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AOK-Bundesverband: Bürger haben hohe Erwartungen bei den Themen Gesundheit und Pflege – Hauptforderungen „Mehr Effizienz, mehr Freiraum, mehr Stabilität“

(c) MODS/Shutterstock.com

Die Präsentation der eigenen Forderungen an die Parteien und eine künftige Bundesregierung hat der AOK-Bundesverband am 8. Januar 2025 mit aktuellen Umfrageergebnissen zu den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an das Gesundheitswesen unterlegt. Als wichtigstes politisches Handlungsfeld für die nächste Bundesregierung nennen die Deutschen den Bereich Gesundheit und Pflege (48 Prozent) – noch vor Wirtschaftlicher Lage (46 Prozent), Innerer Sicherheit und Kriminalbekämpfung (40 Prozent), Bildung (40 Prozent) und Rente- und Alterssicherung (32 Prozent).

Die aktuelle Situation in der ärztlichen Versorgung schätzen die Bürgerinnen und Bürger offensichtlich als so schwierig ein, dass 53 Prozent sich dafür entscheiden würden, für einen schnellen Termin beim Arzt auf die freie Auswahl des Arztes zu verzichten. 43 Prozent wäre die freie Arztwahl so wichtig, dass sie dafür auch eine längere Wartezeit für einen Termin in Kauf nehmen würden.

Quelle: AOK Bundesverband

 

Wenig Vertrauen in die Zukunft

Für die repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbands wurden 1.003 Menschen ab 18 Jahren vom 16. bis zum 18. Dezember 2024 befragt. Was die Situation im Gesundheitswesen insgesamt angeht, sind 45 Prozent gar nicht oder weniger mit der Qualität der Versorgung zufrieden und 60 Prozent haben wenig Vertrauen in die zukünftige Versorgung. Befragt nach den Folgen der Krankenhausreform, sind vor allem die Menschen im Osten sehr skeptisch. 48 Prozent der Befragten dort erwarten eine schlechtere Versorgung vor Ort. Im Westen sind es 34 Prozent. Dass sich die Situation verbessert, glauben bundesweit nur 20 Prozent, 42 Prozent hoffen, dass sich sich im Wesentlichen nicht verändert.

Unzufriedenheit im Osten größer

Quelle: AOK Bundesverband
Besonders groß ist die Unzufriedenheit im Osten Deutschlands: Insgesamt 53 Prozent gaben an, weniger oder gar nicht zufrieden damit zu sein, in den westdeutschen Bundesländern sind es nur 44 Prozent. Reimann: „Zufriedenheitsbefragungen zum deutschen Gesundheitswesen hatten auch schon mal bessere Werte.“

So wichtig den Befragten Gesundheit und Pflege sind, so wenig wissen sie über die Positionen der Parteien (selbst wenn man festhält, dass im Befragungszeitraum im Dezember 2024 noch wenig über Wahlprogramme und Positionen berichtet wurde): Nur 7 Prozent wissen darüber gut Bescheid, 61 Prozent gaben an, hier nicht so gut Bescheid zu wissen.

Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands: „Im aktuellen Wahlkampf spielt das Thema Gesundheit und Pflege bislang eine untergeordnete Rolle – mit Blick auf die forsa-Ergebnisse allerdings völlig zu Unrecht. Das Thema muss von den Parteien viel stärker priorisiert werden.“ 

Debatte stark verengt und von populistischen Forderungen geprägt

Laut Reimann liege eine Ursache auch darin, dass die öffentliche Debatte im Bereich Gesundheit und Pflege im aktuellen Wahlkampf sehr stark verengt und von populistischen Ad-hoc-Forderungen geprägt ist, wie etwa nach unbezahlten Karenztagen im Krankheitsfall oder dem Abschaffen der telefonischen Krankschreibung. Reimann: „Solche Schnellschüsse bringen uns nicht weiter, lenken von den eigentlichen Effizienzproblemen im Gesundheitswesen ab und gehen auch an den Sorgen und Wünschen der Wählerinnen und Wähler völlig vorbei. Es geht darum, dass das Gesundheits- und Pflegesystem wieder besser funktioniert und gleichzeitig die finanziellen Belastungen der Menschen und der Wirtschaft nicht weiter steigen.“

Laut Forsa-Umfrage sind bei den Maßnahmen für die nächsten Jahre die Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege am wichtigsten (79 Prozent), gefolgt vom Zugang zur ärztlichen Versorgung auch in benachteiligten Regionen (72 Prozent) und von der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, besonders für das Pflegepersonal (70 Prozent).

