Dr. Wieland Schinnenburg aus Hamburg ist seit einem Jahr Mitglied des Deutschen Bundestags. Der FDP-Politiker studierte Zahnmedizin und Jura, bis bis vor gut einem Jahr war er als niedergelassener Zahnarzt in eigener Praxis tätig. Parallel arbeitete er als Rechtsanwalt und Mediator vor allem für seine ärztlichen und zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Quintessence News fragte Schinnenburg, der am 12. November 2018 seinen 60. Geburtstag feiert, nach seinen Erfahrungen als Abgeordneter und zu aktuellen Themen.
Herr Dr. Schinnenburg, vor gut einem Jahr sind Sie für die FDP in den Bundestag eingezogen. Hatten Sie damals damit gerechnet?
Dr. Wieland Schinnenburg: Nein, überhaupt nicht. Es kommt nur selten vor, dass die Nummer 2 der Hamburger Landesliste der FDP es in den Bundestag schafft
Sie sind in der politischen und parlamentarischen Arbeit ja nicht unerfahren, waren viele Jahre Abgeordneter und Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Was hat Sie am Berliner Betrieb überrascht, was ist auf Bundesebene anders als im Land?
Schinnenburg: Es ist natürlich die wesentlich größere Bühne und es geht auch um Zahnärzte. Allerdings fällt mir schon auf, dass der Bundestag im Ablauf noch einige Verbesserungen benötigt. Zum Beispiel muss man Schriftliche Fragen per Fax einreichen, E-Mail geht nicht …
In Hamburg waren Sie unter anderem für Verkehrsthemen zuständig, in der FDP-Bundestagsfraktion sind Sie drogenpolitischer Sprecher. Die Themen liegen ja nicht gerade eng beieinander. Wie stellt man sich für so eine Aufgabe auf?
Schinnenburg: Ich war in Hamburg ja auch gesundheitspolitischer Sprecher und auch mehrfach mit Drogenpolitik befasst. Ansonsten muss man fleißig sein und viel lesen, viele Fachleute sprechen und eine Mitarbeiterin einstellen, die sich auskennt.
Helfen Ihnen dabei Ihre juristischen Erfahrungen? Sie sind ja nicht nur Zahnarzt, sondern auch studierter und aktiv tätiger Jurist.
Schinnenburg: Ja. Juristen haben gelernt, sich schnell in fremde Sachverhalte einzuarbeiten. Und es geht oft um Gesetze. Und lustigerweise habe ich Anfang der 1990er-Jahre im Jura-Studium meinen Seminarschein über Drogenpolitik gemacht.
„Ich hoffe, dass Deutschlands Zahnärzte profitieren“
Als Zahnarzt wären Sie ja aus Sicht von außen eigentlich für die Gesundheitspolitik prädestiniert, Sie sind auch Mitglied des wichtigen Gesundheitsausschusses. Können Sie von Ihren Erfahrungen aus dem Zahnarztleben hier profitieren?
Schinnenburg: Vor allem hoffe ich, dass Deutschlands Zahnärzte davon profitieren. Schließlich bin ich der einzige Zahnarzt im Bundestag und konfrontiere die anderen Abgeordneten und die Ministerialbürokratie mit einer Welt, die sie nicht kennen.
Natürlich verbindet man von zahnärztlicher Seite mit einem Zahnarzt als Bundestagsabgeordnetem auch die Hoffnung, dass er die Interessen des Berufsstands mit vertritt. Schließlich sind Zahnärzte eine sehr seltene Spezies unter den vielen Juristen, Beamten und Lehrern im Bundestag. Wie gehen Sie mit diesen Erwartungen um?
Schinnenburg: Ich bemühe mich sehr, dieser Erwartung gerecht zu werden. Unter anderem habe ich einen Antrag in den Bundestag eingebracht, dass betreffend die Telematikinfrastruktur die Frist verlängert und die Sanktion abgeschafft wird.
Budgetierung und Bedarfsplanung abschaffen
Wo sehen Sie aktuell die Brennpunkte in der Gesundheitspolitik?
Schinnenburg: Meines Erachtens ist das wichtigste gesundheitspolitische Thema die Pflege. Von großer Bedeutung ist auch die Bürokratie. Und ich setze mich für eine Abschaffung der Budgetierung und der Bedarfsplanung ein. Beim letztgenannten Thema verweise ich immer gerne darauf, dass diese für die Zahnärzte schon vor mehr als zehn Jahren abgeschafft wurde und es zu keinen negativen Folgen gekommen ist.
Für die Standespolitik, aber auch viele Zahnärzte sind die Fremdinvestoren und Ketten, die sich jetzt auch im „Markt“ Zahnmedizin tummeln, eine alarmierende Entwicklung. Sie haben dazu Ende September in Hamburg auch eine Podiumsdiskussion organisiert. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?
Schinnenburg: Als Liberaler bin ich für Wettbewerb, aber eben auch für fairen Wettbewerb. Und dieser ist derzeit zwischen MVZs und niedergelassenen Zahnärzten nicht gegeben. Denken Sie nur an die Möglichkeit, beliebig viele Zahnärzte anstellen zu können und daran, dass MVZs als GmbH betrieben werden können.
„Wir müssen die jungen Kollegen motivieren, sich niederzulassen“
Welche Herausforderungen muss die Zahnärzteschaft aus Ihrer Sicht kurz- und mittelfristig anpacken und meistern?
Schinnenburg: Wir müssen die jungen Kollegen motivieren, sich in eigener Praxis niederzulassen. Ich habe über 30 Jahre eine eigene Praxis gehabt. Das war anstrengend, aber auch sehr befriedigend.
Sie begleiten Ihre Bundestagswochen und Aktivitäten als Abgeordneter gerne mit kleinen Statements und Videos. Wie wichtig ist Ihnen Transparenz gegenüber den Bürgern?
Schinnenburg: Transparenz ist sehr wichtig. Schließlich sollen die Bürger sehen, was wir im Bundestag machen. Deshalb veröffentliche ich zu Beginn jeder Sitzungswoche auf Facebook ein Video mit einem Ausblich auf die Woche und am Ende der Sitzungswoche gibt es einen Newsletter, in dem ich zurückschaue auf die Woche. Diesen Newsletter kann man per E-Mail an wieland.schinnenburg@bundestag.de bestellen.
Was war für Sie in Ihrem ersten Jahr als MdB die beeindruckendste Erfahrung oder das nachhaltigste Erlebnis?
Schinnenburg: Sehr beeindruckend war die Delegationsreise nach Estland. Dort wurde uns vorgeführt, wie eine elektronische Patientenakte funktionieren kann. Deutschland hängt insofern weit hinterher.
Dr. Wieland Schinnenburg studierte Zahnmedizin und Jura und war bis Ende 2017 als Zahnarzt in eigener Praxis in Schleswig-Holstein tätig. Parallel arbeitete er als Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg und ist in diesem Bereich weiter aktiv. Schinnenburg ist FDP-Mitglied und war unter anderem Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit der Bundestagswahl 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied des Gesundheits- und des Rechtsausschusses und Drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Foto: Burgis Wehry/Schinnenburg