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Kulturgeschichte des Zahnschmerzes – Teil 1


Prof. Cengiz Koçkapan

Der Bart galt in früheren Zeiten als Zeichen der Männlichkeit und Weisheit und als Ort der Stärke; man glaubte, wer seinen Bart beseitige, verliere die Kraft1. Im Bart vermutete man, wie im Haar überhaupt, die Lebenssubstanz; darum beschwor man durch Berührung des Bartes den Angerufenen gleichsam bei seinem Leben.

Andererseits wurde vermutet, dass die Manneskraft mittels des Bartes auf andere übergehe; so hieß es aus Mecklenburger Quellen, wenn die Nachgeburt nicht kommen will, solle sich der Mann den Bart abscheren und ihn nebst Seifenschaum der Wöchnerin eingeben1. Männliche Trauernde gaben ihre Verzweiflung durch Abschneiden ihres Bartes kund2,3. Anders im alten Rom: Dort ließ man im Trauerfall oft jahrelang Haar und Bart wachsen und bediente sich daneben schlechter und geringer Kleidung4.

Die Geschichte des Zahnschmerzes ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Und es ist einiges besonders an diesem Schmerz – seine alles andere in den Hintergrund drängende Intensität, sein Status als Symptom für eine der häufigsten Todesursachen im Mittelalter und seine einfache, aber brachiale Behandlung durch Extraktion mehrten die Faszination für die „Auslöser“ Zähne und führten zu einer stattlichen Sammlung von Mythen und Fakten. Diese hat unser Autor Prof. Cengiz Koçkapan in einer mehrteiligen Serie für die Zeitschrift Endodontie aufbereitet, die wir in lockerer Folge auf Quintessenz News veröffentlichen. Im ersten Teil geht es um die Beziehung von Bart und Zahnschmerzen.


Man strafte große Verbrechen, indem man dem Schuldigen den Bart abschneiden ließ; es war ein Zeichen von Ehrlosigkeit, wenn man sich diese wertvolle Zierde nehmen lassen musste5. Wer sich Haar oder Bart abschneiden ließ, unterwarf sich dadurch der Gewalt des anderen. Daher geschah die Adoption von Erwachsenen bei Goten, Langobarden und Franken symbolisch durch Abschneiden des Haares oder des Bartes: so adoptierte Alarich, der König der Westgoten, den Frankenkönig Chlodwig1. Es galt als Schimpf, sich den Bart verunglimpfen zu lassen. Um die Israeliten zu kränken, schnitten die Ammoniter Davids Boten den Bart auf einer Gesichtshälfte sowie die Hälfte ihrer Kleider ab1,5,6. Eine der härtesten Strafen, die man über den Araber verhängen konnte, bestand darin, dass man ihm den Bart nahm. Plutarch sagte5 „ein jeder, der bey den Lacedemoniern einer Feigheit habe überführt werden können, sey genöthigt worden, als ein äußerst schimpfliches Schandmal, einen Theil des Knebelbarts rasirt, und den andern behaart zu tragen.“ Die Bürger von Kreta waren so sehr in ihren Bart verliebt, dass sie es für den größten Schimpf und für die größte Beleidigung hielten, wenn man ihnen den Bart abscheren ließ5. Ein Bürger von Kreta betrachtete die Ehre seines Hauses als wiederhergestellt, nachdem einigen jungen Leuten, die seiner Tochter Gewalt angetan hatten, der Bart geschoren worden war6. 

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.


Geschichte des Barts

Die Assyrer und Babylonier trugen ornamentale Bärte7. Alte Ägypter trugen keine Bärte, hatten lediglich einen falschen Bart entsprechend ihres Rangs am Kinn7,8 und ließen Haare und Bart laut Herodot nur während der Trauer wachsen9. Alle heidnischen Götter, mit Ausnahme von Apollo, trugen buschige Bärte. Sogar sein Sohn Asklepios wird als bärtiger Mann abgebildet10. Um die Zierde des Bartes zu erhöhen, durchflocht man ihn im Altertum mit Goldfäden, und Jünglinge opferten den ersten Flaum von ihrem Kinn als ihr höchstes Gut auf dem Altar. Homer sagte den Griechen nach, sie seien wohlgeübt gewesen in der Kunst, den Bart zu pflegen; er selbst verabscheute die Vernichtung derselben2. Seit homerischer Zeit berührten kniende Bittflehende den Bart der ersuchten Gunstgewährenden. Hierin gründet sich die Redewendung „jemandem um den Bart gehen“11. Nach Athenäus trugen alle Griechen Bärte bis zur Zeit von Alexander dem Großen, welcher seinen Mazedoniern im Jahre 332 v. Chr. vor der Schlacht von Arbela das Bartabschneiden anbefahl, weil der Feind sie im Kampf am Bart ergreifen könnte2,5,9–14. Die Athener schoren sich auch ohne diesen Zwang den Bart, bis Justinian die bärtigen Gesichter wieder in Mode brachte7. Die Philosophen des alten Griechenlands waren der Länge ihres Bartes halber berühmt und so betitelte Persius den Sokrates als bärtigen Meister (magister barbatus), und Lucian erzählt von einem, welcher sich um eine Professur bewarb, jedoch der Kürze seines Bartes wegen zu solchem Amte untauglich befunden wurde2,3. Bei den Arabern und Türken hatte ein Zeuge mit einem langen Bart einen großen Einfluss auf die Entscheidung einer streitigen Sache4,6,15.

