Bei einer jungen Patientin soll ein Oberkiefermolar durch ein Implantat ersetzt werden. Nach der digitalen Planung erfolgen die Aufbereitung des Lagers und Implantation sehr schonend mit einem lappenlosen Eingriff. Nach intraoralem Scan werden Implantat und benachbarte Zähne mit Lithiumdisilikat-Kronen versorgt.
Computergestützte Diagnostik und Therapie erhöht in der Implantologie die Sicherheit und führt zu besser voraussagbaren Ergebnissen. Mit Rückwärtsplanung lassen sich die Implantate prothetisch sinnvoll positionieren, eine Voraussetzung für funktionell und ästhetisch erfolgreiche Versorgungen1. Je nach Situation kann zudem ohne Aufklappung implantiert werden, also ohne wie sonst üblich einen Mukoperiostlappen zu präparieren2. Die Patienten profitieren von weniger posttraumatischen Beschwerden und geringeren Behandlungskosten3,4.
Ob für eine lappenlose Implantation ausreichend gesundes Hart- und Weichgewebe zur Verfügung steht, lässt sich teilweise mit sorgfältiger klinischer Diagnostik ermitteln. Um das Knochenvolumen genauer abschätzen und Nervenverläufe und andere anatomische Strukturen abklären zu können, wird zusätzlich eine DVT-Aufnahme durchgeführt. Diese wird mit der intraoral oder im Labor gescannten Oberfläche abgeglichen (gematcht). Das resultierende 3-D-Bild dient als Planungsgrundlage für das Behandlungsteam, aber auch als Kommunikationsmittel gegenüber dem Patienten.
Temporäre Versorgung ohne Abformung per CAD/CAM herstellen
Zum digitalen Workflow gehört weiterhin die geführte Implantatlager-Aufbereitung und Implantation, gegebenenfalls ergänzt durch eine digital gestützte prothetische Versorgung5. Diese ist in der Regel temporär und kann mit aktuellen Systemen ohne Abformung erfolgen: Die Restauration wird allein auf Basis des gematchten Datensatzes geplant und mit CAD/CAM hergestellt. Erfolgsvoraussetzung für alle Teilschritte – und damit für das Endergebnis – ist eine ausreichend präzise Hard- und Software. Integrierte, leicht bedienbare und systemoffene Lösungen erlauben einen problemlosen Datenaustausch und Workflow.
Im Patientenbeispiel erfolgt die Implantation lappenlos und schonend mit dreidimensionaler Planung. Auf eine temporäre Versorgung wird wegen der posterioren Position und stabilen Verzahnung verzichtet. Die definitive Abutmentkrone wird schließlich – zusammen mit den benachbarten zahngetragenen Kronen – aus Lithiumdisilikatkeramik im konsequent digitalen Workflow auf der Basis eines intraoralen Scans hergestellt.
Fallbericht
Bei einer 42-jährigen Patientin (Abb. 1) musste Zahn 17 aufgrund endodontischer Probleme extrahiert werden. Trotz kariöser, überkronungsbedürftiger Nachbarzähne wünscht sie als Ersatz ein Implantat. Die Modellanalyse ergibt eine gut dimensionierte Lückensituation, die ein Implantat mit dem Durchmesser 5 mm erlaubt (Abb. 2 und 3). Auch die weichgewebige Situation ist mit 10 mm befestigter und keratinisierter Schleimhaut, gemessen von der Kieferkamm-Mitte bis zum Übergang zur beweglichen Mukosa, als günstig einzuschätzen (Abb. 3).
Auf der Basis eines DVT und eines Modellscans ergibt sich auch im dreidimensionalen Bild ein ausreichendes Gewebevolumen (Abb. 4). Im Service-Zentrum (MCENTER, Berlin) werden mithilfe der integrierten Software (MSOFT, MIS) die Implantatposition und darauf basierend die Bohrschablone geplant (Abb. 5 und 6). Nach Planungsfreigabe durch das Behandlungsteam wird die Bohrschablone zusammen mit einem Oberkiefermodell gedruckt und innerhalb von wenigen Tagen geliefert (Abb. 7).
