AlterszahnheilkundeSeiten: 353-360, Sprache: DeutschKrummenacher, René / Nitschke, InaEine anhaltende somatoforme Schmerzstörung wird vermutet, wenn körperliche Beschwerden vorliegen, für die kein somatisches Korrelat gefunden werden kann. Dabei handelt es sich um eine psychische Störung, die sich in einem körperlichen Symptom äußern kann. In dem hier dargestellten Fall eines 63-jährigen Patienten, der ca. 8 Monaten lang an starken Schmerzen im Unterkiefer rechts gelitten hatte und bei verschiedenen Zahnärzten vorstellig geworden war, konnte nach sorgfältiger multidisziplinärer Differenzialdiagnostik eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung nach ICD-10 (F45.4) festgestellt werden. Die vom Patienten geschilderten Symptome und das Beklagen von Schmerzen im orofazialen Bereich verleiten den Behandler zum einen in der Regel dazu, schnell zahnärztlich tätig zu werden, um den Patienten erst einmal von seinen Schmerzen zu befreien. Der Fall zeigt zum anderen, dass es auch eine Herausforderung sein kann, der Schmerzsymptomatik nicht gleich mit zahnärztlichen Hilfsmitteln wie Bohrer oder Zange zu Leibe zu rücken, sondern bei einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zunächst die Grenzen der Behandlung für den Zahnarzt auszuloten. Weiterführende psychotherapeutische Maßnahmen werden einerseits verhaltenstherapeutisch und andererseits klärungsorientiert in den Behandlungsverlauf eingeflochten. Mit dem vertieften Einblick in die psychotherapeutische Behandlung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ist der praktizierende Zahnarzt für die Dynamik dieses Krankheitsbildes sensibilisiert. Dabei kann er erkennen, dass die vom Patienten ständig erneut eingeforderten zahnärztlichen Interventionen das Krankheitsbild aufrechterhalten und die sekundär verursachten iatrogenen Schäden zu einer Chronifizierung und einer somatischen Fixierung der Beschwerden führen können.
Schlagwörter: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung, orofaziale Schmerzen, psychische Erkrankung, Psychotherapie, somatische Fixierung