Bart als Schutz

Moses betrachtete den Bart als ein Geschenk der Natur, wodurch das Gesicht sowohl gegen die Einwirkungen der rauen, nachteiligen Witterung als auch gegen die alles aussaugende Sonne geschirmt, und auf diese Weise die innere, zur Gesundheit zuträgliche Wärme in demselben erhalten wird. Deshalb stellte er auch das Gesetz auf, dass sein Volk weder die Haare am Haupt noch den Bart scheren sollte5,12,13. Die levitischen Priester ließen ihre Bärte wachsen, und eine Verordnung verbot das Abstumpfen der Kanten des Bartes. Lange Bärte und schleppende Gewänder wurden von den Juden der Vorzeit als Zeichen der Ehrenhaftigkeit betrachtet2,3.

Bei den Römern waren rotes Haar und roter Bart hoch gepriesen worden, weshalb auch viele große Männer diese Naturgabe in ihren Namen und Titeln als Zierde kundgaben. So sind uns bekannt: Sp. Latius Rufus, Sergius Sulpitius Rufus, Q. Minutius Rufus, P. Rutiltus Rufus, Q. Pompeius Rufus; lauter rothaarige Männer, die in den asiatischen, thrakischen, kimbrischen, parthischen und illirischen Kriegen ihren Namen durch heroische Tapferkeit verewigt haben12. 400 Jahre lang, sagte Cicero, gab es in Rom keine Barbiere; um das Jahr 454 nach Roms Erbauung kam Ticinius Mänas, ein Barbier aus Sizilien, nach Rom und führte die Sitte ein, sich den Bart abscheren zu lassen. Scipio Africanus war der erste, der sich tagtäglich barbieren ließ und nach ihm hat sich diese Sitte verallgemeinert2,5,7,9,10,12,13,16. Ha­drian führte den Bart wieder ein, vermutlich, weil er damit seine Gesichtsnarben bedecken wollte5,13.

Was unsere Vorfahren anbetrifft, so steht fest, dass langes Haar und langer Bart die Ehrenzeichen der Freien und Edlen waren. Die alten Gallier, Germanen und Franken trugen einen Bart5. Die Chatten ließen ihren Bart und die Haare wachsen, bis sie einen Feind getötet hatten9. Die Angelsachsen schoren sich niemals; Druiden und Barden waren langbärtig, so berichtete Julius Caesar. Viele erhielten ihren Namen von ihrem Barte, wie William Rufus, der Normannenkönig von England, Barbaros Hayreddin Pasa oder Friedrich Barbarossa. Auch nannte man die Familie von Heraklius wegen ihrer langen Bärte im alten Griechenland Pogonatos9. Die stolzen Bärte deutscher Ritter verschwanden mehr und mehr, als die Kreuzzüge sie über die vaterländischen Grenzen hinauslockten. Als in Frankreich mit Ludwig XIII. und Ludwig XIV. zwei Monarchen herrschten, welche beide minderjährig den Thron bestiegen und noch ohne Bartwuchs waren, schoren sich die Hofleute aus Kriecherei das Kinn glatt2,3. 

Perser, Türken und Araber trugen Bärte7. In Palästina und Ägypten glaubte man, dass die Leute mit hellblauen Augen einen bösen Blick haben müssen. Dieser sei zweifellos vorhanden, wenn die betreffende Person außer den hellblauen Augen auch zusammengewachsene Augenbraunen, weit auseinanderstehende Schneidezähne und keine Haare hat17,18. Am gefährlichsten war es, wenn diese Kennzeichen bei einem bartlosen Mann anzutreffen waren. Nicht nur bei den Arabern, sondern auch bei anderen Völkern wurden die Augen insbesondere kinderloser Frauen und bartloser Männer als die gefährlichsten gefürchtet19. Abgeschnittene Haare und Bärte sollte man nicht leichtsinnig wegwerfen, die Hexen würden sie nehmen oder ein Vogel trage sie in sein Nest, und dann bekomme man ein unsinniges Kopfweh. Auch solle man sich Haar und Bart am Karfreitag nicht scheren lassen; wer das tue, werde viel Kopfweh haben20.

Rasur als hygienische Maßnahme

Der Brauch, sich die Bärte zu rasieren, wurde im Jahr 1160 auf dem europäischen Kontinent von Peter Lombard eingeführt. Papst Innozenz III. bestätigte 1200 diesen Brauch im Laterankonzil. Der Grund für die Bartlosigkeit der kirchlichen Geistlichen war, dass man beim Empfang der heiligen Sakramente mit dem Bart das Brot und den Wein berühren und Krümmel und Tropfen auf dem Bart hängen bleiben konnten3. Adam2 fand 1862 dieses Gebaren der Geistlichkeit gegen das Tragen der Vollbärte umso unbegreiflicher, als alle Künstler heidnischer und christlicher Zeit den lieben Gott, der uns doch nach seinem Ebenbild erschaffen, mit einem Vollbart darstellten. 


