Deutlich zeigt sich in unserer Branche, dass bei inhabergeführten Dentallaboren die Nachfolge oft ins Leere läuft. Man liest von „verschenkten“, komplett eingerichteten Labors und ähnlichem. Und selbst wenn der Nachwuchs für die Nachfolge in Frage käme, so stellt insbesondere der damit einhergehende Wechsel oft ein riesiges Problem dar. Die Gebrüder Pietz sind dieses Wagnis angetreten, um ihren Vater zu beerben und den Generationswechsel sauber zu vollziehen. In diesem Artikel beschreibt der älteste dieser drei Brüder, wie die Nachfolge gelingen kann.
Ein mittlerweile deutlich spürbares Problem in inhabergeführten Dentallaboren ist die Nachfolgeregelung. Die Nachfolgeregelung in einem Unternehmen ist ein wichtiger Prozess, um sicherzustellen, dass die Führungsebene und somit das Unternehmen auf mittel- bis langfristige Sicht erfolgreich bleibt.
Welche Möglichkeiten bieten sich in der Nachfolge? Dieser Frage muss sich jeder Laborinhaber einmal stellen. Mit diesem Bericht gibt Moritz Pietz seine Erfahrungen wieder, die mitten aus den Höhen und Tiefen der eigenen Nachfolgereglung stammen. Und um es ganz klar zu sagen, es gibt nicht DEN Königsweg!
Der Generationswechsel – das Warum
Anhand der von uns gesammelten Erfahrungen, möchte ich einige Hürden des Generationenwechsels aufzeigen und beschreiben, wie wir diese umschiffen oder auch nicht umschiffen konnten. Vorab möchte ich jedoch kurz aufzeigen, wie sich meine/unsere Situation im Betrieb darstellt.
Unser Vater hat sein Unternehmen jahrzehntelang erst als Laborleiter und dann als Inhaber geführt. Dies hatte zur Folge, dass wir als seine Söhne bereits von klein auf im Labor präsent waren. Am Anfang eher, um dort bei Papa zu spielen, aber auch um mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Als wir größer wurden, begannen wir auch damit, in den Ferien bereits mit kleinen Hilfstätigkeiten im Labor mitzuhelfen. Aufgrund dieser frühen Präsenz im Dentallabor unseres Vaters wurden wir stark geprägt und haben sehr schnell unternehmerisches Handeln und Denken gelernt, da wir unseren Vater bei seinem Tun im Labor ständig beobachten konnten.
Natürlich war das nicht immer so romantisch, wie das auf den ersten Eindruck wirken mag. Allerdings hat sich bei uns Brüdern dadurch jedoch schnell eine Affinität zu diesem Handwerk entwickelt.
Und obwohl wir nie von unserem Vater in die Rolle des Zahntechnikers/Unternehmers gezwungen wurden, haben meine zwei Brüder und ich sehr frühzeitig beschlossen, in seine Fußstapfen zu treten.
Der Generationswechsel – das Wie
Selbstverständlich hat sich unser Vater sehr darüber gefreut, dass wir alle drei ihm nachfolgen wollten. Zeitgleich war er aber auch unser allergrößter Kritiker, da er Sorge hatte, dass wir Brüder uns dadurch einmal entzweien könnten. Im Laufe der Zeit, nachdem wir unsere schulische Laufbahn beendet hatten, schlugen meine beiden Brüder den Weg des Zahntechnikers ein und begannen direkt eine Lehre.
Da ich – ich bin der älteste der Brüder – meine Stärken eher im kaufmännischen Bereich als im Handwerk gesehen habe und schon immer Interesse am Unternehmertun hatte, verfeinerte ich mein Know-how zuerst in einem größeren Industrieunternehmen, bevor ich als Kaufmännischer Leiter in unser Familienunternehmen eingestiegen bin. Dieses Vorhaben lag schon zu Beginn meiner Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel auf der Hand, da ich von der Idee, das Lebenswerk unseres Vaters einmal fortzuführen, begeistert war.
Mein mittlerer Bruder vertiefte nach seiner erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung sein Wissen im Bereich der Digitalen Zahntechnik bei einem bekannten CAD/CAM-Spezialisten in Südtirol. Dies diente dem Zweck, sich persönlich weiterzubilden und sich eine Expertise im Bereich der Digitalen Zahntechnik aufzubauen. Aber auch um unser Labor digital auf ein neues Level zu heben.
