Wenn gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen in Zukunft in ausreichender Weise verfügbar bleiben sollen, muss Arbeit im Dienste öffentlicher Güter mindestens so attraktiv sein wie Arbeit in anderen Branchen. Ob dies der Fall ist, hat das mehrjährige, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt „Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen sicherstellen“ (GenDis) empirisch untersucht.
Dr. René Lehweß-Litzmann, Projektleiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI), fasst das Ergebnis überraschend positiv zusammen: „In den von uns untersuchten Branchen, also dem Bildungs- und Gesundheitswesen, den Bereichen Verwaltung und Sicherheit, finden sich zum Teil sehr attraktive Berufsbilder. Die Beschäftigten erfahren ihre Arbeit als sinnvoll und nicht wenige Berufsgruppen sind zudem gut bezahlt und genießen eine hohe Beschäftigungssicherheit.“
Berufliche Belastungen teilweise vermeidbar
Bennet Krebs, Wissenschaftler am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn, hat im Rahmen des GenDis-Projekts berufliche Belastungen untersucht. Diese seien im Bereich der personenbezogenen Daseinsvorsorge-Dienstleistungen insgesamt groß. Zum Teil seien die Belastungen den Tätigkeiten immanent, zum Teil jedoch vermeidbar, wenn Rahmenbedingungen verändert würden, insbesondere die Personalschlüssel.
Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage
Doch gerade in der Verfügbarkeit weiteren Personals liegt das Problem: „Selbst wenn die Daseinsvorsorge ihre Beschäftigten halten kann oder sogar noch neue Stellen geschaffen werden: Der Bedarf wächst einfach schneller“, betont Marc Ingo Wolter, Bereichsleiter bei der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) in Osnabrück. Anja Sonnenburg, ebenfalls bei der GWS, ergänzt: „Es genügt auch nicht, auf die Zahl der Beschäftigten insgesamt zu schauen – sie müssen genau dort sein, wo sie gebraucht werden. In manchen ländlichen Regionen Deutschlands ist der Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage schon dramatisch.“
Daseinsvorsorge in den kommenden Jahrzehnten zumindest lokal gefährdet
Am Ende des Buches steht die Feststellung: Die Daseinsvorsorge in Deutschland ist in den kommenden Jahrzehnten zumindest lokal gefährdet – „weiter so wie bisher“ wird es nicht gehen. Eine Patentlösung ist jedoch nicht in Sicht. Und wenn, dann kann eine teilweise Unterversorgung der Bevölkerung mit notwendigen Dienstleistungen nur durch eine Kombination verschiedener Ansätze abgewendet werden: Jungen Menschen wenig bekannte Berufsbilder wie etwa Berufsschullehrerin/-lehrer frühzeitig bekannt machen, Arbeitskraftpotenziale Zugewanderter besser erschließen, Berufswechsel in Daseinsvorsorgeberufe erleichtern, (digitale) Hilfsmittel einsetzen, um Arbeitsbelastung zu reduzieren – etwa bei der Dokumentation, Datenverwaltung und -sicherung. Auch eine gesellschaftliche Diskussion darüber, welche Leistungen tatsächlich in den Kreis der unverzichtbaren gehören, wird zu führen sein.
Berthold Vogel, Direktor des SOFI, zeigt sich erfreut über die neue, fruchtbare Forschungskooperation des SOFI mit GWS und BIBB: „Jedes der Institute hat seine Forschungsstärken eingebracht. So konnten wir multimethodisch unterschiedliche Aspekte dieses für die Entwicklung unseres Wohlstands und unserer Demokratie so wichtigen Themas erfolgreich untersuchen.“
Kostenloser Download
Der kürzlich erschienene Sammelband bildet die Forschung des GenDis-Projekts in zehn Beiträgen ab. Die Publikation ist im Buchhandel und alternativ als eBook zum kostenfreien Download erhältlich.
Originalpublikation:
Lehweß-Litzmann, René (Hg.) (2024): Fachkräfte für die Daseinsvorsorge: Heute hier, morgen weg? Baden-Baden: Nomos, 486 S., ISBN 978-3-7560-0472-0