Die Deutsche Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI) hatte sich für ihren Jubiläumsjahreskongress „20 Jahre DGOI“ eine ganz besondere Location ausgesucht: das Museumsschiff Cap San Diego in Hamburg. Dort diskutierten mehr als 25 namhafte Experten mit rund 120 Teilnehmenden, darunter viele langjährige Weggefährten der DGOI und auch junge Kollegen. Passend zu ihrem Jubiläumskongress hatte die implantologische Fachgesellschaft für Praktiker das Leitthema „20 Jahre Implantologie – das Beste für unsere Zukunft“ gewählt.
Kompakte 15-minütige Vorträge
„Die DGOI wurde vor 20 Jahren mit dem Ziel gegründet, den kollegialen Austausch auf Augenhöhe zu führen und zwar unabhängig von dem fachlichen Level der Kollegen und davon, ob sie aus der Wissenschaft, Praxis oder dem Labor kommen – das macht uns aus“, so Prof. Dr. Daniel Grubeanu, Präsident der DGOI, und weiter: „Wir definieren uns ganz klar als implantologische Fachgesellschaft für die Praktiker und das werden wir auch fortführen, mit neuen Konzepten und unter Einbeziehung der jungen Kollegen.“
Das Programm bot ein breites Themenspektrum. Das moderne Kongressformat der DGOI setzt auf überwiegend kompakte 15-minütige Vorträge, die unter einer konkreten Fragestellung stehen und klare Take-Home-Messages für die Praktiker bereithalten. Außerdem konnten die Teilnehmenden am Freitagmorgen an verschiedenen Table Clinics teilnehmen, die in Kooperation mit Industriepartnern der DGOI stattfanden. Zudem präsentierten sich die Industriepartner im Mainpodium mit kurzen „Slams“.
Table Clinics am Freitag morgen
Frühverluste, Knochenersatzmaterialien und Implantate im Wachstum waren die Themen dieses Forums. So treten Frühverluste deutlich häufiger auf als Spätverluste. Dafür gibt es viele Faktoren. Unter anderem wurden die Teilnehmenden für den Aspekt Mensch sensibilisiert, der relativ wenig in der Literatur berücksichtigt wird, jedoch können die Arbeitsbelastung und auch die Patientenselektion des Operateurs zu Fehlern führen. Auf der Patientenselektion lag auch der Fokus des Vortrags über Implantate im Wachstum. Hier sind zwei Fehler möglich: Nicht im Wachstum zu implantieren und im Wachstum zu implantieren. Zu fragen ist: Bei wem ist bei welchem Fehler der Nutzen größer als ein möglicher Schaden? Bei den Augmentationsmaterialien lag der Fokus auf den Knochenersatzmaterialien und welches Material sich für welchen Knochendefekt eignet. Eine Take-Home-Messages lautete: Die schnelle Vaskularisation bestimmt die Geweberegeneration.
Neues im Duo: Hier widmeten sich die Referenten der Effizienz von Sofortversorgungs-konzepten und stellten eine Studie der EAO vor, der zufolge im Jahr 2030 die Sofort-implantation und -versorgung die überwiegende Versorgungsform (ca. 100 Prozent) darstellt.
Basics für junge Implantologinnen und Implantologen
Junge Implantolog:innen: Zunächst ging es „back to basics“. Denn um das Beste für die Zukunft zu wollen, müssen die Basics beherrscht werden. Es gilt, gut vorbereitet an die ersten eigenen Fälle heranzugehen. Dabei hilft eine Falleinstufung in einfach, straightforward und komplex. Praxisnah berichteten die Referierenden über ihre „ersten“ Implantatfälle, wie sie den Einstieg fanden und Hürden überwanden.
