Die Arztzeit bleibt eine knappe Ressource und bei den Umsätzen der Praxen ging es 2022 auch nicht nach oben. Das zeigen die Statistiken der Arztzahlen für 2023 und der Honorarumsätze für 2022, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Anfang April veröffentlich hat.
Danach ist die Zahl an Niedergelassenen ist zwar nach Köpfen gestiegen, jedoch arbeiten immer mehr von ihnen erst einmal in Anstellung oder Teilzeit. Die schlechten Rahmenbedingungen schrecken von einer selbstständigen Tätigkeit in eigener Praxis ab. Ein Trend, der auch in der Zahnärzteschaft beobachtet und beklagt wird.
Mehr als 50.000 angestellt, mehr als 60.000 in Teilzeit beschäftigt
Laut Arztzahlstatistik der KBV für das Jahr 2023 wählen immer mehr Ärztinnen/Ärzte und Psychotherapeutinnen/-therapeuten zunehmend flexiblere Arbeitsformen. Im Jahr 2023 waren erstmals mehr als 50.000 in einer Anstellung und erstmals mehr als 60.000 in Teilzeit beschäftigt. Seit 2013 verzeichnet die Teilzeit-Tätigkeit ein Plus von 235 Prozent. Die Anzahl der Anstellungen hat sich in diesem Zeitraum verdoppelt, so die KBV.
Immer mehr Frauen auch unter den Haus- und Augenärzten
In einzelnen Fachgruppen lässt sich im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs feststellen – so bei Psychotherapeuten (plus 0,4 Prozent), Fachinternisten (plus 1 Prozent) und Hausärzten (plus 0,1 Prozent). Seit 2013 gab es bei den Psychotherapeuten ein Plus von 13,1 Prozent an Kassensitzen. Die Anzahl der Hausärzte nahm erstmals seit 2016 wieder zu.
Der Frauenanteil bei Ärzten und Psychotherapeuten steigt laut KBV weiterhin kontinuierlich. Erstmals stellten sie auch bei den Hausärzten (50,5 Prozent) und Augenärzten (50,3 Prozent) die Mehrheit. Das Durchschnittsalter der Ärzte und Psychotherapeuten lag wie schon im Vorjahr bei 54,1 Jahren.
Überwiegende Mehrheit noch „klassisch“ tätig
Laut Bundesarztregister nahmen im vergangenen Jahr 187.441 Ärzte und Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Gegenüber 2022 hat sich die Anzahl von Ärzten und Psychotherapeuten nach Köpfen um 2.143 erhöht – ein Plus von 1,2 Prozent (bei Ärzten plus 0,7 Prozent, bei Psychologischen Psychotherapeuten plus 3,4 Prozent).
Der Trend nach flexiblen Arbeitszeiten und Anstellung schreitet der Statistik zufolge zwar kontinuierlich voran, aber noch ist die überwiegende Mehrheit der Niedergelassenen „klassisch“ in der eigenen Praxis tätig (124.653).
Durchschnittlicher Honorarumsatz „auf Kasse“ 242.670 Euro
Mit einem durchschnittlichen Plus von lediglich 0,2 Prozent sind die Umsätze der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten im Jahr 2022 auf dem Vorjahresniveau verharrt. Dies geht aus dem vierten Honorarbericht der KBV für 2022 hervor, der in seinem Sonderthema Zahlen für das gesamte Jahr enthält.
Der durchschnittliche Honorarumsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit – vor Abzug von Praxiskosten, Steuern etc. – stieg je Praxisinhaber im Berichtsjahr um 501 Euro (plus 0,2 Prozent) auf 242.670 Euro. Der durchschnittliche Honorarumsatz je Behandlungsfall sank um 0,62 Euro auf 75,25 Euro (minus 0,8 Prozent).
Hausärzte erzielen Plus von 1,9 Prozent
Im hausärztlichen Versorgungsbereich wuchs der Honorarumsatz je Arzt im Schnitt um 1,9 Prozent auf 250.144 Euro, wenngleich der Umsatz je Behandlungsfall auf 69,31 Euro (minus 2,0 Prozent) fiel. „Ein Grund für das Minus ist, dass die Anzahl der Behandlungsfälle stärker gestiegen ist als das Honorar“, so die KBV.
Bei Fachärzten unterschiedliches Bild
Der durchschnittliche Honorarumsatz je Arzt im fachärztlichen Bereich sank um 0,8 Prozent auf 238.783 Euro. Der Umsatz je Behandlungsfall stieg auf 78,79 Euro (plus 0,1 Prozent). Vom sinkenden Honorarumsatz je Arzt waren nahezu alle Fachgruppen betroffen. Zuwächse erzielten unter anderen die Humangenetiker, die HNO-Ärzte, die Neurochirurgen und die Dermatologen.
Bei den Psychologischen Psychotherapeuten sank der durchschnittliche Honorarumsatz je Therapeut im Vergleich zu 2021 um 1,8 Prozent. Auch die ärztlichen Psychotherapeuten mussten ein Minus von 1,6 Prozent hinnehmen.