Abb. 1 Eine Gruppe von Männerporträts, illustrativ für die Haar- und Bartmode (Aus: Rowland, 18533). 1. Thomas, Lord Seymour of Sudelcy 1549; 2. Godefroid Duc de Bouillon 1100; 3. Leonardo da Vinci 1512; 4. William Powlett, Marquis of Winchester 1572; 5. John Powlett, Marquis of Winchester 1672; 6. William first Lord Paget 1563; 7. Marc de Wilson, chevalier sieur de la Colombier 1650; 8. Charles II 1660; 9. General Lafayette 1790.

Im Verlauf der Geschichte hat es zahlreiche Modearten der Bärte und der Schnurrbärte gegeben3,21; beispielsweise den langen Vollbart, den viereckigen oder russischen Vollbart, Henri Quatre, Schriftsteller, Herweghs, Künstler, Backenbart, Schnablir, Hasen, Ourangutan, Eremiten, Schifferkrause, Victor-Emanuel-Bart, Ziegenbart, den Bart mit zwei Spitzen, Spitzbart, Kinnbart sowie alle weiteren möglichen Formen des Schnurrbarts, wie starr in die Höhe ragender Schnurrbart, Bindfadenbart, Walross, Moustache. Eine Auswahl der alten Bartformen ist in Abbildung 1 dargestellt.

Als Karl der Große im Jahr 774 die Lombardei unterwarf, ließ er sich endlich doch dazu bewegen, im Jahr 788 Grimoald nach Benevent heimkehren zu lassen; aber Grimoald musste ihm versprechen, dass auf den Münzen und öffentlichen Urkunden der Name des Königs voranstehen und die Langobarden in seinem Herzogtum ihren Bart abschneiden sollten. Denn die Römer ließen den Bart nicht wachsen, die Langobarden aber trugen zur Rechtfertigung ihres Namens noch immer lange Bärte, und dieses äußere Zeichen reichte aus, um zwischen ihnen und den Römern eine Unterscheidung zu erhalten. Darum verlangte Karl der Große, dass der Bart der Langobarden fallen sollte5,23. Später ließ sich Karl der Große jedoch selbst einen Bart wachsen. 

Bei Ludwig VII, König von Frankreich, spielte der Bart eine merkwürdige Rolle. Er hatte erst einen langen Bart getragen, ließ ihn aber später abscheren. Dies gefiel seiner Gattin Eleonore von Aquitanien (1122 bis 1204) gar nicht. Sie ließ ihn wissen, dass sie eine Abscheu gegen das Rasieren habe. Sie könne ihn nicht mehr lieben, wenn er bartlos sei. Ludwig blieb bartlos, Eleonore ließ sich scheiden und heiratete den vollbärtigen Heinrich Plantagenet, Herzog von Anjou und der Normandie, späterer König von England6.

Peter der Große war kein Anhänger der Bärte. In seinem Reformeifer, das mittelalterliche Russland in ein modernes Reich europäischer Prägung zu verwandeln, verlangte er nicht nur eine entsprechende Kleidung, sondern stieß sich auch an der religiösen Sitte der Männer, lange Bärte zu tragen. Er schnitt Männern eigenhändig die Bärte ab und führte 1698 sogar eine Bartsteuer ein6,8,12,25. Wer seinen Bart behalten wollte, musste – je nach seinem Stand – eine jährliche Bartsteuer in Höhe von 30 bis 100 Rubeln entrichten. Wurde ein Bärtiger ohne Steuerquittung angetroffen, konnte es vorkommen, dass die Soldaten den Bartträger sofort zwangsrasierten25. Nur die Geistlichkeit und die Bauern durften ihre Bärte fortan steuerfrei tragen26. Bärtige Besucher vom Lande durften ihren Bart nur nach Entrichtung von einer Kopeke wieder mit nach Hause nehmen10,12,25. Besonders ältere Russen bewahrten ihre abgeschnittenen Bärte als Reliquien auf, und verordneten, dass diese nach ihrem Tod neben sie in den Sarg gelegt werden mögen, auf dass sie dem heiligen Nicholas darüber Rede und Antwort geben könnten12. Als auch die russischen Soldaten vom Zar gezwungen wurden, sich von ihren Bärten zu trennen, klagten sie darüber, dass die Kälte auf ihr Gesicht schlage und bei ihnen Zahnschmerzen auslöse3. Man meinte beschwichtigend, dass der Zar Peter diesen Befehl aus religiösen Gründen erteilt habe. Die Armee war nämlich im Begriff, gegen die Türken zu marschieren und es war bekannt, dass die Janitscharen Bärte trugen. Daher war es besonders wichtig, dass die Russen sich von den Türken unterschieden. Nur so könne ihr heiliger Nicholas seine eigenen Leute erkennen. Als der Krieg gegen Schweden begann, durften die Soldaten wieder ihre Bärte tragen7,13. Sein Nachfolger Peter III. (1728 bis 1762) hatte nach seiner Thronbesteigung 1762 vor, die Regel über das Barttragen noch weiter zu verschärfen. Sein plötzlicher Tod führte dazu, dass diese Regel nicht in Kraft trat. Die Zarin Katharina II. (1729 bis 1796) konnte nur bärtige Männer leiden, und ihr Liebhaber Potemkin besaß bekanntlich nicht den schlechtesten Bart. 

Die Königin von England, Elizabeth I. hasste Bärte und führte 1558 eine Bartsteuer ein. Alle, die sich 14 Tage lang nicht rasierten, mussten diese Steuer in Höhe von 3 Shilling und 6 Pence entrichten. Diese Regelung wurde aber nicht ganz ernst genommen6,9,14. 