Lappenlose Implantation
Durch die Bohrschablone wird zunächst mit einer motorbetriebenen Stanze (MGUIDE Tissue Punch, MIS) die alveoläre Mukosa eröffnet (Abb. 8 und 9). Damit ist der Situs bereit für die geführte Implantatlager-Aufbereitung. Die Abbildung 10 zeigt den ersten Schritt, der mit einem verkürzten Bohrer des definitiven Durchmessers beginnt (MGUIDE Surgical Set Conical Connection). Führungsschlüssel und Tiefenstopp sind in die Bohrer integriert. Dies erlaubt eine einhändige, effiziente Arbeitsweise, die Aufbereitung gelingt schonend und präzise. Die Instrumente haben seitliche Schlitze, wodurch die Kühlung auch in der Endposition gewährleistet ist. Die skelettierten Bohrschablonen erleichtern den Zugang von Spülflüssigkeit und Lokalanästhesie.
Die verwendeten Implantate haben im zervikalen Anteil einen abgerundet-dreieckigen Querschnitt (V3, 5,0/10 mm, MIS) (Abb. 11). Die resultierenden abgeflachten Bereiche, von denen einer nach bukkal orientiert werden sollte, sorgen im krestalen Anteil des kreisrunden Implantatlagers für kompressionsfreie Bereiche. In diese kann im Verlauf der Osseointegration Knochen wachsen und so einem marginalen Abbau entgegen gewirkt werden. Abbildung 12 zeigt die radiologische Situation nach Verschrauben des Gingivaformers. Auf eine temporäre Krone wurde verzichtet.
Intraoraler Scan und Versorgung
Die Behandlung kann erst nach sieben Monaten mit der intraoralen digitalen Positionsbestimmung (dem intraoralen Scan) fortgesetzt werden (Abb. 13). Im selben Arbeitsgang werden auch die benachbarten zahnschonend und parodontalfreundlich präparierten Kronenstümpfe eingescannt.
Nach Transfer in ein CAD/CAM-Servicezentrum designt ein Zahntechniker und CAD/CAM-Spezialist die Abutmentkrone auf Implantat 17 und die Kronen auf den Zähnen 16 und 18 (Abb. 14). Ein Modell wird gedruckt (Abb. 15 bis 17), die Kronen werden aus Lithiumdisilikat im CAD/CAM-Verfahren gefräst und für eine gute Ästhetik individualisiert (Abb. 18). Abbildung 19 zeigt den radiologischen Abschlussbefund und die Abbildungen 20 und 21 zeigen die eingegliederten Kronen von okklusal und bukkal.
Diskussion
Der Ersatz einzelner Zähne ist heute weltweit die häufigste implantologische Indikation. Die Patientin hatte mesial und distal ihrer Lücke 17 kariöse, überkronungsbedürftige Zähne. Sie entschied sich gemäß dem aktuellen Trend trotzdem gegen eine Brücke und für ein Implantat – eine dem natürlichen Zustand einzelner, unverblockter Zähne ähnlichere Lösung.
Implantation und definitive Versorgung gelangen mithilfe der dreidimensionalen Diagnostik und des digitalen Workflows schonend und effizient. Für die Patientin begann dies mit dem minimal-traumatischen lappenlosen Zugang zum Alveolarknochen, mit entsprechend geringen postoperativen Beschwerden. Eine randomisierte Studie hat zudem gezeigt, dass bei lappenloser Technik Sondierungswerte und Knochenabbau im Vergleich zu einer Voll-Lappen-Präparation reduziert sind6.
Das verwendete geführte Implantationssystem entspricht mit den ausgereiften Instrumenten und den chirurgisch optimierten, skelettierten Schablonen dem Stand der Technik auf diesem Gebiet. Wie die Literatur zeigt, erlauben zahngestützte Bohrschablonen, die auf der Basis gematchter Datensätze gedruckt werden, besonders präzise Ergebnisse7,8.
