Die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin e.V. (DGAZ) hat sich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie schon mehrfach zur Frage geäußert, ob und wie pflegebedürftige Patienten in dieser Situation zahnärztlich betreut und behandelt werden können. Nun hat die Gesellschaft am 25. April 2020 eine eigene Stellungnahme zum grundsätzlichen Risikomanagement bei diesen Patienten erstellt.
Nachfolgend die vollständige Stellungnahme.
Risikomanagement bei der zahnärztlichen Behandlung Pflegebedürftiger insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie
Senioren mit Pflege- und Unterstützungsbedarf weisen aufgrund chronischer Krankheiten, Abwehrschwäche und funktioneller Einschränkungen erhöhte Infektionsrisiken auf. Zu nennen wären Bakteriämie, gastrointestinale Infektionen und Atemwegsinfektionen – aktuell insbesondere Infektionen durch das Corona-Virus (SARS-CoV-2). Gerade weil der zahnmedizinischen Betreuung pflegebedürftiger Menschen große Bedeutung zukommt, um Infektionen in der Mundhöhle einschließlich davon ausgehender weiterer Infektionen (zum Beispiel Pneumonie, Endokarditis) entgegenzuwirken [1], hat die Infektionsprävention bei der zahnärztlichen Versorgung oberste Priorität.
Die aktuelle Corona-Krise konnte zeigen, dass zahnärztliche Teams bei der Infektionsprophylaxe außerordentlich gut aufgestellt sind. Während die Allgemeinmedizin besonders hohe Infiziertenzahlen in den eigenen Reihen beklagen musste, kam es in der Zahnmedizin weder in den Teams noch bei den Patienten zu nennenswerten Infektionen [2]. Obwohl hier an dem sehr infektionsträchtigen Rachenbereich gearbeitet wird, hat der über Jahrzehnte erprobte Standardschutz eine nahezu vollständige Wirkung gezeigt.
Im Einklang mit der Stellungnahme des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnmedizin vom 20. April 2020[3] empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin für das aktuelle Corona-Geschehen – in Abwandlung auch für andere relevante Infektionskrankheiten – folgenden Ablauf bei der zahnmedizinischen Betreuung Pflegebedürftiger.
Externe Vorgaben
In Pflegeeinrichtungen handeln zahnärztliche Teams in Absprache mit der Einrichtungsleitung oder mit den von dieser betrauten Personen. Dies sollte im Einklang mit deren innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene – Hygieneplänen – stehen.
Routinemäßige Behandlung (zum Beispiel ohne Verdacht auf Corona-Infektion)
- Chirurgischer Mund-Nasen-Schutz (MNS), Schutzbrille und Schutzhandschuhe sind die Standardausrüstung des Zahnarztes und der ZFA bei jeder Behandlung. Der MNS wird spätestens nach vier Stunden gewechselt.
- Bei allen Patienten sollte vor einer Behandlung unter Einsatz wassergekühlter Übertragungsinstrumente eine antimikrobielle Mundspülung erfolgen.
- Die übrigen Hygienemaßnahmen sind konsequent entsprechend dem zahnärztlichen Praxis-Hygieneplan umzusetzen.
Behandlung von Patienten mit Verdacht auf eine Corona-Infektion
Das begründet den Verdacht auf eine Corona-Infektion:
• Besteht eine COVID-19-Erkrankung oder wurde im Abstrich SARS-CoV-2 nachgewiesen?
• Befindet sich der Patient / die Patientin oder eine ihm/ihr bekannte Person, die im gleichen Haushalt oder Pflegeheim lebt, in einer vom Gesundheitsamt angewiesenen Quarantäne?
• Bestehen Symptome einer Erkältungskrankheit (Husten, Fieber, Schnupfen, Halsschmer- zen, Atemnot) oder Durchfall? Gibt es akute Probleme beim Schmecken oder Riechen?
Die Notfallversorgung von Erkrankten oder Infizierten soll vorzugsweise in den eigens benannten Kliniken oder Schwerpunktpraxen erfolgen. Sind unaufschiebbare zahnärztliche Behandlungen an einem anderen Ort erforderlich, sind über die Hygienemaßnahmen aus dem Hygieneplan hinaus weitere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
- Räumliche oder organisatorische Trennung der Verdachts-Patienten von anderen.
- Der Behandlungsort in einer Pflegeeinrichtung ist mit der dortigen Leitung abzusprechen. Auf dem Weg zu diesem Ort legt der Patient einen MNS (chirurgisch oder textil) an und desinfiziert sich die Hände. Er wird sofort in das Behandlungszimmer geführt. Er legt den MNS erst unmittelbar vor der Behandlung ab.
- Vor der Behandlung ist die Mundhöhle des Patienten mit einer antiviralen Lösung zu spülen. Gegenwärtig können dazu Lösungen auf der Basis von Octenidin, PVP-Iod oder H2O2 empfohlen werden.
- Die zusätzliche Schutzkleidung des Teams besteht aus einem feuchtigkeitsdichten Schutzkittel. MNS, Schutzbrille sowie Schutzhandschuhe gehören zur Standardhygiene.
- Auf Aerosol-produzierende Behandlungsmaßnahmen sollte möglichst verzichtet werden. Dies erreicht man durch einen weitgehenden Verzicht auf Schall- oder Ultraschallschwinger, Turbinen, Pulverstrahlgeräte und piezochirurgische Geräte.
- Ist ein Einsatz wassergekühlter Übertragungsinstrumente notwendig, muss das Team an Stelle des chirurgischen MNS eine FFP2-Maske ohne Ausatemventil tragen. Kofferdam ist empfehlenswert. Auf eine effiziente Sprühnebelabsaugung ist zu achten.
- Nach der Behandlung und vor Ablegen der Schutzkleidung erfolgt eine Desinfektion der Schutzhandschuhe. Nach Ablegen der Schutzhandschuhe sind die Hände zu desinfizieren.
- Bei der Hände-, Instrumenten- und Flächendesinfektion, der Wäscheaufbereitung sowie der Abfallentsorgung sind keine Abweichungen vom routinemäßigen Verfahren erforderlich.
Gesundheitscheck bei Mitarbeitern der Praxis
Bei Auftreten respiratorischer Symptomatik (Husten, Fieber, Schnupfen, Halsschmerzen, Atemnot) oder Durchfall sowie akuten Problemen beim Schmecken oder Riechen sollte das Gesundheitsamt kontaktiert werden und ein Abstrich zum Ausschluss von SARS-CoV-2 erfolgen.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin , 25. April 2020
Literatur
[3] DAHZ–Stellungnahme Corona 20.4.2020, online