Die gute Nachricht: Die ganz überwiegende Zahl der Praxis- oder Apothekeninhaber findet einen Nachfolger. Nur gut 11 Prozent haben ihre Praxis oder Apotheke auflösen müssen. Auch der Verkauf an Investoren ist für viele keine Option, immerhin 55 Prozent gaben an, dass dies für sie nicht infrage gekommen sei. 27 Prozent verkauften an einen Investor, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben. Das sind einige der Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der ApoBank rund um das Thema Praxis-/Apothekenabgabe.
Vorgestellt wurden die Ergebnisse in einer virtuellen Pressekonferenz am 24. Oktober 2023. Danach hätten sich die meisten Inhaberinnen und Inhaber von Praxen und Apotheken den Abgabeprozess schwieriger vorgestellt ist, als er tatsächlich ist. Und es ging vielfach auch schneller und einfacher, als erwartet. Abstriche mussten aber fast 44 Prozent der Abgeber beim angestrebten Verkaufspreis machen (bei den Hausärzten 58 Prozent, bei den Zahn- und Fachärzten nur 40 Prozent), immerhin 47 Prozent sagten, sie hätten ihrem Preis realisieren können.
An der Umfrage der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (ApoBank) zum Thema „Abgabe – zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ beteiligten sich insgesamt 400 Heilberuflerinnen und Heilberufler aus den Bereichen Humanmedizin, Zahnmedizin und Pharmazie (je 100), die entweder noch vor der Abgabe stehen beziehungsweise bereits abgegeben haben. Sie beantworteten Fragen rund um die Herausforderungen beim Verkauf der eigenen Praxis oder Apotheke. So sei eine Gegenüberstellung entstanden, die einerseits die Erwartungen der Noch-Inhaber aufzeigt und andererseits die tatsächlichen Erfahrungen der ehemaligen Selbstständigen darlegt, wie Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmarkt und Beteiligungen, erläuterte. Von den 100 befragten Zahnärztinnen/Zahnärzte standen also 50 noch vor der Abgabe, 50 hatten sie schon hinter sich.
Rentenalter und höhere Belastungen Gründe für die Abgabe
Grund für die Abgabe ist fast immer das Erreichen des Rentenalters. Nur bei den Pharmazeuten stehen die steigenden Belastungen als Abgabegrund weit oben: 48 beziehungsweise 46 Prozent gaben vor/nach Abgabe an, dass sie wegen der Belastungen durch neue Gesetze, Bürokratie und Fachkräftemangel ihre Apotheke abgeben wollen/abgegeben haben, so Daniel Zehnich zu den Detailangaben. Ob das auch bei den Ärzten und Zahnärzten zunehmend ein Grund für eine Abgabe werde, lasse sich noch nicht erkennen, so Zehnich und Carsten Bauer, Spezialist für Praxisberatung der Bank, auf Nachfrage.
Abgabeprozess schneller als vermutet
Im Vergleich zu den Erwartungen läuft der Abgabeprozess für viele grundsätzlich schneller als gedacht: Während die Schätzungen im Vorfeld bei zwei Jahren und vier Monaten liegen, sind es im Schnitt acht Monate weniger, die die befragten Ex-Inhaber für den Prozess benötigt haben. Dabei steigt gut die Hälfte (55 Prozent) sofort aus, die anderen entscheiden sich für einen sanften Übergang in den Ruhestand und bleiben durchschnittlich noch 20 Monate gemeinsam mit ihrer Nachfolge im Dienst. Dass sich die ursprünglich angedachte Übergangszeit oft verkürze, habe meist individuelle Gründe. Besonders kurz sei der Prozess bei Zahnarztpraxen. Ein Viertel der Befragten hätten ihre Praxis innerhalb von sechs Monaten abgeben können.
Nachfolgesuche, Wertermittlung und Planung weniger mühsam als gedacht
Auf die Frage, welche Kriterien bei der Abgabe besonders herausfordernd sein werden, nannten 69 Prozent der befragten Noch-Inhaber, einen geeigneten Interessenten zu finden. In der Praxis gestaltete sich dieser Punkt etwas leichter als gedacht, dennoch machten 37 Prozent tatsächlich diese Erfahrung. Insgesamt hat gut die Hälfte an eine zuvor unbekannte Person abgegeben, 24 Prozent an eine Kollegin oder Kollegen und 9 Prozent an ein Familienmitglied. Auch das persönliche Netzwerk kann hilfreich sein und hat bei 14 Prozent zum Erfolg geführt.
17 Prozent der Zahnärzte geben in der Familie weiter
Zehnich und Bauer verwiesen auf die große Praxisbörse der Bank und auf die individuelle Beratung, die hier Abgeber und potenzielle Übernehmer zusammenbringen könne. 54 Prozent der Zahnärzte, die ihre Praxis bereits abgegeben hatten, haben ihre Praxis an einen ihnen vorher unbekannten Kollegen/Kollegin übergeben. Immerhin 17 Prozent gaben die Praxis innerhalb der Familie weiter – der höchste Wert bei allen befragten Heilberuflern.
Den Wert der Praxis oder Apotheke marktgerecht einzuschätzen, bereitet ebenfalls vielen Heilberuflerinnen und Heilberuflern Kopfzerbrechen. Für die Mehrheit (67 Prozent) derjenigen, die die Abgabe bereits hinter sich haben, stellte sich die Wertermittlung als wenig problematisch heraus. Auch die organisatorische Planung des Abgabeprozesses wird im Nachhinein als weniger mühsam bewertet wie zuvor befürchtet (14 Prozent versus 29 Prozent).