„Top-Down“-Workflow
Der im Dialog mit dem MCENTER, dem Service-Zentrum von MIS, realisierbare Workflow ist digital besonders konsequent und wirtschaftlich. Nach Import der dreidimensionalen Implantatpositionen in eines der gängigen CAD/CAM-Planungsprogramme (3Shape, Exocad oder Dental Wings) können gegebenenfalls benötigte temporäre Bauteile hergestellt werden. Dafür werden virtuelle Scan-Abutments und Modellanaloge genutzt („Desktop-Scanning“).
Die virtuellen Bauteile simulieren die sonst notwendige reale Abformung, so dass sich dieser Arbeitsschritt für temporäre Komponenten einsparen lässt. Verfügbar sind über Milling-Partner des MCENTER individuelle Gingivaformer oder Abutments und verschraubte temporäre Kronen und Brücken. Im Patientenbeispiel wurden die definitiven Restaurationen in einem vom Zahnarzt bevorzugten CAD/CAM-Speziallabor hergestellt.
Fazit
Der mit dem verwendeten System umgesetzte digitale Workflow zeigte sich für das Einzelimplantat als schonende, dabei effektive und zeitsparende, daher auch kostengünstige Lösung. Wie in einem Baukastensystem können einzelne Komponenten und Arbeitsschritte ausgewählt und über das Service-Zentrum des Implantatanbieters realisiert werden.
Je nach Präferenz des Behandlungsteams lassen sich aber Komponenten und Restaurationen auch in der eigenen Praxis oder Klinik oder im bevorzugten Dentallabor oder CAD/CAM-Servicezentrum fertigen oder bestellen. Damit ist, wie im Patientenbeispiel gut zu erkennen, eine große Flexibilität gegeben, bei zugleich hoher erreichbarer Qualität.
Ein Beitrag von Dr. med. dent. Frank Spiegelberg und Dr. med. dent. Ahmed Riad Fawzy, beide Frankfurt am Main
Literatur
1. Nickenig HJ, Wichmann M, Hamel J, Schlegel KA, Eitner S. Evaluation of the difference in accuracy between implant placement by virtual planning data and surgical guide templates versus the conventional free-hand method - a combined in vivo - in vitro technique using cone-beam CT (Part II). J Craniomaxillofac Surg 2010;38:488-493.
2. Kan JY, Rungcharassaeng K, Ojano M, Goodacre CJ. Flapless anterior implant surgery: a surgical and prosthodontic rationale. Pract Periodontics Aesthet Dent 2000;12:467-474; quiz 476.
3. Hultin M, Svensson KG, Trulsson M. Clinical advantages of computer-guided implant placement: a systematic review. Clin Oral Implants Res 2012;23 Suppl 6:124-135.
4. Colombo M, Mangano C, Mijiritsky E, Krebs M, Hauschild U, Fortin T. Clinical applications and effectiveness of guided implant surgery: a critical review based on randomized controlled trials. BMC Oral Health 2017;17:150.
5. Schubert O, Schweiger J, Güth F. Digitale Implantationsplanung und navigierte Implantation. Der Freie Zahnarzt 2018:76-83.
6. Tsoukaki M, Kalpidis CD, Sakellari D, Tsalikis L, Mikrogiorgis G, Konstantinidis A. Clinical, radiographic, microbiological, and immunological outcomes of flapped vs. flapless dental implants: a prospective randomized controlled clinical trial. Clin Oral Implants Res 2012.
7. Pozzi A, Polizzi G, Moy PK. Guided surgery with tooth-supported templates for single missing teeth: A critical review. Eur J Oral Implantol 2016;9 Suppl 1:S135-153.
8. Kernen F, Benic GI, Payer M, Schar A, Muller-Gerbl M, Filippi A, et al. Accuracy of Three-Dimensional Printed Templates for Guided Implant Placement Based on Matching a Surface Scan with CBCT. Clin Implant Dent Relat Res 2016;18:762-768.