Abb. 2 Bart- und Schnurrbarttrend. Eisenbahnschaffner: „Nun Madam, ist es ihr Gepäck?“ Ältere Dame (die dachte, sie würde von Banditen überfallen) „Ach ja Gentlemen, es ist meins; nehmen Sie – nehmen Sie alles, was ich habe; aber verschonen, verschonen Sie unser Leben!“44

Im Verlauf der Geschichte gab es sowohl Verfolgungen des Bartes als auch der Bartlosigkeit. Auch änderte sich die Mode ständig, einen besonders rasanten Aufschwung erlebte der Bart in der Mitte des 19. Jahrhunderts in England. Man sah in den Karikaturen (Abb. 2) unrasierte Polizisten und vollbärtige Schaffner, die den Straßenkindern beziehungsweise den Damen ganz schön Angst einjagten. Ein starker Bart lässt einen Mann eher bedrohlich wirken und ein exponierter Bart kann zur Einschüchterung von Rivalen dienen11.

Der Bart in Erzählungen

Eine makaber humorvolle Geschichte betrifft den Bart von Thomas More (1478 bis 1535). Er war Kanzler im Dienste von Heinrich VIII. Er fiel in Un­gnade, wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Laut einer Erzählung bat er den Henker bei seiner Hinrichtung, beim Zuschlagen mit dem Beil auf seinen Bart zu achten, weil dieser keinen Hochverrat begangen habe2,6–8.

„Viel Lärm um nichts“, entstanden 1597 bis 1599, ist eine Komödie über Liebe von William Shakespeare. Claudio, Leonato und Don Pedro schmieden einen Plan, Benedikt, einen überzeugten Junggesellen, mit Beatrice zu verkuppeln. Sie lassen Benedikt ein Gespräch bewusst belauschen, in dem sie besprechen, dass Beatrice unter ihrer Liebe zu ihm sehr leide. Benedikt beschließt, ihre Liebe zu erwidern. Das Gespräch von Hero und Zofe Ursula in Hörweite von Beatrice hat das gleiche Ziel. Sie möchte in Zukunft freundlicher zu Benedikt sein. Beeinflusst durch romantische Passion lässt sich Benedikt den Bart abscheren, gibt seine sarkastische Art und sein soldatisches Aussehen auf und tritt gründlich gewaschen, frisch rasiert und parfümiert auf. Leonato bemerkt: „In der Tat, er sieht um einen Bart jünger aus.“ Allerdings klagt Benedikt ohne Bart über Zahnschmerzen: „Mich schmerzt der Zahn“; vermutlich, um von dem süßen Schmerz seiner romantischen Verlangen abzulenken. Während der Renaissance wurde angenommen, dass zwischen dem Vorhandensein eines Bartes und Zahnschmerz ein Zusammenhang bestehe22. Shakespeares Zuschauer hatten vermutlich diesen Zahnschmerz als Opfer Benedikts angesehen, um die Gunst von Beatrice zu gewinnen22. Sie mochte nämlich keine bärtigen Männer: „Wie sollte ich wohl einen Mann mit einem Bart im Gesicht aushalten; lieber schlief ich auf Wolle.“

In einer Erzählung von Heinrich Zschokke (1771 bis 1848) „Ein Narr des neunzehnten Jahrhunderts“ geht es um den Bart des Pfarrers: „ … Als aber alle Flyeler den Bart trugen, und er und der Pfarrer nur allein glattkinnig gingen, machte das auf den Kerl eine wunderbare Wirkung. Denn auch der Pfarrer wagte es endlich, den Bart stehen zu lassen. So blieb der Leibeigene allein der Geschorene. Das konnte er nicht ertragen. Er besserte sich, um unter ehrlichen Leuten ehrlich zu sein.“ Den guten Pfarrer kostete sein Bart beim Konsistorium viel Verdruss. Umsonst bewies er, dass der Bart nicht für und wider den wahren Glauben sei; umsonst berief er sich auf die heiligen Männer des alten und neuen Bundes; umsonst zeigte er, dass er, indem er sich seiner Gemeinde in allem gleich mache, am besten wirken könne; dass er eben dadurch wirklich einen für unverbesserlich gehaltenen Menschen im bisherigen Lebenswandel geändert habe. Der Bart gab zu vielen Konsistorialverhandlungen Anlass. Erst nachdem der Pfarrer ärztliche Zeugnisse beibrachte, dass er, sonst immer an Zahnweh leidend, nur durch den Bart gegen diese Not geschützt sei, ward ihm derselbe, seiner Gesundheit willen, doch unter Beschränkungen, gestattet.

