Was leisten die Adhäsivtechnik und insbesondere die Adhäsivsysteme für die moderne Zahnmedizin? Die Reihe „Experten Hearings – zu Gast bei Quintessence Publishing“ befasste sich in der zweiten Auflage mit diesem Thema. Ermöglicht wurde das Experten Hearing vom Industrieunternehmen Kulzer.
Univ.-Prof. Dr. Roland Frankenberger, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung an der Philipps-Universität Marburg und am Universitätsklinikum Gießen und Marburg und Chefredakteur der „Quintessenz“, hatte dazu Mitte Juli ausgewählte Experten nach Berlin eingeladen. Es sollten auf Basis von Studien und praktischer Erfahrungen Statements entstehen, an denen sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Praxis orientieren können.
Außerdem ging es Frankenberger darum, die neue S3-Leitlinie zum Thema Komposite zu analysieren, in der die Universaladhäsive zum ersten Mal als Goldstandard genannt wurden. Und es sollten Begrifflichkeiten geklärt werden.
Frankenberger präsentierte die drei Meilensteine der Adhäsiv-Produktentwicklung, die auch tatsächlich heute noch auf dem Markt sind:
- Mehrflaschensystemen: Effektiv, wenig techniksensitiv, erforderten aber mehrere Arbeitsschritte.
- Ein-Flaschen- und All-in-One-Produkte: „Kompromiss-Produkte“. Folgten dem Wunsch vieler Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Vereinfachung. Doch diese Vereinfachung ging auf Kosten der Haftwerte und der Techniksensitivität.
- Universaladhäsive: Erreichen hinsichtlich Haftung und Randspaltvermeidung eine Effektivität, die den Mehrflaschensystemen mindestens ebenbürtig sind.
Insgesamt erarbeiteten die Teilnehmer des „Experten Hearings“ zu vier Themenblöcken 15 Statements. (Über die Statements zu den Themen „Was hat uns die Adhäsiv-Technik gebracht?“ und „Evolution der Adhäsiv-Systeme und Bedeutung für direkte und indirekte Restaurationen“ wurde bereits im August berichtet.) Ziel war es, Statements mit größtmöglicher Übereinstimmung zu formulieren und die Abstimmung auch transparent zu machen.
Die Teilnehmer
- Dr. Johanna Leonhard, niedergelassene Zahnärztin in Berlin
- OA Dr. Uwe Blunck, Abteilung für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Charité in Berlin
- Wolfgang Boer, Autor, Referent, Mitautor von Leitlinien und niedergelassener Zahnarzt in Euskirchen
- Simon Hanner, Brancheninsider und Leiter des Vertriebsmarketings DACH bei Kulzer
- Prof. Dr. Michael Naumann, niedergelassener Zahnarzt in Berlin
- Moderation: Univ.-Prof. Dr. Roland Frankenberger, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung an der Philipps-Universität Marburg/Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Chefredakteur der „Quintessenz“
Thema 3: Klinische Anwendung und Studienlage
Im dritten der vier Themenblöcke ging es um die Evidenz und die Marktdaten und die Frage, ob darin ein Widerspruch steckt.
Statement #10: „Es ist notwendig, dass Hersteller bei der Einführung von Produkten unabhängige wissenschaftliche Studien vorlegen können, die relevante klinische Parameter untersuchen.“
Statement #11: „Die Effektivität von Adhäsivsystemen erweist sich in vitro einfach und zuverlässig mit reproduzierbaren Kavitätentests mit relevantem C-Faktor. Die höchste Aussagekraft haben Randanalysen im REM. Auch Microtensile-Tests sind zum Nachweis der Haftkraft geeignet.“
Statement #12: „Leitlinien bieten den Praktikern wertvolle Orientierung. Kernaussagen der aktuellen S3-Leitlinie zu Komposit sind, dass
a. direkte Frontzahnrestaurationen mit Komposit restauriert werden sollen,
b. mit Komposit im Seitenzahnbereich auch Höckerersatz gut funktioniert,
c. bei Kompositrestaurationen 3-Schritt-Etch-and-Rinse-, 2-Schritt-Self-Etch- oder Universal-Adhäsive eingesetzt werden sollen
d. der Schmelz bei Kompositrestaurationen geätzt werden soll,
e. die Lichtpolymerisation ein entscheidender Erfolgsfaktor ist und
f. bei korrekter Polymerisation Bulk-Fill-Komposite bis 4 mm zuverlässig durchgehärtet werden können.
Statement #13: „Marktanteile und Bestellverhalten korrelieren nicht immer mit wissenschaftlich belegten Produktfähigkeiten. Wenngleich die Verwendung der Universaladhäsive seit Jahren kontinuierlich zunimmt, ist ein kompletter Wechsel noch nicht abgeschlossen.“
Bei der Abstimmung zu diesen Statements gab die Teilnehmer fünf Mal den Wert „volle Zustimmung“. Da Professor Naumann bei diesem Themenblock nicht mehr vor Ort war, stimmte er nicht mit ab.
Thema 4: Befestigen und Reparatur von Restaurationen
Den vierten Themenblock „Aspekte neben der direkten Füllungstherapie“ ergänzten die Teilnehmer am Experten Hearing aus ihren Diskussionen, um dem wichtigen Einsatz der Adhäsive bei der Befestigung indirekter Restaurationen gerecht zu werden.
Statement #14: „Im Rahmen der Korrektur und Reparatur von Restaurationen zeigen Universaladhäsive an präexistentem Komposit und Zirkonoxidkeramik gute Haftwerte.“
Statement #15: „Da das Adhäsiv bei der Verwendung dualhärtender Befestigungskomposite immer vorher gehärtet werden muss, haben Universaladhäsive bei der adhäsiven Befestigung von indirekten Restaurationen einen Vorteil. Sie bilden dünne Schichtstärken aus und können somit separat lichtgehärtet werden, ohne die Passung der Restauration zu gefährden. Letzteres ist ein klarer Schwachpunkt der Mehrflaschen-Adhäsive.“
In der Abstimmung gab es für diese Statements vier Mal die volle Zustimmung. Da sowohl Prof. Naumann als auch ZA Wolfgang Boer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Meeting teilnehmen konnten, stimmten sie auch nicht mit ab.
In den kommenden Monaten werden in den Medien des Quintessenz Verlags weitere Beiträge zu den insgesamt fünfzehn Statements des Experten-Hearings veröffentlicht. Außerdem sind zwei Webinare geplant. Alle veröffentlichten Beiträge und Informationen sind auf einer Themenseite unter „Experten Hearings – zu Gast bei Quintessence Publishing“ zusammengestellt.