Mehr Gegenleistung für hohe Beitrag

Dr. Carola Reimann
Dr. Carola Reimann
Foto: AOK Bundesverband
Mehr Effizienz, mehr Freiraum, mehr Stabilität – Mit diesen drei Kernforderungen positioniert sich die AOK zur Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl 2025. Unter dem Titel „Wie unser Gesundheitswesen besser wird – aber nicht teurer“ präsentierte die AOK-Gemeinschaft ihre Forderungen und Vorschläge zur Gesundheits- und Pflegepolitik nach der Bundestagswahl. „Deutschland belegt bei den Gesundheitsausgaben einen Spitzenplatz, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung steigen dramatisch. Gleichzeitig müssen Versicherte aber oft erleben, dass Qualität und Zugang zu Gesundheits- und Pflegeangeboten unzureichend sind“, so Reimann. „Die Solidargemeinschaft aus Versicherten und Arbeitgebern hat einen Anspruch auf mehr Gegenleistungen für ihre hohen Beiträge.“

Zentral für Zusammenhalt und Wirtschaft

Reimann: „Gesundheit und Pflege sind wichtige Themen auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft und darüber hinaus aber auch ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Ein funktionierendes und bezahlbares Gesundheits- und Pflegesystem zieht Investitionen an und fördert die Ansiedlung neuer Unternehmen in den Regionen. Auch vor diesem Hintergrund muss das Thema politisch noch viel stärker in den Fokus rücken und nicht auf einem Nebenschauplatz abgehandelt werden.“

Weniger Verschwendung, mehr Effizienz

Um wieder mehr Effizienz im Gesundheitswesen zu erreichen, fordert die AOK-Gemeinschaft ein Bündel an Maßnahmen. „Begrenzte Ressourcen wie Fachkräfte und finanzielle Mittel müssten gezielter eingesetzt werden, und zwar dort, wo sie den größten Nutzen garantieren“, so Reimann. Wesentlich seien hierfür die qualitätsorientierte Modernisierung der Krankenhauslandschaft und erfolgreiche Umsetzung der Krankenhausreform. Die geplante Reform der Notfallversorgung müsse schnellstmöglich nachgeholt werden. Um unnötige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden sowie Kosten zu senken, seien auch mehr ambulante Operationen sinnvoll.

Zudem müssten der hausärztliche Versorgungsauftrag zu einer patientenorientierten, niedrigschwelligen, gesamtheitlichen und kontinuierlichen Primärversorgung weiterentwickelt und die interprofessionelle Zusammenarbeit durch gezielte Regelungen des Gesetzgebers unterstützt werden. Für eine wirtschaftliche Versorgung, die auf dem neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Stand ist, müssten die Instrumente des Preiswettbewerbs, etwa in der Arzneimittel- und Hilfsmittelversorgung, gestärkt werden. Reimann: „Das staatliche Mikromanagement und zentrale Vorgaben in der Gesundheitsversorgung müssen reduziert werden.“

Weniger Staatsmedizin, mehr Freiraum für die Selbstverwaltung

Es brauche mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die gemeinsame Selbstverwaltung, um die Interessen der Beitragszahlenden zu schützen. Diese müsse ohne politische Einflussnahme medizinisch evidenzbasierte Leistungen und klare Qualitäts- und Strukturvoraussetzungen im Gesundheitswesen festlegen können. Darüber hinaus müsse die paritätische Selbstverwaltung durch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände im Grundgesetz verankert werden. Zudem müsse die vollständige Haushalts- und Beitragssatzautonomie der Krankenkassen wieder hergestellt werden.