In seinem Buch berichtet Hansteen27 über seine in den Lebensjahren 1828 bis 1830 unternommene Reise durch Sibirien. Darin erzählte er, wie die größten Störe nach Beendigung der Fischerei von drei Kosakenoffizieren zum Kaiser nach Petersburg geschickt wurden: „In der bei dieser Gelegenheit stattfindenden Audienz wird dem Führer der Deputation ein inwendig vergoldeter silberner Pokal, in Gestalt einer ziemlich weiten flachen Vase auf einem mäßig hohen Fuße, mit Ducaten gefüllt, überreicht. In einem Glasschrank, der einiges Silberzeug enthielt, zeigte uns unser Wirth in Uralsk drei solche Pokale, welche er als Führer solcher Deputationen zu verschiedenen Zeiten erhalten hatte. Das Einzige, was ihm nach seiner Aussage bei diesen Audienzen beschwerlich fiel, war, dass er nach den Regeln der Hofetikette seinen gewöhnlich langen und dicken Bart abrasiren musste, wodurch er sich auf der winterlichen Heimreise jedesmal Zahnschmerzen zuzog, bis der Bart wieder gewachsen war.“

In einem gerichtlichen Verfahren wegen Hochverrats gegen Pfarrer D. Friedrich Ludwig Weidig erklärte Heinrich August Becker (1812 bis 1871) am 3. Januar 1837 vor der Visitationskommission28: „Er wünsche einen Rechenstein, habe aber hierzu die Erlaubniß nicht erhalten; sodann sei ihm sein Bart abrasiert worden, seit welcher Zeit er beständig an Zahnschmerz leide.“ Darauf erwiderte Hofgerichtsrat Georgie: „… jener Becker aber trug einen Bart wie ein Sappeur, drehte, so oft er vor den Richter kam, an den Barthaaren, als wolle er eine gewisse Gleichgültigkeit, ein Mißkennen seines Standes dadurch absichtlich an den Tag legen, der Bart gab einen so widerlichen Geruch von sich, das ich mich ganz in meinen Rechte sah, zu befehlen, dem Becker den unschicklichen Bart abzunehmen.“

Andrea Löw29 schildert in ihrem Buch „Juden im Getto Litzmannstadt“ folgende Begebenheit: „Besonders orthodoxe Juden waren häufig das Ziel von Gewalt und Schikanen. So wurde ein Rabbiner auf dem Wagen durch die Stadt gefahren, er trug den Gebetsmantel und in den Händen ein Schild mit der Aufschrift „Wir Juden wollten diesen Krieg“. Um den Wagen waren alte, bärtige Juden mit Besen in den Händen versammelt. Deutsche Soldaten und Polizisten schnitten orthodoxen Juden die Bärte ab oder rissen sie sogar aus. (…) Trotz dieser Gewalt­ausbrüche brachten es viele religiöse Juden nicht über sich, ihren Bart abzurasieren. Sie begannen stattdessen, sich Tücher um den Kopf zu wickeln, als hätten sie Zahnschmerzen.“ Andererseits glaubten die Wiener Juden im Mittelalter, dass man seinen Bart abschneiden sollte, um Zahnschmerzen zu bekämpfen30. In Donegal/Irland sollten sich die Juden nicht während des Sabbats rasieren, um sich vor Zahnschmerzen zu schützen31.

Bart, Gesundheit und Zahnschmerz

Joannis Pieri Valeriani Bellunensi (1447 bis 1558) befasste sich wohl als Erster mit dem Thema Bart und Gesundheit32. Es sei unstrittig, dass die langen Bärte sehr gesundheitsfördernd seien, weil die Bärte überflüssige Säfte abziehen. Diese Säfte sollen den Bart, Merkmal der Männlichkeit, ernähren. Die Zähne sollen durch einen langen Bart vor dem Verfaulen geschützt und das Zahnfleisch verfestigt werden. Diese Vorteile haben die Leute, die sich rasieren nicht und deshalb leiden sie unter Zahnschmerzen und unter frühem Zahnverlust. Außerdem soll der Bart das Gesicht vor den brennenden Sonnenstrahlen schützen.

Viele Mediziner unterstützten die Bartbewegung in England in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit obskuren Argumenten. So behauptete man allen Ernstes, dass das Barttragen gesundheitsfördernd sei. In der Zeitschrift „Gartenlaube“ von 185633 befasste sich ein anonymer Autor mit dem Bart als Medizin und vertrat die absonderliche Meinung: Der Bart hätte sich „in seinem natürlichen Wachstum am Kinn und unter der Nase als gesundheitsschützender Respirator besonders in England wieder Ruhe vor dem wütenden Rasirmesser und gegen die frühere Verfolgung von Seiten der backenbärtigen Sclaven des Geldmachens verschafft. (…) In Edinburg sogar haben über 500 Maurer einen Verein zu Wachsthum und Pflege ihrer Bärte als Schutzmittel gegen Staub und dergleichen Lungengifte in der Luft gegründet, erfreuen sich seitdem einer viel bessern Gesundheit als früher. Englische Aerzte haben eine früher aufgestellte Behauptung tausendfältig bewährt gefunden, daß auch viele Augenkrankheiten, Zahn- und Halsschmerzen von der Wuth, sich möglichst jeden Morgen Kinn und Oberlippen einzuseifen und abzuschaben, herrühren. (…) Diese Ansichten haben sich in England ziemlich allgemein verbreitet, so daß sich der Bart immer häufiger und stärker als Medicin unter den arbeitenden Klassen einstellt.“