Unser Jüngster im Bunde absolvierte seine Berufsausbildung in einem befreundeten Dentallabor und begann ein halbes Jahr nach seiner abgeschlossenen Ausbildung im Familienunternehmen.
Wir bilden alle unsere Mitarbeitenden schwerpunktmäßig weiter. Dies wird uns aufgrund der Zugehörigkeit zur Delabo.Group und deren übergeordnete Akademie sehr vereinfacht.
Meine beiden Brüder absolvieren aktuell in unterschiedlichen Stadien die Weiterbildung zum Zahntechnikmeister. Meinem Vorhaben ins Familienunternehmen einzusteigen, gingen zunächst mehrere intensive Vorgespräche mit meinem Vater sowie dem mittleren Bruder voraus, der bereits im Unternehmen tätig war. Diese Vorgespräche zielten darauf ab, uns unsere Zusammenarbeit vor Augen zu führen stellen und uns zu überlegen, welche „Regeln“ wir uns aufstellen wollten, um überhaupt reibungslos zusammenarbeiten zu können.
Zwei Jahre später, als der jüngste Bruder nach seiner Ausbildung ins Unternehmen dazustieß, wurden diese Gespräche nochmals intensiver fortgesetzt. Hierbei stellten wir uns gemeinsam mit unserem Vater die folgenden kritischen Fragen:
- Welche Stellung soll unser Unternehmen in fünf Jahren innerhalb der Gruppe haben?
- Welchen Umsatz möchten wir in fünf Jahren erreichen?
- Welche Hürden könnten auf uns in den nächsten fünf Jahren zukommen?
- Welche Meilensteine müssen wir uns setzen, um unsere Ziele zu erreichen?
Zugegeben, das sind viele und vor allem schwerwiegende Fragen, mit denen sich allerdings jeder beschäftigen sollte, wenn man ein Unternehmen nachhaltig in eine erfolgreiche Richtung lenken möchte.
Daher haben wir uns einige Meilensteine gesetzt, um unser „Hauptziel“ zu erreichen. Die Entscheidung, hin zu mehreren Meilensteinen, war bewusst gewählt, um die Motivation infolge der damit einhergehenden mehreren Erfolgserlebnisse aufrechtzuerhalten. Meilensteine werden bei uns in den Themenfeldern „Finanzen“, „Prozesse“ und „Verantwortungen“ unterschieden.
Meilensteine
Finanzmeilensteine ergeben sich durch die „klassische“ Betrachtung der nackten Zahlen. Hierbei geht es um Kennzahlen wie Umsatz, Neukundengewinnung, Ausbau von Bestandskunden und aber auch der Gewinn, der unterm Strich stehen sollte.
Nach Betrachtung der Finanzen haben wir uns einzelne Prozessmeilensteine erarbeitet. Hierbei gilt es, die Frage zu beantworten, welche Prozesse und Veränderungen noch eingeführt werden müssen, damit die Finanzmeilensteine erreicht werden können. Mit der Erarbeitung einzelner Prozessänderungen und der dadurch einhergehenden Einführung neuer Herstellungstechniken, steht man automatisch vor der Frage, wie die jeweiligen Verantwortungen verteilt werden.
Diese Verantwortungen haben wir Aufgrund unserer eigenen Vertiefungsrichtungen den jeweiligen Meilensteinen zugeordnet, um so die Unternehmensnachfolge nachhaltig abbilden zu können.
Bezüglich dieses Punkts muss man jedoch so ehrlich sein, und festhalten, dass viele Pläne geschmiedet werden, um sie dann wieder in Teilen umzukrempeln. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, das es klar sein muss, dass nicht immer alles nach Plan laufen kann und muss, und es ist zwingend erforderlich ist, sich auf die täglichen Ungewissheiten einzulassen.
Auch wir bei der Zahntechnik Pietz stehen häufig vor Herausforderungen, die unsere Pläne verändern, oder in der Zeitachse nach hinten schieben. Ein Faktor, den wir nicht richtig beeinflussen können, ist zum Beispiel die Auftragslage, die ja von den Patienten der Kunden abhängt. Hier versuchen wir, mit gezielten Marketing-Aktionen und der Einführung neuer Techniken entgegenzuwirken, die den Kunden und auch den Patienten Vorteile bringen.