Nötig seien mehr Gestaltungsfreiräume für regionale Lösungen, also flexible und dezentrale Vertragsmöglichkeiten, damit innovative und maßgeschneiderte Lösungen für regionale Gesundheitsstrukturen entstehen können.

Umfassende Public-Health-Strategie

Prävention dürfe nicht auf Vorbeuge-Medizin und auch nicht auf einzelne Politikbereiche beschränkt werden. „Wir brauchen endlich eine umfassende Public-Health-Strategie, um die Gesunderhaltung der Bevölkerung, auch mit Blick auf eine nachhaltige Pflegepolitik, zu verbessern“, so Reimann. Ein besonderer Fokus müsse auf Maßnahmen liegen, die die Pflegebedürftigkeit vermeiden, verzögern oder abmildern.

Weniger Unsicherheit, mehr Stabilität

Kritik äußerte auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer: „Die Beitragssatzsprünge zum Jahreswechsel waren kolossal. Die Kassen mussten auf breiter Front anheben. Bei den tatsächlich erhobenen Zusatzbeiträgen liegen wir im Mittel jetzt nicht bei den prognostizierten 2,5, sondern bei über 2,9 Prozent. Zur Erinnerung: Im Jahr 2015 lag der Zusatzbeitragssatz bei durchschnittlich etwa 0,8 Prozent.“

Tatsächlich sei die Beitragssatzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung völlig aus dem Lot geraten, ohne bessere Gegenleistungen. „Solche Beitragssatzsprünge sind inakzeptabel und kommen einem sozialpolitischen Armutszeugnis gleich. Das sorgt für viel Unmut und Verunsicherung bei beitragszahlenden Mitgliedern und ihren Arbeitgebern“, so Hoyer.

Klare Trennung zu gesamtgesellschaftlichen Aufgaben

Ein erster wichtiger Schritt, um Krankenkassen wieder finanziell stabiler zu machen, sei die Rücknahme der Begrenzung der finanziellen Rücklagen der Krankenkassen. Zudem müsse die Zweckentfremdung von Versichertengeldern beendet werden. Es bedürfe einer klaren Trennung zwischen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die der Staat zu finanzieren habe, und den originären Aufgaben einer GKV. So brauche der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen eine regelgebundene Dynamisierung, ebenso müssten die pauschalen Krankenversicherungsbeiträge für Bürgergeldbeziehende auf eine auskömmliche Höhe angehoben werden.

Weniger Mehrwertsteuer für Arzneimittel

Auch der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel von 19 Prozent müsse reduziert werden. Die infrastrukturellen Kosten für den Krankenhaus-Transformationsfonds zur Hälfte den Beitragszahlern aufhalsen zu wollen, untergrabe dagegen das Vertrauen in die GKV. 
Schließlich müsse die Ausgabenentwicklung effektiv gesteuert und wieder an die Einnahmenentwicklung gekoppelt werden. Die Potenziale der Digitalisierung seien so zu nutzen, dass sie die Aufwände für alle Beteiligten minimieren und Abläufe beschleunigen.

Reform des RSA sofort angehen

Insgesamt bräuchten die Kassen mehr Anreize, effizient zu versorgen. Dafür sei auch eine Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) erforderlich. „Die gravierende Unterdeckung von vulnerable Versichertengruppen von bis zu 18 Prozent ist durch die Berücksichtigung von sozioökonomischen Merkmalen im RSA und der damit einhergehenden Steigerung der Zielgenauigkeit auszugleichen“, so Hoyer. Krankenkassen sollten insbesondere in die Betreuung von Versicherten mit hohem Beratungs- und Koordinierungsaufwand investieren, damit könne den rapide steigenden Gesundheitskosten auch entgegengewirkt werden. Hoyer: „Aufgrund der langen Vorlaufzeiten muss eine RSA-Reform in der 21. Wahlperiode unverzüglich angegangen werden.“

Quelle: AOK-Bundesverband/QN Politik Wirtschaft Nachrichten

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