Mit erfolgreicher Habilitation und Venia legendi startete Dr. med. dent. Karin Jepsen bei den Zahnmedizinern an der Universität Bonn in das Sommersemester 2018. Zum Ende des Wintersemesters, am 31. Januar 2018, hielt sie ihre Antrittsvorlesung und bekam die Urkunde feierlich überreicht.
Mit der Habilitationsschrift befinden wir uns thematisch ganz eng an einer der aktuellen Diskussionen in der Parodontologie und Implantologie: „Weichgewebeersatz in der plastisch-ästhetischen Parodontalchirurgie. Ergebnisse klinischer Studien“.
Parodontale Rezessionen sind mehr als ein ästhetisches Problem
Lokalisierter oder generalisierter Zahnfleischrückgang hat freiliegende Zahnwurzeloberflächen zur Folge. Diese parodontalen Rezessionen sind ein klinisches Problem mit hoher Prävalenz. Sie sind häufig die Ursache für Überempfindlichkeit und führen zu einem erhöhten Risiko für Wurzelkaries beziehungsweise für nicht-kariöse Dentindefekte. Sie können die für eine gute Mundhygiene erforderliche Plaqueentfernung erschweren und sind häufig für den Patienten ein ästhetisches Problem.
Zusätzliche Belastung des Patienten
Der Goldstandard zur chirurgischen Therapie von parodontalen Rezessionen ist der koronale Verschiebelappen (CAF) in Verbindung mit einem Bindegewebstransplantat (CTG). Mit diesem Therapieverfahren kann nicht nur eine weitgehende Rezessionsdeckung, sondern auch eine Augmentation der keratinisierten Gingiva erzielt werden. Allerdings steht am Gaumen nicht immer genügend Gewebe zur Entnahme zur Verfügung und der chirurgische Zweiteingriff stellt für den Patienten eine zusätzliche Belastung dar. Ziel der Studien, die der Habilitationsschrift zugrunde liegen, war es deshalb, Alternativen zum Bindegewebstransplantat im Rahmen der chirurgischen Behandlung von parodontalen Rezessionen zu untersuchen.
Randomisierte Studien zu Alternativen
Zunächst wurde in einer randomisierten Studie das Verfahren der gesteuerten Geweberegeneration (GTR) mit Verwendung einer synthetischen nicht-resorbierbaren Barrieremembran evaluiert. Die mittlere Rezessionsdeckung betrug 87 Prozent für die Rezessionen in der Testgruppe (CAF+GTR) und 87 Prozent für die Rezessionen in der Kontrollgruppe (CAF+CTG). Die teilweise Exposition der nicht-resorbierbare Membranen während der Wundheilung stellte ein Problem dar, welches mit teils etwas schlechteren Einzelergebnissen einherging. Ein Nachteil war auch der zur Entfernung der Membran erforderliche Zweiteingriff. In einer prospektiven Fallserie wurden deshalb neue resorbierbare synthetische Membranen aus Polylactidsäure (PLA) untersucht. Mit ihnen wurde eine mittlere Rezessionsdeckung von 91 Prozent erzielt. Eine leichte Exposition dieser Membranen während der Wundheilung war nicht mit signifikant schlechteren Ergebnissen verbunden.
Kombinationstherapie mit resorbierbarer xenogener Weichgewebsmatrix
In einer multizentrischen randomisierten Studie wurde als weitere Alternative zum Bindegewebstransplantat eine resorbierbare xenogene Weichgewebsmatrix (CMX) getestet. Im Ergebnis war der koronale Verschiebelappen in Kombination mit einer xenogenen kollagenen Matrix (CAF+CMX) dem alleinigen CAF hinsichtlich der Rezessionsdeckung bei tiefen Rezessionen überlegen. Auch erzielte die Kombinationstherapie beim sekundären therapeutischen Ziel einer Augmentation und Verbreiterung der keratinisierten Gingiva bessere Ergebnisse.
Ergebnisse nach sechs Monaten bleiben langfristig stabil
Die Analyse subjektiver Patientenangaben (PROMs) und objektiver ästhetischer Bewertung (RES) durch verblindete Untersucher ergab nach einem Jahr keinen signifikanten Unterschied zwischen CAF+CMX und CAF. Zugleich war die Korrelation zwischen PROM und RES relativ hoch. Weiterhin konnte eine Langzeitbewertung über drei Jahre zeigen, dass die nach sechs Monaten gefundenen Ergebnisse für die Rezessionsdeckung und Augmentation der Gingiva langfristig stabil waren und somit eine gute Vorhersage ermöglichen.