Ein Faktor für die Einführung neuer Techniken ist die Digitalisierung. Diese ist heutzutage in fast allen Bereichen nicht mehr wegzudenken und spielt bei uns eine übergeordnete Rolle. Daher haben wir die Digitalisierung bei uns Step by Step in alle Bereiche eingegliedert oder sind zumindest dabei, die Digitalisierung in diesem oder jenem Bereich voranzutreiben.
Rollenverteilung
Um die Rollenverteilung von uns drei Brüdern anhand eines neuen Projekts darzustellen, soll folgendes Beispiel herangezogen werden.
Anfang des Jahres 2024 haben wir bei uns im Labor die Herstellung von Totalprothesen digitalisiert. Ein detaillierter Ablauf dieser Herstellungsart findet sich in der Novemberausgabe der Quintessenz Zahntechnik ab Seite 1.100.
Als das Projekt „Totalprothetik“ aufkam, setzten wir uns intern zusammen, um den Ablauf und eine Zeitschiene zu besprechen. In der Regel unterscheiden wir direkt zwischen technischen -und kaufmännischen Aufgaben und Entscheidungen. Technische Aufgaben umfassen hauptsächlich die Implementierung einer neuen Technologie sowie die Einarbeitung dafür notwendigen Mitarbeiter. Hierbei profitieren wir stark von unserer Manpower als Geschwister. Während sich der eine um die Integration einer neuen Technik kümmert, übernimmt der andere nahtlos die täglichen Aufgaben des anderen. Technik bedeutet nicht nur, die neue Software zu beherrschen, sondern auch die Einbindung des Workflows in die eigene CAM-Software sowie CNC-Maschine. Die kaufmännischen Aufgaben bestehen wiederum nun darin, die neue „Technik“ zu vermarkten, bedeutet: Kundenbesuche, Flyer erstellen und oder Publikationen, die diese neue „Technik“ betreffen vorzubereiten und zu verbreiten.
Als weiteren Schritt konnten wir mithilfe unseres jüngsten Bruders den Kunden den IOS-Workflow, der eine massive Zeitersparnis mit sich bringt, direkt näherbringen.
Und so konnten wir das Projekt „Totalprothetik“ dank einer perfekten Zusammenarbeit und Arbeitsteilung innerhalb von nur zwei Monaten erfolgreich umsetzen und nun als funktionierendes Produkt unseren Kunden anbieten.
Herausforderung „Familienunternehmen“
Als Familienunternehmen steht man aber dennoch vor zahlreichen und zum Teil auch riesigen Herausforderungen. Welche Herausforderungen das sein können und wie wir diesen gemeinsam als Team begegnen und begegnen möchten, werde ich nachfolgend aufzählen und erläutern.
Aus Gesprächen mit anderen Laborgeschäftsführern, die diese Transformation bereits hinter sich haben, sowie aus unseren eigenen Erfahrungen, haben sich für uns folgende Problematiken herauskristallisiert:
- Geschwisterkonflikt;
- Vater-Kinder-Konflikt;
- Unterschiedliche Vorstellungen der strategischen Ausrichtung des Labors;
- Kampf um „Anerkennung“ der Mitarbeiter;
- Stempel „nur“ das Kind vom Chef zu sein;
- Trennung von Familie, Privatem und Geschäftlichem;
- Die eigenen Sorgen und Ängste zu zügeln;
- Sich immer und immer wieder bei Niederschlägen aufzuraffen und dabei nicht zu verzweifeln.
Mit all diesen Herausforderungen werden wir täglich konfrontiert. Damit unser Familienleben sich nicht nur auf die Arbeit bezieht, ist es uns enorm wichtig, einen Ausgleich zu schaffen. Daher unternehmen wir als Geschwister beziehungsweise als Familie auch privat sehr viel zusammen. Wir haben es uns zur Tradition gemacht, uns mindestens einmal in der Woche zum Abendessen zu treffen. Doch warum machen wir das?
Um unseren Zusammenhalt zu stärken und einen Ausgleich zu der täglichen Arbeit schaffen. Parallel dazu legt unser Vater großen Wert auf Harmonie in der Familie, sodass auch mit ihm regelmäßige Zusammenkünfte stattfinden, die von unserem Vater auch aktiv gefördert werden.