Nach Adam2 hieß es: „Der Bart erwärmt und schützt den Mund, Zähne und Speicheldrüsen, und erhält so diese in gesundem Zustande. Außerdem wirkt der Bart als Respirator, indem er nicht nur mechanisch den Eintritt fremder Körper in die Luftwege verhindert, sondern auch die Kälte der einzuatmenden Luft mildert.“ Der Bart sei von wesentlichem Nutzen für Eisenbahnbedienstete, Bahnwärter, Lokomotivführer etc., welche viel der Zugluft ausgesetzt sind; und es kommen bei dergleichen mit Bärten versehenen Leuten Erkältungen der Lungen und Atmungsorgane seltener vor2. Deshalb sollte es seiner Meinung nach auch den Matrosen und Soldaten, welche so mannigfachen klimatischen Veränderungen ausgesetzt sind, erlaubt sein, wohlkultivierte Bärte zu tragen, ebenso auch den Stallwärtern2. Auch Robinson9 vertrat die gleichen Ansichten und zitierte Livingstone; „nachts gebe es keinen besseren Schutz als einen Bart wie eine Bettdecke.“

Während des Krimkrieges (1853 bis 1856) erlaubte man den englischen Soldaten das Tragen eines Bartes als Schutz vor Kälte und vor Neuralgieanfällen14. Man fand es absurd, die Soldaten und die Polizisten zu zwingen, ihr Gesicht täglich mit einem starken Alkali einzureiben und dann mit einem scharfen Instrument abzukratzen34.

Kein Stand bedürfe nach Adam2 des Schutzes der Atmungsorgane jedoch mehr als derjenige der Ärzte, die zu jeder Zeit in Wind und Wetter hinaus müssen, oft auf offenen Fuhrwerken stundenlang fahrend. Aus allem Gesagten geht nach Adam deutlich hervor, dass man auf jeden Fall die Kultur des Bartes befördern sollte, anstatt sie lächerlich zu machen. In einem Artikel der „Edinburgh News“ empfahl man den Steinmetzen das Tragen von Schnurrbärten als Atemschutz gegen Steinstaub. Danach trugen fast alle Steinmetze in Schottland und Nordengland Schnurrbärte3. Ein anderer führte als Argument die Menge des angesammelten Eisenstaubs an den Bärten der Eisenschmiede an. Andernfalls würden die Eisenpartikel ihren Weg in die Lunge finden34. Nach Vogel15 war der Nutzen des Barts dagegen zweifelhaft. Er erscheine doch nur in einer gewissen Lebensperiode, und nur bei Männern. Zum Schutz des Mundes und der Nase benötigten die Frauen ihn ja auch. Jean Riolan, französischer Anatom, hielt nichts davon, dass der Bart dem männlichen Geschlecht in der Absicht gegeben sei, das Gesicht vor Kälte zu schützen. Sonst, sagte er, hätte die Natur den Frauen unrecht getan, die ein empfindlicheres Gesicht haben5. 

Im 19. Jahrhundert wurde wiederholt die Meinung vertreten, dass die Lage der Haare an den verschiedenen Körperstellen keine zufällige sei. Man nahm an, dass man dort die Haare in größerer Menge fände, wo Knochen, Sehnen, Faszien, Knorpel und Nerven nahe an der Oberfläche liegen, und dadurch vor Kälte geschützt werden8,35. Allerdings änderten Entdeckungen des Chemikers und Mikrobiologen Louis Pasteur Anfang des 20. Jahrhunderts einiges. Die Ärzte betrachteten die Gesichtshaare als ein ideales Nest für Bakterien22. In einem Experiment konnte man zeigen, dass die Lippen einer Frau nach dem Küssen eines bärtigen Mannes mit Tuberkulose- und Diphteriebakterien kontaminiert waren. Außerdem waren auf der Lippe Nahrungsreste sowie Spinnenhaare zu finden22. Ein anonymer Humorist bezeichnete solche Bärte, die mitessen und mittrinken, als Fress- beziehungsweise Schnablirbärte21. In einer neueren Studie gaben 23 ProzentP der Bartträger an, dass der Bart Frauen beim Küssen gestört habe. Zudem waren 58 Prozent der Nichtbartträger der Meinung, der Bart störe beim Essen11. Ein Korrespondent der Zeitschrift „The Lancet“ schrieb 1909, dass sich die glatt rasierten Männer einer Art von Immunität gegen die Erkältung erfreuen. Sie würden weniger oft unter einer Erkältungskrankheit leiden als Männer mit Schnurrbart36. Das tägliche Rasieren würde die pathogenen Mikroorganismen regelmäßig entfernen, die sich sonst im Schnurrbart einnisten können. Es ist denkbar, dass der Schnurrbart den Bakterien durch seine Feuchtigkeit und seine Lage direkt unter der Nase einen guten Nistplatz bietet. Zudem sei der Schnurrbart schwer sauber zu halten36. In „The Atlanta Constitution“ vom 23. Februar 1902 wurde im Artikel mit dem Titel „Vanity, Greed and Hygiene Combine to Banish the Beard“ vor der Gefahr der Kontamination von Milch durch Bakterien in den Barthaaren gewarnt. Man meinte, dass die Barthaare mit dem Dreck vom Bauernhof und Tuberkulosebakterien kontaminiert wären, die dann in die Milch gelangen können. Als Konsequenz beschloss die medizinische Sozietät von New York, dass nur rasierte Männer melken und die Milch an die Sammelzentren liefern dürften. Der ideale männliche Melker sei bartlos und ledig, wie es dort bemerkt wurde. 