Gesamtvergütung stieg um 2,8 Prozent
Die Gesamtvergütung stieg dem Bericht zufolge im Jahr 2022 um 2,8 Prozent. Somit standen bundesweit rund 44,2 Milliarden Euro für die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zur Verfügung, so die KBV. Davon entfielen 19,0 Milliarden Euro auf Leistungen, die die Krankenkassen extrabudgetär bezahlen müssen, zum Beispiel Früherkennungsuntersuchungen und ambulante Operationen. Die gedeckelte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung umfasste 25,3 Milliarden Euro.
Vergleichbarkeit pandemiebedingt eingeschränkt
Für die Bewertung der in diesem Honorarbericht dargestellten Zahlen sei zu beachten, dass aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung die Ergebnisse der Honorarverteilung für das Jahr 2022 nur eingeschränkt mit denen des Vorjahres vergleichbar sind, so die KBV, da zum Beispiel 2021 im ersten Quartal noch strengere Kontakteinschränkungen galten und es erst später Nachholeffekte gab.
KBV: Honorarumsatz aus vertragsärztlicher TätigkeitDer Honorarumsatz wird häufig mit dem Einkommen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten verwechselt. Der im Honorarbericht ausgewiesene Honorarumsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit ist die Zahlung an den Arzt oder Psychotherapeuten für den Betrieb der Praxis und die Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten. Der Umsatz ist nicht mit dem Nettoeinkommen gleichzusetzen.
Das Nettoeinkommen, also das Geld, das der Arzt/Psychotherapeut für seine Arbeit bekommt, beträgt durchschnittlich nur 25,5 Prozent des Honorarumsatzes. Aus den anderen 74,5 Prozent des Honorarumsatzes finanziert er:
- Praxiskosten, zum Beispiel für Personal, Miete, Energie und Versicherungen, medizinische Geräte. Diese Betriebsausgaben sind je nach Fachgruppe unterschiedlich hoch. Sie betragen im Durchschnitt über alle Gruppen 48,4 Prozent des Honorarumsatzes.
- Steuerzahlungen (15,8 Prozent)
- berufsständische Altersversorgung (7,2 Prozent)
- Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherungen (3,0 Prozent)
Erst nach Abzug aller Kosten ergibt sich das Nettoeinkommen, das dem Arzt persönlich zur Verfügung steht, wobei gegebenenfalls Einnahmen für Untersuchungen und Behandlungen von Patienten, die privat versichert sind, noch zu ergänzen wären.
Gassen: Angemessene Strukturen statt Gesundheitskioske
Auf die neueste Arztstatistik reagierte der KBV-Vorstand mit Forderungen an die Politik: „Das Gesundheitswesen ist einer der wenigen Leuchttürme in unserem Land, noch funktioniert es sehr gut“, sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen und warnte zugleich vor einem durch die Gesundheitspolitik verursachten Niedergang der ambulanten Versorgung. „Wenn der Bundesgesundheitsminister – richtigerweise – davon spricht, die ambulante Versorgung stärken zu wollen, dann muss es darum gehen, die Rahmenbedingungen für die Praxen zu verbessern“, betonte Gassen und stellte klar: „Wir brauchen keine Versorgung light in sogenannten Gesundheitskiosken, sondern angemessene Strukturen für die Haus- und Facharztpraxen.“
Hofmeister: Gefahr des Ausblutens nicht gebannt
Junge Medizinerinnen und Mediziner können sich dem KBV-Vorstandsvize Dr. Stephan Hofmeister zufolge aussuchen, wo und wie sie arbeiten wollen. „Im Prinzip stellt eine Niederlassung eine gute Option dar, um sowohl selbstständig arbeiten zu können als auch Familie und Beruf sinnvoll zu vereinbaren“, betonte er. Dennoch sei die Gefahr eines Ausblutens der ambulanten Versorgung längst nicht gebannt. „Unter den derzeitigen schlechten Rahmenbedingungen – wozu unter anderem überbordende Bürokratie und dysfunktionale Digitalisierung zählen –, dürfte es schwierig sein, selbst mit den kreativsten Förderprogrammen junge Kolleginnen und Kollegen für die Niederlassung zu begeistern.“
Steiner: Verlässlichkeit statt vager Versprechungen
„Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen statt vager Versprechungen und mangelnder Wertschätzung“ in der Gesundheitspolitik, forderte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. So, wie es jetzt laufe, sei auf Dauer keine ambulante Versorgung in den Praxen mehr möglich. „Ohne politische Verlässlichkeit lässt sich deren Betrieb nur noch unter höchsten persönlichen Anstrengungen aufrechterhalten. Ganz zu schweigen davon, dass – ohne jenes Maß an Verlässlichkeit – kaum noch jemand dazu zu bewegen sein wird, eine ärztliche oder psychotherapeutische Praxis zu übernehmen oder zu gründen“.