Wir haben gelernt, dass, je größer der private Zusammenhalt in der Familie ist, es umso einfacher für uns ist, Lösungsorientierter geschäftlich zu agieren.
Aufgrund des Generationsunterschiedes gibt es natürlich auch bei uns immer wieder unterschiedliche Meinungen zur strategischen Ausrichtung des Labors. Unser Vater als „Silberrücken“ hat aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung seine klaren Vorstellungen. Jedoch ist er in der Lage, nach fundiertem Meinungsaustausch seine Meinung zu ändern und den dann gemeinsam gewählten Weg mitzugestalten. Sein Credo ist Vertrauen in uns – seine Kinder!
Engagement vorleben und nicht „verzetteln“
Durch unser eigenes Engagement sind wir ein Vorbild für alle Mitarbeiter und zeigen dadurch den Einsatz, den wir uns von allen unseren Mitarbeitern wünschen. Wir möchten unseren Mitarbeitern damit zeigen, dass uns das Labor wichtig ist und dass wir uns um jeden kümmern.
Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass wir den „Sohn“-Stempel nur dann loswerden, wenn wir unbedingten Einsatz und Zusammenhalt zeigen. Wir springen da ein, wo wir gebraucht werden, und unterstützen jeden der Hilfe benötigt.
Um in einer Rolle nicht zu engstirnig zu werden, haben wir wöchentliche Führungskräftemeetings, in welchen wir uns zu jedem Bereich des Labors updaten, neue Herausforderungen angehen und Lösungen schaffen. Die Meetings hatten wir zu Beginn mit vier Personen gestartet. Allerdings stellten wir fest, dass wir uns oftmals verzettelten und den Fokus für das in dem Moment wesentliche verloren hatten. Aus diesem Grund sind wir von vier auf zwei Personen geschrumpft – um die Effizienz zu steigern. Selbstverständlich werden zu speziellen Themen immer die verantwortlichen Personen hinzugezogen.
Schwierigkeiten wichtig für den Lernprozess
Nicht alles klappt gleich auf Anhieb. Führungsaufgaben zu übernehmen, bedeutet jeden Tag aufs Neue, Situationen neu einzuschätzen, richtig darauf zu reagieren und auch zu handeln. Viele Dinge werden nicht gleich von Anfang an funktionieren. Trotzdem sind diese Schwierigkeiten enorm wichtig für den eigenen Lernprozess. Es gibt auch Tage, an denen man selbst nicht perfekt ist. Auch das muss man lernen und von sich abschütteln. Nur eins ist von Anfang an wichtig: In Schwierigen Situationen niemals das Handeln an andere abgeben, immer Verantwortung übernehmen und sei es nur für eine Kleinigkeit.
Immer aufzeigen, dass jeder einzelne in der Führungsebene das gleiche Ziel verfolgt und dieses auch immer mit einer Stimme kommunizieren. Wir agieren und handeln immer als Einheit, nämlich als Familie.
In unserem Betrieb leben wir die Philosophie, dass wir als Führungskräfte für die Fehler der Mitarbeiter einspringen und diese gegebenenfalls unter Anleitung korrigieren. Damit vermitteln wir unseren Mitarbeitern, dass wir Verantwortung für den Betrieb und sie übernehmen. So lernt das Führungspersonal viel von und über die Mitarbeiter und erarbeitet sich zudem Wertschätzung und Vertrauen der Mitarbeiter.
Wir sind stolz, bereits jetzt Teil wesentlicher Entscheidungen zu sein, um das Unternehmen zukunftssicher zu gestalten. Es ist unserer Zukunft!
Fazit
Wir haben als Familie das Motto der drei Musketiere übernommen: Einer für alle – alle für einen! Es wird geteilt. Die Verantwortung, die Sorgen aber auch der Erfolg sowie die Anerkennung. Und das beziehen wir nicht nur auf die Familie, sondern auf alle unsere Kollegen, unsere Mitarbeiter.
Familienunternehmen heißt nicht gleich Familienunternehmen, nur weil Familienmitglieder im Unternehmen tätig sind. Ein Familienunternehmen ist dann ein Familienunternehmen, wenn man es schafft, die familiäre Atmosphäre auf alle Kollegen zu übertragen!
Moritz Pietz, Pietz Zahntechnik GmbH
Pietz Zahntechnik GmbH
An der Lehmgrube 6
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