Argument des Arbeitgebers, dass neben dem Kläger weitere Arbeitnehmer leer ausgegangen waren, wies das BAG zurück. Denn möglicherweise waren auch diese Arbeitnehmer sachwidrig benachteiligt worden. Außerdem hatte der Arbeitgeber auch hier nicht erläutert, warum der Kläger mit diesen Arbeitnehmern vergleichbar sein sollte.
Ein Beitrag von Arno Zurstaßen, Köln
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