Alternativen zum Bindegewebstransplantat gegeben
Zusammenfassend konnten die der Habilitationsschrift zugrunde liegenden Studien zeigen, dass der koronale Verschiebelappen mit Bindegewebstransplantat (CAF+CTG) weiterhin als der Goldstandard bei der Rezessionsdeckung anzusehen ist. Mögliche Alternativen zum Bindegwebstransplantat sind GTR-Verfahren mit synthetischer Membran oder auch der Einsatz einer xenogenen Weichgewebsmatrix (CMX), wenn nicht genügend Bindegewebe am Gaumen zu Verfügung steht, oder aber der dortige Zweiteingriff aufgrund von unerwünschter Patientenmorbidität vermieden werden soll.
Für den Patienten zählt ein ästhetisches Ergebnis
In ihrer Antrittsvorlesung diskutierte sie die Ursachen, Möglichkeiten und Grenzen der minimal-invasiven plastischen Chirurgie an Zähnen und Implantaten. Dabei ging sie auch auf die Risikoprofile für faziale Rezessionen und die Komplexität der Rezessionsdeckung ein.
Fehlende Zähne sind heutzutage sehr gut und erfolgversprechend mit implantatgetragenem Zahnersatz zu versorgen. Der Erfolg einer solchen Therapie beinhaltet allerdings nicht nur Funktionalität und Stabilität, für den Patienten ist in erster Linie das schöne ästhetische Ergebnis von Bedeutung. Hier spielt ähnlich wie bei den Zähnen die Stabilität des Weichgewebes, hier um das Implantat herum eine wesentliche Rolle. Unglücklicherweise kann es auch hier zu Rezessionen kommen, die implantatgetragenen Restaurationen erscheinen dann im Vergleich zu den Nachbarzähnen zu lang, mitunter wird sogar Metall entlang der marginalen Gingiva sichtbar. Solche Komplikation sind nicht selten und Patienten beklagen sich mit Recht über eine mangelhafte Ästhetik.
Kombination aus Chirurgie und neuer Prothetik am besten
Die Behandlung kann dann chirurgisch erfolgen oder in Kombination mit einer neuen prothetischen Versorgung. Die besten Ergebnisse werden hier gemäß Literatur mit der zuletzt genannten sehr aufwendigen Lösung erzielt. Aus ökonomischen Gründen wird der betroffene Patient natürlich immer ein rein chirurgisches Vorgehen vorziehen.
Besser präventiv planen
Aufgrund dessen sollte man bei Patienten mit entsprechenden Risikoprofilen bereits bei der Implantation oder vor Anfertigung der definitiven Implantatkrone eine entsprechende Augmentation des Weichgewebes in Erwägung ziehen. Faktoren, die am häufigsten mit einer periimplantären Weichteildehiszenz einhergehen, sind ungünstige Implantatpositionen, ein dünner Biotyp mit wenig fazialem Hart- und Weichgewebe oder auch eine reduzierte Höhe des Knochens. Die Augmentationstechnik der Wahl ist in solchen Fällen ist ein koronal vorgeschobener doppelter Spaltlappen mit Bindegewebstransplantat oder Weichgewebeersatz bereits bei Implantatinsertion, drei Monate später möglichst vor Anfertigung der definitiven Restauration. Weitere kritische Punkte sind die Art der Freilegung sowie Form und Gestaltung der Zahnkrone.
In Wissenschaft und Praxis engagiert
Die Habilitation über ein komplexes wissenschaftliches Thema mit hohem Praxisbezug passt zum praktischen und wissenschaftlichen Lebensweg Jepsens. Nach dem Studium der Zahnmedizin in Mainz und Hamburg und der Weiterbildung in Oralchirurgie in Hamburg ging sie für mehrere Jahre mit einem DAAD- und einem DFG-Stipendium an die Loma Linda University nach Kalifornien und studierte dort postgradual Parodontologie, Orale Implantologie und Orale Mikrobiologie. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität Kiel, bevor sie sich 1993 in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt Parodontologie und Implantologie in Hamburg niederließ. Seit 1997 ist sie Spezialistin der DG Paro.
Seit 2007 in Bonn zuhause
Im Jahr 2007 wechselte sie gemeinsam mit ihrem Mann Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen und der Familie nach Bonn, wo sie seitdem als Oberärztin am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Bonn tätig ist. Für ihre wissenschaftliche Arbeit wurden ihr mehrfach nicht nur Stipendien und Fördergelder öffentlicher und privater Förderer und Stiftungen zuteil. Sie erhielt dafür allein oder als Koautorin auch diverse Preise und Auszeichnungen.
Neben der Lehrtätigkeit und praktischen Arbeit in Bonn ist sie auch als Dozentin bei den Master-Studiengängen in Freiburg und an der DIU in Dresden sowie im Curriculum Parodontologie der APW und der curriculären Fortbildung der Zahnärztekammern Hamburg, Berlin und Hannover tätig.
Gefragt nach der Motivation, eine solche Habilitation anzupacken, lautet ihre Antwort: „Ich habe einfach großen Spaß an der wissenschaftlichen Arbeit, um dadurch die praktischen Tätigkeiten stetig zu verbessern“.