Berichte über die Beziehung zwischen Bart und Zahnschmerz lagen bereits im 16. Jahrhundert vor. Gentian Hervet (1499 bis 1584), ein französischer Theologe, berichtete, dass nach dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) viele Kirchengeistliche gezwungen waren, sich die Bärte zu rasieren und einige Zeit danach von starken Zahnschmerzen ergriffen wurden10. Er sprach auch von Leonicus Thomeus, einem 90-jährigen Mann, der sich noch nie rasiert hatte. Er musste sich aber nach einem Dekret des Papstes rasieren und bekam danach starke Zahnschmerzen. Er benötigte daraufhin die Gnade des Papstes. Kardinal Bembe sandte ihm eine Erlaubnis, wonach er seinen Bart in einer akzeptablen Länge tragen dürfte10. Dulaure10 soll sogar von einer glaubwürdigen Person erzählt bekommen haben, dass ein deutscher Edelmann lange Zeit unter Zahnschmerzen litt. Ihm wurde geraten, sich einen Bart wachsen zu lassen. Erst danach sollen seine Zahnschmerzen nachgelassen haben. 

Hottinger37 empfahl Anfang des 18. Jahrhunderts Bartwachstum zur Verhütung des Zahnschmerzes. Im Jahr 1783 heißt es in einer Enzy­klopädie, dass eine gewisse Person nicht eher die Zahnschmerzen, wovon sie lange Zeit wäre gemartert worden, verlor, als bis sie den Bart nicht mehr hätte abscheren lassen13. Auch ein Kranker wurde nicht anders von seinen Zahnschmerzen geheilt, als dass er seinen Bart lang wachsen ließ15. In Nürnberg fabrizierte Gottfried Louis am Anfang des 19. Jahrhunderts Sohlen aus pferdehaarenem „Krepp“ oder Kraushaar, die man in die Schuhe legte. Auf Verlangen konnten diese Sohlen mit einer feineren Lage Krepp aus Menschenhaar bedeckt werden. Hofrat Wendt, Professor der Medizin aus Erlangen, versicherte, viele Personen, die jahrelang an Ohrensausen, rheumatischen Augenbeschwerden, Kopf- und Zahnweh gelitten haben, seien bloß durch das Tragen dieser Sohlen von den genannten Übeln befreit worden38. 

Tobler39 sah 1831 „räthselhafte“ Löcher in der Helena-Kapelle/Golgatha, in die man einst Haare legte. Er berichtete: „Wenn Jemand an Zahnschmerzen litt, so schor man den Bart ab und legte diesen in die Höhle, zum Behufe der Genesung. Solches geschah auch bei Schmerzen der Schamtheile. Daher kam es, daß alle Löcher des Felsens voll von Bart-, Kopf- und anderen Haaren waren.“

Mit den Folgen des Abschneidens der Haupt- und Barthaare im gesunden und kranken Zustand des Menschen beschäftigte sich Eble40 1831 und meinte, dass dieses zu Zahnschmerzen, Geistesstumpfheit, Hang zur Wollust, moralischer und körperlicher Schwachheit führen kann. Er schrieb: „Die Geschichte, welche uns Bartholin von einem Benedictinermönch erzählt, ist ein merkwürdiger Beleg, in welch‘ genauer Verbindung der Bart mit den Augen stehe. Dieser Mönch verlor jedesmal, wenn er sich rasierte, sein Gesicht; je länger er aber den Bart wachsen liess.“ Eble40 liefert noch ein weiteres Beispiel: „… wo ein französischer Mönch nach dem Rasieren heftige Zahnschmerzen bekam, die sich mit dem allmählig wachsenden Barte wieder verloren.“ Das Tragen wollener und seidener Nachtkappen hielt man in Frankreich für ein Mittel, die Zähne zu „conservieren“ und Zahnweh zu verhüten. Mit bloßem Kopf zu schlafen, wurde „verderblich“ für die Zähne angesehen, zugleich hielt man es für unreinlich41. 

Wrangell42 berichtete 1840 über das Verschwinden von Zahnschmerzen nach dem Wachsen von Barthaaren: „Ein russischer Lederlieferant legt in seinen vierziger Jahren seinen langen Bart um Wangen und Kinn, wie seinen Kaftan ab, weil er ihm zu seiner Wohlhabenheit nicht mehr zu passen schien und zeigte sich in französischer Kleidung. Ein paar Jahre darauf sah ich ihn jedoch wieder in seiner Nationaltracht und mit einem langen Bart, und erfuhr von ihm selbst, dass bald, nachdem er angefangen sich zu rasieren, er von den wüthendsten Zahnschmerzen geplagt gewesen sei, die erst gewichen, nachdem der Bart wieder gewachsen. (…) Ein zweiter Fall ist mir von einem Vorreiter bekannt, der sich täglich das ganze Gesicht rasierte, um, trotz seiner 35 Jahre, doch ein jugendliches Ansehen zu behaupten. Er wurde von den unleidlichsten Zahnschmerzen ergriffen, die ihn erst verliessen, als er seinen Dienst wechselte und sich den Bart wieder wachsen liess.“ Griesselich43 meinte 1843, dass die Personen, welche langes Haar tragen, sich durch Abschneiden der Haare Kopfschmerzen, Zahnweh und Schnupfen zuziehen können, weil der Schutz, welchen die Haare dem Kopf gewähren, dadurch zu schnell entfernt wird.

