Die Corona-Pandemie setzt auch die niedergelassenen Zahnärzte unter finanziellen Druck. Ausbleibende Patienten und die Folgen der pandemiebedingten Regularien können dem eigentlich stabilen Berufsfeld stark zusetzen und die Praxis im schlimmsten Fall wirtschaftlich in die Klemme bringen.
Das Schreckenswort für viele heißt dann „Insolvenz“. Dass darin auch eine Chance liegt, ist Zahnärzten oft nicht bekannt. Im Gespräch mit Quintessence News erklärt der Insolvenzrechtsexperte Tilo Kolb von Schultze & Braun, wie sich Zahnärzte mit einer gut geplanten Insolvenz in Krisenzeiten neu aufstellen können.
Herr Kolb, wie häufig geraten Zahnärzte in eine finanzielle Schieflage?
Tilo Kolb: Zunächst einmal muss ich sagen, dass Zahnärzte nicht zu einer Berufsgruppe gehören, die man mit finanziellen Schwierigkeiten oder einer Insolvenz in Verbindung bringen würde. Zahnärzte haben aber aufgrund der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen und Monaten viel weniger Patienten in ihren Praxen behandelt als sonst. Je nach Bundesland war der Praxisbetrieb unterschiedlich geregelt. Teilweise waren Praxen geschlossen, zumeist wurden nur Notfallbehandlungen durchgeführt. So kann eine eigentlich gesunde Praxis schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Aus welchen anderen Gründen stellen Zahnärzte in der Praxis einen Insolvenzantrag?
Kolb: Grundsätzlich spielen häufig äußere Umstände die maßgebliche Rolle. Das sind zu hohe Investitionen in die Praxisausstattung oder nicht rentable Investments. Der Geschäftsbetrieb des Zahnarztes selbst ist nur selten Auslöser für die Insolvenz – auch wenn sich das durch die Corona-Pandemie etwas geändert hat. Hier kommt zum Tragen, dass bei Freiberuflern – anders als bei Unternehmen im klassischen Sinn – der private und der betriebliche Bereich eng miteinander verflochten sind.
„Insolvenz nicht verteufeln“
Wie stehen die Chancen für Zahnärzte, ihr Insolvenzverfahren erfolgreich abzuschließen?
Kolb: Die stehen sehr gut. Weil die Insolvenz häufig durch äußere Umstände ausgelöst wird, trägt sich der Geschäftsbetrieb ohne die finanziellen Belastungen von außen. Wenn der Zahnarzt außerdem ein Insolvenzverfahren nicht verteufelt, sondern als eine reale Chance zur Sanierung begreift, kann er sich mithilfe eines sogenannten Insolvenzplanverfahrens sanieren.
Was verbirgt sich hinter dem Insolvenzplanverfahren?
Kolb: Mit diesem Verfahren kann der Zahnarzt seine Zulassung erhalten. Das ist relevant, weil an dieser Zulassung der Betrieb seiner Praxis hängt. Für Freiberufler – wie Zahnärzte – kommt ein reines Regelinsolvenzverfahren nicht infrage, weil sie dabei ihre Zulassung verlieren würden. Juristisch gesehen hängt das damit zusammen, dass ausschließlich im Insolvenzplanverfahren der Rechtsträger – und an diesem hängt die Zulassung – bestehen bleibt.
Wie läuft dieses Verfahren konkret für Zahnärzte ab?
Kolb: Als erstes muss der Zahnarzt einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellen. Der Richter bestellt dann einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der gemeinsam mit dem Zahnarzt die wirtschaftlichen Gründe für die finanziellen Probleme analysiert. Aus der Analyse leiten beide dann leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen ab. Diese werden im Insolvenzplan festgelegt und dann dem Gericht und den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt.
Das ist allerdings kein Selbstläufer: Der Zahnarzt muss seine Gläubiger überzeugen, dass die Sanierung notwendig und auch erfolgsversprechend ist. Außerdem muss er seine Gläubiger um eine weitere Finanzierung bitten.
„Schnell wieder auf wirtschaftlich sicheren Beinen“
Also ist eine Zustimmung der Gläubiger unmöglich.
Kolb: Nicht unmöglich, aber es braucht Überzeugungsarbeit seitens des Zahnarztes. Wenn er den Dialog mit den Gläubigern aber gut vorbereitet, stimmen sie dem Insolvenzplan im Allgemeinen zu. Der Vorteil für sie ist nämlich, dass sie bei einem Insolvenzplan in der Regel eine höhere Quote bekommen als im Regelinsolvenzverfahren. Das ist ein starkes Argument.
Was passiert dann?
Kolb: Sobald die Gläubiger zugestimmt haben, kann das Insolvenzgericht das Verfahren des Zahnarztes etwa einen Monat später aufheben. Leistet er dann alle vereinbarten Zahlungen fristgerecht an die Gläubiger, gilt der Plan als erfüllt. Das dauert üblicherweise nur sechs bis acht Monate – dann steht der Zahnarzt mit erhaltener Zulassung und saniertem Geschäft wirtschaftlich wieder auf sicheren Beinen.
Ein Regelinsolvenzverfahren dauert viel länger und der Faktor Zeit ist nicht zu unterschätzen: Je schneller der Zahnarzt seine Insolvenz hinter sich lassen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Patienten davon gar nichts mitbekommen und der Imageschaden ausbleibt. Die Vorbereitung spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Es gilt das Prinzip „besser früher als später“
Stichwort Vorbereitung: Was raten Sie einem Zahnarzt, der während der Corona-Pandemie finanziell in Schieflage geraten ist?
Kolb: Es gilt das Prinzip „besser früher als später“: Je früher der Zahnarzt den Insolvenzantrag stellt, desto eher ist eine Sanierung möglich. Wenn es eine Corona-bedingte Finanzierungslücke gibt oder der Zahnarzt in absehbarer Zeit zahlungsunfähig ist, sollte er nicht mehr zögern, sondern das Gespräch mit einem Spezialisten suchen.
Tilo Kolb ist seit 2002 bei Schultze & Braun im Bereich Insolvenzverwaltung tätig und leitet die Niederlassungen der Kanzlei in Dessau und Rostock. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht war vor seinem Wechsel zu Schultze & Braun für die PwC Deutsche Revision AG im Bereich Wirtschaftsprüfung tätig.
Schultze & Braun ist einer der führenden Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung von Unternehmen in der Krise. Mit rund 650 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten in Deutschland und im europäischen Ausland vereint das Unternehmen als einer der wenigen Anbieter juristischen und betriebswirtschaftlichen Sachverstand unter einem Dach. Schultze & Braun unterstützt Unternehmen regional, national und international in allen Sanierungs- und Restrukturierungsfragen, führt sie durch Krise und Insolvenz oder zeigt, wie sich Insolvenzen vermeiden lassen. Darüber hinaus berät und vertritt Schultze & Braun Mandanten in Fragen der klassischen Unternehmens-, Rechts- und Steuerberatung. (Foto: Schultze & Braun)