Investitionen vorab lohnen sich
Einen guten Erlös zu erzielen, bereitet im Vorfeld 53 Prozent der Befragten Bauchschmerzen. In diesem Zusammenhang geben 36 Prozent der Noch-Inhaber an, dass bei der Nachfolgersuche das beste Angebot entscheidend sein wird.
Doch es zeigt sich: Wer einen guten Wert erzielen möchte, sollte vorab noch einmal in die Tasche greifen, um die eigene Praxis oder Apotheke auf den neuesten Stand zu bringen: Jede beziehungsweise jeder Zweite entschied sich vor Verkauf für derartige Investitionen – und die Mehrheit (60 Prozent) ist sich einig, dass sich diese mehr als gelohnt haben. Dabei handelte es sich laut Umfrage in der Regel um Maßnahmen zur Digitalisierung, die Anschaffung neuer Geräte oder die Modernisierung der Räumlichkeiten. Gerade junge Ärzte und Zahnärzte würden darauf achten, wie digital eine Praxis bereits sei, so Bauer.
Investor ja, wenn keine Alternative
Sofern keine passende Übernehmerin/Übernehmer gefunden wird, sind 59 Prozent bereit, die eigene Praxis an einen Investor zu verkaufen. Für 41 Prozent wäre ein höherer Verkaufspreis ebenfalls ein Argument für eine Investorenlösung. Doch gut ein Fünftel (21 Prozent) schließt eine solche Option aus. Auf der Seite derjenigen, die den Verkauf bereits abgewickelt haben, käme das sogar für mehr als die Hälfte (55 Prozent) gar nicht in Frage. Ob es tatsächlich aktuell und in Zukunft noch so viele Angebote von Investoren geben wird, sei offen, so Zehnich und Bauer im Gespräch. Man werde beobachten, wie sich die Investoren angesichts steigender Zinsen und der wirtschaftlichen Belastungen der Praxen durch Budgetierung etc. positionieren.
Rechtzeitig vorbereiten und Kontakte nutzen
„Die Ergebnisse zeigen, dass viele Inhaberinnen und Inhaber mit Blick auf die Abgabe einen Berg an Herausforderungen erwarten. Die gute Nachricht ist: Dieser Berg ist im Nachgang doch etwas kleiner, als zunächst befürchtet“, so Zehnich. „Wir sehen aber auch, dass jeder zehnte Niedergelassene seine Praxis oder Apotheke ohne Nachfolge schließt. Die Gründe sind vielfältig – mal handelt es sich um eine Praxis auf dem Dorf, mal um eine Apotheke mit zu geringem Ertrag. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, sich rechtzeitig mit dem Thema Abgabe zu beschäftigen und diese aktiv vorzubereiten, hierfür gibt es entsprechende Börsen, Seminare, Leitfäden und auch professionelle Beratung. Auf jeden Fall sollte die Instandhaltung und Modernisierung auch vor der Abgabe nicht vernachlässigt werden.“
Der Erlös aus dem Verkauf taugt nur bedingt als Altersvorsorge
Eins der Umfrageergebnisse verdeutlicht zudem, dass der Erlös aus dem Praxis- beziehungsweise Apothekenverkauf von vielen für die Altersvorsorge eingeplant wird: Für 55 Prozent der befragten Noch-Inhaber soll der Ertrag aus dem Verkauf der eigenen Praxis oder Apotheke vor allem zur Finanzierung des Ruhestands dienen. Dass dieser Plan nur zum Teil aufgeht, zeigen die Antworten der ehemaligen Inhaberinnen und Inhaber: Nur 24 Prozent konnten mit dem Erlös die Altersvorsorge im größeren Umfang bestreiten. Dass eine Praxis noch mit Schulden belastet sei, sei zum Glück die Ausnahme, hieß es auf Nachfrage.
Frühzeitig Vermögensaufbau für das Alter planen
„Ob der Praxis- oder Apothekenverkauf den gewünschten Verkaufserlös bringt, ist von verschiedenen Faktoren wie Standort, Modernisierungsgrad der Ausstattung oder Fachrichtung abhängig. Er kann in die Planung miteinbezogen sein, sollte aber nicht die tragende Rolle spielen“, sagt Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der ApoBank. „Idealerweise sollte die Altersvorsorge nach mehreren Seiten hin erfolgen. Die Rente aus dem Versorgungswerk ist eine wichtige Basis, aber die private Altersvorsorge und Vermögensbildung sind wichtige Ergänzungen, und je früher sie beginnen, desto besser.“ Pfingsten warnte vor Clusterbildung. Besser sei es, die Anlagen zu diversifizieren und Risiken zu streuen.
Methodik
Befragt wurden 400 Heilberuflerinnen und Heilberufler, davon 200 aktive, die ihre Niederlassung innerhalb der nächsten sechs Jahre abgeben werden, und 200 ehemalige Selbständige, die innerhalb der letzten zehn Jahre abgegeben haben. Dabei kamen jeweils 100 Befragte aus den Bereichen Allgemeinmedizin, Fachmedizin, Zahnmedizin und Pharmazie. Die Befragung wurde vom 7. Juli 2023 bis zum 7. August 2023 online auf Basis einer quotierten Stichprobenziehung aus dem Panel der ApoBank durchgeführt. Mit der Durchführung der Umfrage wurde das Marktforschungsinstitut anwema (Köln) beauftragt.