Haworth35 beschäftigte sich 1844 mit der Beziehung zwischen den Haaren des menschlichen Körpers und einigen darunter liegenden Geweben. Er hielt es für möglich, dass das Abscheren des Bartes Zahnschmerzen erzeugen kann, weil die Zahnnerven, obwohl in einem knöchernen Kanal, hierdurch „ihres natürlichen Schutzes beraubt werden.“ Er vermutete, dass bei Völkern, wie bei den Türken, die den Bart nie abscheren, Zahnschmerzen, Gesichtsschmerz, „Paralysen des 7. Paars“ und andere Krankheiten der Nerven, die sehr oberflächlich liegen und dem Temperaturwechsel sehr ausgesetzt sind, nicht so häufig vorkommen. Fehlen von Zahnschmerzen bei den Frauen versuchte Haworth35 wie folgt zu erklären: „ … dass Frauen bartlos sind, wenn der Bart eine solche schützende Kraft auf die Gesichtsnerven wirklich äussert, könnte auffallen, wenn man nicht bedächte, dass ihr Lebenszweck mehr an das Haus, während der des Manns an die Aussenwelt gerichtet ist.“ Wenn einem in der Kälte der Bart das Gesicht wärmt, sei es denkbar, dass die durch die Kälte bedingten Zahnschmerzen weniger auftreten35. 

Besonders pogonophil war Adam2, er hatte ein Herz für Bärte und schrieb sogar einen Artikel darüber, ob das Rasieren gesundheitsschädlich sei. Er war ein engagierter Verteidiger des Barts, der nicht nur seit den ältesten Zeiten als Zierde galt, sondern auch als gesundheitsfördernd betrachtet werden müsse und vor Zahnschmerzen schütze. Als Beleg führte er unter anderem die 1853 von Szokalski an 53 kräftigen und gesunden Männern gemachten Beobachtungen auf. Besagte kräftige Männer waren zwischen 25 und 45 Jahre alt und trugen früher den ganzen Bart. Nach dem Abscheren fühlten alle anfangs ein unangenehmes Frösteln, nur 14 gewöhnten sich schnell an den Wechsel und verspürten weiter keinen Nachteil; die Anderen aber litten in verschiedener Weise. 27 wurden von Schmerzen in den Zähnen und Kiefer befallen, 11 von Zahnweh und Gesichtsschmerz und 16 von rheumatischer Entzündung des Zahnfleisches. In sechs Fällen schwollen die Unterkieferdrüsen und in 14 Fällen machte der Knochenfraß bereits kranker Zähne rasche Fortschritte. Szokalski stellte weitere Vergleiche bei 40 Männern im Alter von 30 Jahren an, die eine Hälfte barttragend, die andere geschoren. Bei der ersten Hälfte waren nur 8 Zähne ausgegangen, bei der zweiten nicht weniger als 26. Alle Zahnleiden, welche das Resultat des Rasierens waren, waren sehr hartnäckig; in zwei Fällen verschwanden sie sogar erst, nachdem der Bart wieder gewachsen war. Andererseits wurde behauptet, dass die Männer, die sich täglich rasieren, nicht so anfällig für die Zahnschmerzen seien, wie diejenigen, die sich nur sporadisch rasieren16. Unhygienisch war die Angewohnheit von Gaspard de Coligny: Der französische Admiral und Hugenottenführer benutzte seinen Bart wie ein Nadelkissen und bewahrte seine Zahnstocher nach dem Gebrauch im Bart auf6.


Abb. 3 Ein Mittel gegen Zahnschmerz für Damen. „Ach, lieber Alfred, Sie glauben nicht, was ich Zahnschmerzen leide. Wissen Sie gar kein Mittel? Beste Cousine, nur eines: sich den Bart stehen lassen. Früher litt ich immer an den Zähnen, aber seit ich meine Coteletten trage, hat sich kein Zahnschmerz wieder eingestellt. (Anonym45).

Bart und Zahnschmerzen waren im Jahr 1863 auch Thema in der Karikatur (Abb. 3). Der Zeichner machte sich in dieser mit der Überschrift „Ein Mittel gegen Zahnschmerz für Damen“ vermutlich über die blödsinnige Empfehlung lustig, sich gegen Zahnschmerzen einen Bart wachsen lassen. Die Textierung der Karikatur kommt in einem Witz in ähnlicher Form vor. In „Stadtfraubas“ vom 6. Oktober 1866 liest man folgenden Witz über Bart und Zahnschmerz: „Mittel gegen Zahnschmerz: Fräulein Bertha sitzt in ihrem Fauteuil, das ganze Gesicht eingehüllt in Tücher, daß kaum noch die Nasenspitze sichtbar blieb. Da tritt ihr Bruder in’s Zimmer, ein lustiger Studiosus, und fragt seine Schwester was ihr fehle. Bertha seufz: „Ach, diese gräßlichen Zahnschmerzen, weißt du gar kein Linderungsmittel? –Da erwidert ihr verschmitzter Bruder: „Laß dir den Bart stehen; seit ich meinen Vollbart trag, spüre ich nichts mehr von Zahnschmerz.“

Ein Beitrag von Prof. Dr. med. dent. Cengiz Koçkapan, Radolfzell

Literatur auf Anfrage unter news@quintessenz.de


Bibliografía: Endodontie, Ausgabe 1/17 Endodontie Zahnmedizin

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