CAD/CAM und Implantologie stehen schon seit mehr als einem Jahrzehnt in enger Verbindung. Schon früh gab es Ansätze, die komplexe Implantatplanung mithilfe computergestützer Verfahren zu erleichtern, Bohrschablonen mit CAD/CAM-Technologie zu fertigen und Abutments, Provisorien und implantatgetragenen Zahnersatz auch mit CAD/CAM-Verfahren herzustellen. Auch die computergestützte Implantologie mit Echtzeitnavigation war schon Anfang der 2000er-Jahre ein Thema.
So ist CAD/CAM aus der modernen Implantologie heute in vielen Fällen nicht mehr wegzudenken. Die aktuelle Ausgabe des International Journal of Computerized Dentistry widmet sich daher in ihrem Schwerpunkt genau diesem Thema. So geht es unter anderem um die Qualität digitaler Abformungen im parodontal geschädigten Kiefer, um die Genauigkeit der dynamischen Navigation, um Auswirkungen unterschiedlicher Materialkombinationen auf Implantate und die Effektivität der Dekontamination der Spiegelhülsen von CAD/CAM-Kameras. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit Nebenbefunden, die bei DVT-Aufnahmen für kieferorthopädische Behandlungen anfallen können.
Das „International Journal of Computerized Dentistry“ soll es dem Praktiker wie dem Wissenschaftler ermöglichen, sich umfassend mit allen Gebieten der computergestützten Zahnheilkunde auseinanderzusetzen, um so das neue Medium Computer nutzbringend in die Behandlungskonzepte integrieren zu können. Das Besondere dieser Zeitschrift ist ihre Mehrsprachigkeit: Alle Artikel werden sowohl auf Englisch als auch in der Muttersprache der Autoren veröffentlicht; die Beiträge englischer Autoren zusätzlich auf Deutsch. Damit wird - unter Wahrung der Originalität - ein international zugängliches Forum des Informationstransfers auf diesem Sektor geschaffen. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenloses Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Prof. Sven Reich aus Aachen skizziert in seinem Editorial zu diesem Heft verschiedene Szenarien der „total digitalen Welt“ und stellt fest: „Was wir ganz sicher brauchen, ist unabhängige Wissenschaft, die untersucht, entwickelt, bewertet und auch unter ethischen Gesichtspunkten urteilt.“ Dies leiste das aktuelle Heft – und relativiere damit sicher auch das eine oder andere Szenario.
Wundverschluss mit CAD/CAM-gefertigten Abutments
Der reich bebilderte Beitrag von Finelle et al. „CAD/CAM-Protokoll zur Herstellung individueller Sealing socket healing abutments für Sofortimplantate nach Molarenextraktion. Eine Fallserie“ beschreibt ein noch vergleichsweise neues Verfahren. Die Ergebnisse dieser Studie legten nahe, dass die Sofortimplantation unter Verwendung von individuellen SSA-Gingivaformern eine geeignete Behandlungsoption sei, die jedoch nochdurch prospektive, randomisierte Studien validiert werden müsse.
„Die große Herausforderung nach der Sofortimplantation in Seitenzahnalveolen ist die Herstellung eines adäquaten primären Weichgewebeverschlusses, wozu häufig invasive chirurgische Maßnahmen wie Periostschlitzung, Verschiebelappen und Verlagerung der Mukogingivalgrenze nötig sind, die zu einer deutlich erhöhten postoperativen Morbidität führen können“, so die Autoren.
Alternative zu chirurgischen Maßnahmen
„Kürzlich wurde eine individuell geformte prothetische Versiegelung als alternative Option für derartige Situationen vorgestellt, die verwendet werden kann, um Extraktionsalveolen von Molaren mechanisch zu verschließen und das Weichgewebe zu stützen. Das Konzept besteht aus der Herstellung individueller Gingivaformer, welche die transgingivale Zone über dem Implantat und Transplantat ausfüllen. Dieses Sealing socket abutment (SSA) wird zum Zeitpunkt der Implantation am Behandlungsstuhl CAD/CAM-gefertigt. Das digitale Protokoll soll den Behandlungsprozess automatisieren, dem Zahnarzt die Möglichkeit geben, das transmukosale Profil des Weichgewebes zu konditionieren und zu einem effizienteren, weniger invasiven und geradlinigeren Workflow führen.“
In die Fallserie wurden 29 Patienten inkludiert, die einen Molarenersatz durch ein Sofortimplantat erhalten haben. Zum Zeitpunkt der Implantatsetzung wurde eine digitale Abformung durchgeführt und chairside ein individueller SSA-Gingivaformer CAD/CAM-gefertigt, der direkt eingesetzt wurde, um die Alveole zu verschließen. Ausgewertet wurden die klinischen Ergebnisse nach mindestens zwei Jahren Follow-up.
Unauffälliger Heilungsverlauf
„Alle Patienten berichteten nach einer Woche von einem unauffälligen Heilungsverlauf. Implantatversagen wurde nicht beobachtet, und die Untersuchung durch einen erfahrenen Behandler ergab gesunde und stabile periimplantäre Gewebe. Die Ergebnisse dieser Studie legten nahe, dass die Sofortimplantation unter Verwendung von individuellen SSA-Gingivaformern eine geeignete Behandlungsoption sei, so die Autoren. Sie sollte jedoch durch weitere hochwertige Studien validiert werden.