Augmentationen vermeiden, darum ging es sowohl im Vortrag um funktionsbedingten Knochenan- und -umbau mit extra kurzen Implantaten. Studien zeigen, dass langfristige Ergebnisse erreicht werden können. Auch mit vier bis fünf Zentimeter langen Zygoma-Implantaten können Patienten mit stark atrophiertem Oberkiefer versorgt werden, bei denen eine Augmentation nicht infrage kommt. Diese Implantate stellen mit einer Überlebensrate von 95 bis 100 Prozent eine valide Option dar. Aber: Diese Implantate sind aufgrund des größeren chirurgischen Eingriffs keine Indikation für den „Hauszahnarzt“. Als Alternative zu einem Implantat wurde die autogene Zahntransplantation vorgestellt. Diese ist mit Unterstützung von digitalen Tools und KI eine sichere und vorhersagbare Therapieoption. Mit dem Thema Patientenmanagement und medikamentöse Therapie erhielten die Teilnehmenden viele Take-Home-Messages, darunter: Eine Antibiotika-Prophylaxe ist bei allen Traumata und oralchirurgischen Eingriffen mit ausgeprägten Hämatomen – vor allem in Kombination mit einer Antikoagulation – und bei lang dauernden oralchirurgischen, implantat-chirurgischen Eingriffen mit großen Wundflächen angezeigt.
„Ihr fragt, wir antworten“ zu Biologie und Regeneration
Der Einsatz von Hyaluronsäure in der GBR oder in der regenerativen Parodontaltherapie scheint sich als Alternative anzubieten.
Spannend waren die Ausführungen über die Implantologie als integraler Bestandteil der oralen Regeneration, bei der die Alterung der Gewebe ebenso beleuchtet wurde wie die Frage, ob Zähne ersetzt werden müssen. Dabei steht die parodontale Regeneration unter Verwendung von regenerativen Verfahren mit Schmelz-Matrix-Proteinen im Vordergrund. Hart- und Weichgewebemanagement wird zunehmend mit OP-Protokollen umgesetzt, die digitaler, minimalinvasiver und biologischer sind. Die Tendenz geht zur Sofort- und Frühimplantation.
Neuerungen und Innovationen: Um die elektrolytische Reinigung und Hydrophilisierung kontaminierter Implantatoberflächen bei Periimplantitis als Voraussetzung für eine Re-Osseointegration ging es bei dem Behandlungsprotokoll GalvoSurge. Im Anschluss an diese Behandlung wird eine regenerative Therapie durchgeführt und die bereits vorhandene Prothetik wieder hergestellt. Anschließend zeigte ein Blick auf den aktuellen Stand bei Keramikimplantaten: Die Ergebnisse in puncto Einheilung bei Titan- und Keramikimplantaten sind identisch. Kritisch hinterfragt wurde das Thema Blutkonzentrate mit den mittlerweile vielen „Produkten“, die es auf dem Markt gibt. Was alle können: Ihr Einsatz bedeutet für Patienten weniger Schwellungen und eine bessere Weichgewebeheilung.
Keynotes: Prof. Dr. Florian Beuer, Berlin, sprach in seiner Keynote über die Implantologie gestern, heute und morgen aus seiner Perspektive als Prothetiker. Dabei ging er auch auf die Möglichkeiten der Robotik ein. Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets widmete sich in seiner Keynote der Künstlichen Intelligenz (KI). Vor allem im Bereich Diagnostik scheint der Einsatz von KI sinnvoll zu sein.
Das Fazit der Expertinnen und Experten
Die Experten kristallisierten das „Beste für die Zukunft der Implantologie“ heraus: Operative Eingriffe werden, auch dank digitaler Tools und KI, zunehmend schonender. Die Biologie wird mehr berücksichtigt und körpereigene Produkte werden für eine optimierte Wundheilung eingesetzt. Implantologie erfolgt personalisiert mit auf den einzelnen Patienten abgestimmten Implantatversorgungen. Dabei wird sich die Sofortversorgung mehr durchsetzen. Erwartet werden zudem standardisierte Robotik-Prozesse.